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Der Kurort verordnet sich eine neue Kur

Der Kurort verordnet sich eine neue Kur Der Kurort verordnet sich eine neue Kur

Oberiberg hat schon Vorstellungen, wie im Sommer mehr Gäste angelockt werden sollen

Vor Kurzem tummelten sich noch rund 3000 Leute in Oberiberg – Gäste, die zwischen Weihnachten und Neujahr das 1125 Meter hoch gelegene 890-Seelendorf bevölkerten. Doch der Schnee wird auch hier immer mehr zur Mangelware. Deshalb will der Ort im Sommer noch attraktiver werden.

WOLFGANG HOLZ

Wer nach Oberiberg fährt, stutzt erst einmal, wenn er die Ortstafel passiert. «Kurort» steht da in verwitterten Buchstaben auf einem kleinen Zusatzschild. Wenn man dann zwei, drei Kurven weiter in das an diesem Dezembertag ins von der Sonne wonnig beschienene Dorf einfährt, spürt man jene Atmosphäre eines kleinen Wintersportorts, der auf 1125 Metern hoch liegt. Das grosse Hotel Roggenstock Lodge wirkt imposant. An einigen Hängen sieht man Liftanlagen.

Wintertourismus funktioniert noch Doch die ausgeaperten Wiesen und Hänge ähneln aufgrund der frühlingshaft warmen Temperaturen irgendwie bereits einem weiss-grünen «Zebra». Was eine Skischule an der Talstation des Skilifts Roggen nicht davon abhält, einigen Kindern auf den letzten Schneeresten professionell das Skifahren beizubringen.

«Es ist sicher schade, dass hier jetzt gerade nicht mehr viel Schnee liegt», sagt Gemeindepräsident Walter Marty. Der Wintertourismus funktioniere aber noch immer gut in Oberiberg. Und das nicht nur, weil hier einst 1938 der dritte Skilift in der Schweiz gebaut und so Oberiberg das «Wintersportort- Gen» eingeimpft wurde. Von Oberiberg hat man ja schliesslich über die Sesselbahn Laucheren immer eine direkte Verbindung ins Hoch-Ybrig, wo man in höheren Lagen den ganzen Winter über Skifahren kann.

«Masterplan» Ybrig Nein, es ist der Sommertourismus, der Walter Marty und dem Gemeinderat ein neues Anliegen ist. In Zusammenarbeit mit Vertretern aus Politik, Tourismus, Hotellerie, Gewerbe und Landwirtschaft hat Oberiberg deshalb am «Masterplan» Ybrig mitgewirkt, der als Grundlagendokument für die zukünftige Ausrichtung des Tourismus im Ybrig dienen soll.

«Wir haben schon zwei konkrete Projekte im Fokus», sagt Marty. Um welche touristischen Konzepte es sich dabei genau handelt, will er noch nicht verraten. Er lässt aber durchblicken, dass mehr Angebote für Familien angedacht seien. Und dass das Biken und Wandern noch besser vermarktet werden sollen. Denn das Ybrig brauche den Tourismus, «und der Tagestourismus im Sommer ist generell noch auf niedrigem Niveau. Wir wollen in Zukunft aber einen attraktiven Sommer- und Wintertourismus », erklärt Marty. Das Hotel sei schliesslich das Hauptgewerbe im Dorf. Rund 70 Prozent der Oberiberger arbeiten auswärts. An Läden gebe es ein Sportgeschäft, einen Volg, eine Bäckerei, einen Deko-Laden und ein Foto- Atelier. Ansonsten seien landwirtschaftliche Betriebe und diverse gewerbliche Unternehmen im Dorf vertreten.

Kurtaxenreglement erhöht Doch zurück zum Kurort. Oberibergs Gemeindepräsident ist zufrieden, dass im vergangenen Jahr das Kurtaxenreglement angepasst werden konnte. «Die Preise wurden dadurch erhöht, und das bringt der Gemeinde ein bisschen mehr Geld in die Kasse für den Tourismus », erklärt Marty. Das kann Oberiberg gut gebrauchen. Eigenkapital von 4 Millionen Franken Denn für das neue Jahr 2020 hat Oberiberg ein Minus von rund 900’000 Franken budgetiert – das sind 200’000 Franken weniger als im vergangenen Jahr. Der Steuerfuss liegt bei 140 Punkten, und das alpine Dorf profitiert nach wie vor vom innerkantonalen Finanzausgleich – auch wenn wir nun 400’000 Franken weniger bekommen», sagt Marty.

Sorgen um die finanzielle Gesamtsituation macht sich der 43-jährige parteilose Gemeindepräsident, der seit sechs Jahren im Amt ist und beruflich als Verwalter der Genossamen Ybrig arbeitet, aber keine. «Wir haben eine gute Steuerkraft bei einem Zweitwohnungsanteil von 62 Prozent », sagt er. Zum anderen verfüge die Gemeinde über ein Eigenkapital von rund vier Millionen Franken. Im neuen Jahr stünde vor allem die Altlastensanierung der Schiessstände für rund 700’000 Franken an. «Ansonsten sind keine Neubauten vorgesehen.»

Neues Primarschulhaus

Auf eine Einweihung eines abgeschlossenen Neubaus können sich Walter Marty und die Gemeinde Oberiberg trotzdem freuen. Das neue Primarschulhaus Chile unterhalb der Kirche, dessen Neubau 3,7 Millionen Franken kostet, soll nach den Herbstferien bezogen werden können. Für die Sanierung des Abwassernetzes müsse man wohl noch die Gebühren erhöhen, und für 2021 sei ein neuer Aufwahrungsraum für Verstorbene vorgesehen.

«Im Grossen und Ganzen geht es der Gemeinde Oberiberg gut. Die Bevölkerung ist gut gemischt zwischen Jung und Alt, und im Dorf herrscht ein guter Zusammenhalt », fasst Walter Marty zusammen.

Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Oberiberg und Unteriberg – schliesslich gehörten beide ja mal zusammen? Marty überlegt lange: «In Oberiberg ist man vielleicht ein bisschen offener und kommunikativer. »

Oberibergs Gemeindepräsident Walter Marty ist seit sechs Jahren im Amt. Fotos: Wolfgang Holz

Hier am Skilift Roggen will die Gemeinde Oberiberg künftig auch im Sommer neue Freizeitmöglichkeiten für Familien anbieten.

Fast so blau wie der Himmel über Oberiberg: Das neue Schulhaus unterhalb der Kirche soll bis nach den Herbstferien fertiggestellt sein.

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