«Maria ist ein Wegweiser zu Jesus»
Die deutschsprachige Wallfahrtsrektorenkonferenz ging im Kloster Einsiedeln über die Bühne
Verantwortliche der grössten Marienwallfahrtsorte im deutschen Sprachraum aus Altötting, Kevelaer und Mariazell trafen sich im Klosterdorf. Im Fokus der Konferenz standen die Herausforderungen in der Pilgerseelsorge im Zeitalter der
Digitalisierung.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Seit Jahrhunderten pilgern christliche Gläubige an Wallfahrtsorte. Die seit dem Mittelalter bestehende Tradition lebt auch heute weiter und kommt im deutschen Sprachraum im Speziellen zum Ausdruck: So gehören Altötting in Bayern und das an der Grenze zu Holland befindliche Kevelaer zu den wichtigsten Marienwallfahrtsorte Deutschlands. Mariazell in Österreich und Einsiedeln gehören gleichsam zum Quartett der bedeutendsten deutschsprachigen Wallfahrtsorte.
Jeweils im Januar kommen die Verantwortlichen der vier Wallfahrtsorte zum Austausch zusammen. Heuer lud das Kloster Einsiedeln zur deutschsprachigen Wallfahrtsrektorenkonferenz ein, die am Freitag mit einer Pressekonferenz ihr Ende fand.
Im Fokus der Konferenz standen nicht touristische Themen, sondern die Herausforderungen in der aktuellen Pilgerseelsorge. «In dieser Seelsorge steht die Sinnsuche von Menschen im Vordergrund, die das Pilgern als einen Lebensweg erfahren», sagte Pastor Gregor Kauling aus Kevelaer. Oftmals seien auf diesem Weg Leidende mit konkreten Bedürfnissen unterwegs, die von Sorgen bedrängt seien, aus zerrütteten Ehen stammten oder unter einer Krankheit litten, konstatierte Prälat Günther Mandl aus Altötting.
Sport statt Busse im Fokus Die Pilgerseelsorge habe sich bedeutsam gewandelt und individualisiert in der letzten Zeit, lautete der Tenor an der Konferenz: Die Fusswallfahrt befinde sich im Aufschwung, die Busswallfahrt demgegenüber im Sinkflug. Die Wallfahrt werde vermehrt mit sportlicher Aktivität verbunden. «So pilgern Biker, Motorradfahrer und Reiter mit ihrem Pferd an die Gnadenorte und in die spirituellen Zentren», sagte Pater Michael Staberl aus Mariazell. Nicht zuletzt würden viele Pilger mit ihren Tieren anreisen, um diese an den Wallfahrtsorten segnen zu lassen, stellte Luise Hell aus Altötting fest.
Um die Tausenden von Pilgern ausreichend betreuen zu können, seien zahlreiche Laien im Einsatz. Das sei nicht weiter erstaunlich angesichts dessen, dass die Pilgerbewegung seit jeher eine Laienbewegung gewesen sei.
Jeder Wallfahrtsort hat seine ganz speziellen Eigenheiten: Während Mariazell historisch mit Habsburg und Österreich- Ungarn verbunden war und dementsprechend heute noch eine verschiedensprachige Pilgerschar aus Ostmitteleuropa, darunter Tschechen und Slowaken, zu betreuen hat, ist Altötting das Herz von Bayern und hat seit dem Zweiten Weltkrieg vertriebene Sudetendeutsche, Kroaten und Schlesier angezogen. Kevelaer wiederum hatte bereits zur Zeit des Dreissigjährigen Kriegs im 17. Jahrhundert eine grosse Bedeutung und war nicht zuletzt nach Holland und Luxemburg ausgerichtet.
Von Tamilen zu den Fahrenden «In Einsiedeln war erst einmal ein Benediktinerkloster, um das sich dann ein Wallfahrtsort entwickelt hat», erklärte Pater Philipp Steiner vom Kloster Einsiedeln: Im Klosterdorf sei traditionell eine pluralistische Bewegung spürbar gewesen, die immerzu auch mit dem Tourismus in Zusammenhang gestanden habe. Dementsprechend gibt es in Einsiedeln unter anderem eine Tamilen-, eine Portugiesenund eine Fahrende-Wallfahrt.
