«Schweizer waren wir früher schon»
Seit Dezember letzten Jahres sind die drei Einsiedler Danilo, Dean und Rade Tosic eingebürgert
Ihren neuen roten Pass haben sie zwar noch nicht: Doch Dean, Rade und Danilo Tosic freuen sich schon auf ihre neuen Dokumente, die beweisen, dass sie nun auch Schweizer sind. Dabei fühlen sich die gebürtigen Bosnier längst heimisch hier.
WOLFGANG HOLZ
Wie heisst der Vorsitzende des Klosters Einsiedeln? Hm. Eine Frage bei der Einbürgerungsprüfung, die den jungen Danilo Tosic sichtlich ins Grübeln brachte. «Er heisst ähnlich wie ein Tennisspieler», sagt dann plötzlich einer aus der Prüfungskommission und baut dem 19-jährigen Bosnier so eine Brücke. «Federer » kam es Danilo schnell über die Lippen. Und schon war das Eis gebrochen.
Am Anfang nervös
«Ich war am Anfang ziemlich nervös », räumt Danilo, der derzeit eine Lehre als Strassenbauer macht, ein. Deshalb sei er froh gewesen, als sich die Atmosphäre während des Prüfungsgesprächs aufgelockert habe. Seinen beiden älteren Brüdern Rade (23) und Dean (25) ist es ähnlich ergangen. Umso glücklicher wirken die Drei heute, dass es mit ihrer Einbürgerung am Ende so erfolgreich geklappt hat. «Wir haben uns schon vorbereitet auf die Prüfungen und uns zu dritt immer wieder abgesprochen », erzählt Rade. Er arbeitet bei der Einsiedler Verpackungsfirma Wellpack als Kaufmännischer Angestellter in der Abteilung Finanzen und Controlling. Wobei Rade – den man beim Einbürgerungstest fragte, in welchem Baustil das Kloster Einsiedeln errichtet worden sei («Barock», sagt er und grinst) – versichert, dass er viele Inhalte aufgrund seiner KV-Lehre schon wusste. Auch Danilo meint, er habe bei den Fragen auf seine Schulkenntnisse zurückgreifen können. Und Dean? Der Strassenbau- Polier war seinerseits so schlagfertig, dass ihm bei der Frage nach Einsiedler Spezialitäten neben den Schafböcken spontan der «Hafenchabis» in den Sinn kam – «das wurde akzeptiert », sagt er und lacht.
Es ist eine wahre Pracht, die drei Tosic-Brüder so harmonisch und gut gelaunt nebeneinander sitzen zu sehen. «Für uns war es eine ganz natürliche Sache, uns einbürgern zu lassen, schliesslich sind wir hier alle aufgewachsen – wir kennen nichts anderes », sagt Rade. Auch ihre verheiratete Schwester Desanka (28) sei seit einem Jahr Schweizerin. Vater Dusko (59) und Mutter Rada (46) dagegen haben immer noch bosnische Pässe. «Obwohl meine Mutter seit 16 Jahren und mein Vater schon seit 34 Jahren hier leben, wäre für sie die schriftliche Sprachprüfung sehr schwer», erklärt Rade, warum seine Eltern sich bislang noch nicht einbürgern lassen wollten.
Einsiedeln liegt zentral
In Einsiedeln gefällt es den Dreien ausgesprochen gut. «Einsiedeln liegt sehr zentral, und man ist schnell in Zürich und Luzern », schwärmt Dean. Andererseits gebe es alles im Klosterdorf, was man so täglich brauche. Rade und Danilo kick(t)en beim FC Einsiedeln, und Danilo ist auch Mitglied im Tennisclub. Er ist natürlich ein grosser Fan von Novak Djokovic. Zu den bosnischen Verwandten in den Ferien
Ihre Verwandten in Bosnien – Oma, Onkel, Tante mit Familie – sehen die Drei ein-, zweimal im Jahr. Vor allem in den Ferien. «Den Leuten geht es dort wieder etwas besser, die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen», berichtet Dean. Sie bringen ihren Verwandten oft Schweizer Schoggi. Aber nicht nur wegen dieser süssen Mitbringsel waren die Tosics in den Augen ihrer Verwandten und Bekannten dort unten irgendwie auch immer die Ausländer. «Wir waren früher schon die Schweizer», flachst Danilo. Sie selbst, die alle in Bijeljina in Bosnien geboren wurden, nehmen wiederum gerne ein Stück aus ihrer früheren Heimat mit nach Hause. Slivovic. Oder Süssigkeiten, an die sich die Drei noch aus frühester Kindheit erinnern können.
Und was ist mit dem zerrütteten politischen Frieden in Bosnien, wo es während des Jugoslawien- Kriegs die meisten Opfer zu beklagen gab? «Eigentlich kommen die Leute ganz gut miteinander aus, es sind meistens die Politiker, die die Menschen aufhetzen oder sich korrupt verhalten », schildert Dean.
Die Sache mit dem «itsch»
Und wie ist es ihnen in der Schweiz ergangen, wo sie ja auch bisher immer Ausländer gewesen sind? Es heisst ja, dass Personen vom Balkan mit einem «itsch» am Ende des Namens im Alltag nicht selten mit Benachteiligungen konfrontiert seien. «Bei den Leuten, die uns gekannt haben, ist eigentlich nie etwas vorgefallen », erzählt Dean.
Rade dagegen berichtet, dass er es bei der Lehrstellensuche sehr schwer hatte. «Ich habe zig Bewerbungen geschrieben und oft keine Antworten erhalten. » Seine schlussendliche Lehrstelle in der Firma habe er bekommen, weil seine Schwester zuvor im gleichen Betrieb beschäftigt war. «Grundsätzlich muss sich aber jeder durchsetzen und schauen, dass er das geforderte Niveau erreicht», ist Rade überzeugt. Danilo wiederum konnte sogar unter mehreren Bewerbungsangeboten auswählen. Trotz «itsch». Schweizer Pass gut auch für Reisefreiheit Dennoch sind alle Drei jetzt natürlich froh, neben dem bosnischen Pass in Zukunft auch den roten Pass zu besitzen. Nicht zuletzt wegen der Reisefreiheit. «Denn als Bosnier braucht man für einige Länder noch Einreisevisa », sagt Rade. Und schildert, wie er vor Jahren auf eine Schülerreise nach London wegen des riesigen Papierkriegs in Sachen Visum für Grossbritannien verzichtete.
Andererseits verzichteten die drei sehr sympathischen bosnischen Jungs in den letzten Jahren auch auf so manches. Zum Beispiel auf den Ausgang – um sich die Kosten für die Einbürgerung anzusparen. «Insgesamt sind rund 5000 Franken pro Person nicht gerade wenig», meint Dean. Besonders die einmalige Zahlung von 3600 Franken sei «schmerzhaft» gewesen.
Dabei konnten die Drei irgendwie gar nicht anders, als sich für den Schweizer Pass zu bewerben. «Wir fühlen uns schon lange viel mehr als Schweizer wie als Bosnier.»
«Für uns war es eine ganz natürliche Sache, uns einbürgern zu lassen, schliesslich sind wir hier alle aufgewachsen – wir kennen nichts anderes.»
Rade Tosic
Alle drei Neu-Schweizer vereint (von Links): Dean, Danilo und Rade Tosic. Sie wohnen noch zu Hause bei ihren Eltern. Foto: Wolfgang Holz