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Zur nationalen Ski-Ikone gekürt

Zur nationalen Ski-Ikone gekürt Zur nationalen Ski-Ikone gekürt

Wendy Holdener wird in der Presse zur «Helvetia im Rennanzug» stilisiert

Der 26-jährigen Skirennfahrerin aus Unteriberg wird eine ausserordentliche Ehre zuteil: Die «Neue Zürcher Zeitung» feiert Wendy Holdener in einem riesigen Feature als nationale Ski-Ikone. Ein Text, der zu reden gibt.

WOLFGANG HOLZ

«Helvetia im Rennanzug» – so titelt Journalist Philipp Bärtsch in der vergangenen Freitagsausgabe der «NZZ» seinen Artikel über Wendy Holdener – die er als «Vorzeigefigur einer erstarkten Skination» erkennt. Das Feature, das der Redaktor anlässlich der beiden Weltcup-Abfahrten und der Alpine Kombination in Crans-Montana am vergangenen Wochenende verfasste, nimmt fast die ganze Rückseite des Zürcher Traditionsblatts ein. Nur das verletzte Knie von Roger Federer, dem Schweizer Sport-Überidol aller Zeiten, schafft es auf der gleichen Seite noch zu einem längeren Einspalter – neben der strahlenden Skirennfahrerin.

Die Ehre, die dem 26-jährigen Skistar aus Unteriberg da zuteil wird, darf als ausserordentlich bezeichnet werden. Denn man fragt sich spontan, ob auch solche megaerfolgreichen Skirennfahrerinnen wie Marie-Theres Nadig, Maria Walliser, Michaela Figini, Erika Hess und nicht zuletzt die wohl erfolgreichste Schweizer Skirennläuferin aller Zeiten, Vreni Schneider, die einen grösseren Palmarès als Wendy Holdener aufweisen, in ihrer Zeit einer solchen Ehre je würdig gewesen waren beziehungsweise auch so betitelt wurden. Omnipräsent in der Werbung

Die Begründung für den national sinnbildhaften Status von Skirennfahrerin Wendy Holdener bringt der NZZ-Redaktor bereits im Leadsatz seines 247 Zeilen langen Epos auf den Punkt: «Wendy Holdener ist allüberall». Schreibt’s und spricht damit die Omnipräsenz der 26-jährigen Skirennfahrerin in der Werbung in diesen Tagen an. Wäschetrockner, sterbende Glescher, Krebsliga, Suva, ein Ticketing-Unternehmen. Nicht zu vergessen natürlich der coole Spot mit dem Kühlschrank voller Kaltgetränke, in dem die Skirennfahrerin spasshalber auch gleich logiert – die Liste von Wendy Holdeners Werbeeinsätzen ist in der Tat lang geworden. Und die Skirennfahrerin ist wirklich in der Öffentlichkeit allgegenwärtig – wo sie eine gute Figur macht. Die Frage ist, ob eine permanente Öffentlichkeitspräsenz auch Erfolge kompensieren kann.

Die Popularität der Unteribergerin beruht natürlich laut NZZ auch auf ihren sportlichen Meriten. «Das Publikum hat sich an die Erfolge von Wendy Holdener gewöhnt. Sie fährt so regelmässig Podestplätze ein, dass sie zum Gesicht der wiedererstarkten Skination geworden ist», schreibt der Redaktor. In dieser Saison waren es bislang sechs Podestplätze in 29 Rennen, welche die Unteribergerin erringen konnte. Allerdings ohne einen einzigen Sieg bislang. Eine bis jetzt eher mittelprächtige Bilanz – bei karrieretotal drei Weltcup- Siegen. Andere Schweizerinnen wie Corinne Suter – und plötzlich Lara Gut-Behrami – stehen derzeit im Rampenlicht und sind neben Yule und Feuz (und Urs Kryenbühl!) eigentlich eher das Gesicht der erstarkten Skination.

Mythische Dramatik Wobei Philipp Bärtsch gerade eben die «Ambivalenz der Erfolge» der Ski-Weltmeisterin, Olympiasiegerin und Weltcup- Gesamtzweiten aus dem Ybrig so bewundert. Etwa die Tatsache, dass Wendy Holdener 2011 gerade in Crans-Montana bei den Juniorenweltmeisterschaften Gold, Silber und Bronze gewann – und nur Wochen zuvor von der Krebsdiagnose ihres Bruders erfahren hatte. Eine zweifellos enorme emotionale Belastung für die junge Skirennfahrerin.

Oder etwa, dass die Stangenkünstlerin noch nie im Slalom ein Weltcup-Rennen gewinnen konnte, aber schon 13 Mal Zweite wurde. Das Scheitern um Hundertstel wird so zum tragischen Mythos – vergleichbar mit der des legendären Sisyphos, der nicht aufgibt, den Felsbrocken den Berg hinauf zu stossen, obwohl dieser ständig wieder herunterkullert. «Sie ist im Stangenwald, was Raymond Poulidor – dreimal Zweiter und fünfmal Dritter – in den sechziger und siebziger Jahren in der Tour de France war», so Bärtsch. Klar, auch ewige Zweite können Helden sein.

«Liebling des Boulevards» Auch der widersprüchliche Fakt, dass Wendy Holdener ein Liebling des Boulevards sei, «obwohl ihre Karriere schon so lange frei von Brüchen ist», findet der NZZ-Journalist erstaunlich. Und nicht nur das: Sie zeige eben Gefühle und Grösse in der Niederlage beziehungsweise, wenn sie zum x-ten Mal auf Superstar und Dominatorin Mikaela Shiffrin angesprochen werde.

Vielleicht ist dies tatsächlich die überragende Grösse von Wendy Holdener – dass sie immer authentisch wirkt. Niemandem etwas vorzumachen versucht. Immer wieder von Neuem verbissen um den Erfolg kämpft. Ja, sich sogar vor der Kamera, vor der ganzen Skination also, bescheiden und traurig entschuldigt, dass sie es an einem bestimmten Tag einfach nicht besser den Hang runtergebracht habe.

«Fassbar» für die Fans Wendy Holdener ist eine ehrliche Haut, und das macht sie für viele so sympathisch. Nicht nur für ihre Fans, für die sie laut dem NZZ-Redaktor «fassbar bleibt.» Der Fanclub, der von ihrem anderen Bruder 2011 gegründet worden sei, ist für ihn der beste Beweis. Zählt dieser heute doch mehr als 800 Mitglieder. Und «fast die Hälfte davon kamen im vergangenen Jahr zum alljährlichen Grillfest in der Mehrzweckhalle Baumeli daheim in Unteriberg im Kanton Schwyz».

Keine Frage: Wendy – die «Helvetia im Rennanzug» – ist beliebt. Auch wenn sie gerade eben nicht die erfolgreichste Skirennfahrerin ist.

«Wendy Holdener ist allüberall.»

Philipp Bärtsch, NZZ

Ausschnitt des Artikels über Wendy Holdener in der Neuen Zürcher Zeitung. Foto: Wolfgang Holz

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