Dass die Wallfahrt in diesen Zeiten einen regelrechten Boom erlebe, sei just Ausdruck der Krise und der Heimatlosigkeit, die viele Menschen ergriffen habe, sagte Kauling: «Da wird ersichtlich, dass wir in einer Zeit des Umbruchs leben.» Auf den ersten Blick erscheine es paradox, dass ausgerechnet in einer Epoche der Säkularisierung, in der immer mehr Leute den Glauben verlieren und der Kirche den Rücken kehren würden, die Wallfahrt einen derartigen Aufschwung erlebe. Während die Kirche zu verschiedenen Milieus den Kontakt verloren habe, würden Sinnsuchende aus allen Milieus zu den Wallfahrtsorten strömen, führte Kauling aus: Da, wo es wie auf einer Tangente einen Punkt gebe, an dem Menschen auf diese Orte stiessen, würde Begegnung möglich. «Wallfahrtszentren sind offene Orte», sagte Staberl: Es würde keine Rolle spielen, ob man Katholik sei oder nicht. Alle Menschen seien willkommen. Auch Piusbrüder, auch wenn diese Maria auf ihre Art vereinnahmen und den Papst und das Zweite Vatikanische Konzil nicht anerkennen würden.
Maria – Vorzeigedame Gottes
«Schliesslich sind die Angebote der Wallfahrtsorte niederschwellig ausgerichtet», sagte Pater Cyrill Bürgi vom Kloster Einsiedeln: Manchmal gehe es einfach nur darum, dass jemand das Bedürfnis habe, ein Kerzlein in der Kirche anzuzünden.
Schliesslich sei die Muttergottes ein Wegweiser zu Jesus – gewissermassen die Vorzeigedame Gottes, sagte Mandl lachend: «In Augsburg gilt Maria als Knotenlöserin, die Wunder vollbringen kann.» Der Glaube an die Muttergottes habe etwa geholfen, eine Grossmutter aus dem Koma in das Leben zurückzuholen, schilderte Mandl.
Maria sei Sinnbild für das Unterwegssein und helfe, auf dem Weg zu bleiben, erzählte der Kapuzinerpater Norbert Schlenker aus Altötting.
Am Treffen der Wallfahrtsrektoren ging es schliesslich auch um die Vorboten und Herausforderungen der neuen Zeit: die Digitalisierung, die Kommunikation und die Medien. Zu diesem Zweck wurde Adrian Müller, Guardian im Kapuzinerkloster Rapperswil, zur Konferenez eingeladen, um im Kloster Einsiedeln ein Referat über Medien und Kommunikation zu halten.
Was die Teilnehmer der Tagung denn von diesem Vortrag von Bruder Adrian nach Hause mitnehmen würden, wurden die Rektoren ganz am Schluss in einer aufgeschlossenen, munteren und viel Freude ausstrahlenden Runde gefragt: «Wir sollen nicht so eitel sind im Umgang mit den Medien und einer Lokalzeitung wie dem Einsiedler Anzeiger», lautete die von einem schallenden Lachen begleitete Antwort auf diese Frage. Es gelte erst einmal hinzuhören und dann erst zu reagieren. Was der Runde denn zum Abschluss der Wallfahrtsrektorenkonferenz vorzüglich gelingen sollte.
Die Teilnehmer der deutschsprachigen Wallfahrtsrektorenkonferenz (von links nach rechts): Pater Michael Staberl (Mariazell), Pastor Gregor Kauling (Kevelaer), Pater Christoph Pecolt (Mariazell), Diakon Jan Klicken (Kevelaer), Ariane Schuler (Einsiedeln), Generalvikar Klaus Metzl (Altötting), Luise Hell (Altötting), Weihbischof Rolf Lohmann (Kevelaer), Marlis Birchler (Einsiedeln), Pater Philipp Steiner (Einsiedeln), Pater Norbert Schlenker (Altötting), Pater Cyrill Bürgi (Einsiedeln) und Prälat Günther Mandl (Altötting).
Foto: zvg