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«Meine Form ist wie ein Puzzle»

«Meine Form ist wie ein Puzzle» «Meine Form ist wie ein Puzzle»

Einsiedelns Skispringer Killian Peier spricht im Interview über die bevorstehenden Wettkämpfe

Am Wochenende heben die Skispringer ab in Engelberg. Und gleich danach gehts zur Vierschanzentournee nach Deutschland. Einsiedelns Skispringer Killian Peier verrät, was er sich vorgenommen hat.

WOLFGANG HOLZ

Herr Peier, das Springen in Engelberg steht vor der Tür. Sind Sie gedanklich schon in der Anlaufspur?

Ja, fast. Ich freue mich auf jeden Fall schon, wieder in Engelberg zu springen. Auch weil dann viele Leute, die ich kenne, unten an der Schanze stehen werden. Ich werde auf jeden Fall Vollgas geben. Vermutlich haben wir etwas Rückenwind, was es ein bisschen schwieriger macht. Aber das ist ja für alle gleich. Welche Chancen rechnen Sie sich für Engelberg aus? Mein Ziel ist es, gute Sprünge abzurufen. Dann kommt die Weite von alleine. Ich kann auf meinen Körper vertrauen. Wichtig ist, dass ich die Schanze spüren kann, um meine Technik zum Einsatz zu bringen. Und man muss möglichst locker bleiben. Sie scheinen ja schon das ganze Jahr locker drauf zu sein, denn Sie sind dieses Jahr ja richtig in Form. WM-Bronze in Seefeld und zweiter Platz beim Weltcup-Springen in Nischni Tagil. Warum ist das so? Ich vergleiche meine Form immer mit Puzzlestücken. Meine Form ist quasi wie ein riesiges Puzzle. Da kommen jeden Tag neue Teile hinzu, die ich meinem Puzzle hinzufügen kann. Jeden Tag wird dadurch meine Form klarer. Wird denn das Puzzle auch irgendwann fertig sein – vielleicht gerade zur Vierschanzentournee?

Das weiss ich auch nicht. Ich habe das Gefühl, meine Form besteht aus unendlich vielen Puzzleteilen. Sport ist ein Prozess. Warum sind Sie eigentlich nach Trachslau gezogen?

Ich wohne nicht mehr in Trachslau, sondern in Einsiedeln. Ich habe zuvor vier Jahre im Internat gelebt und konnte Schule und Sport ideal verknüpfen. Danach war ich drei Jahre in Trachslau zu Hause. Seit einem Jahr bin ich nun in Einsiedeln, wo ich auf den Schanzen trainieren kann. Wie geht’s Ihnen hier als Romand? Ist es Ihnen hier nicht zu rau? Nein, am Anfang war es etwas schwierig, sich an eine neue Kultur und Sprache anzupassen. Da Deutsch nicht meine Muttersprache ist, musste ich es erst lernen. Nach ein, zwei Jahren ging es aber ganz gut. Ich liebe es, in Einsiedeln in der Natur zu sein, zu wandern und spazieren zu gehen und auch am See abzuhängen, um nach Wettkämpfen runterfahren zu können. Andererseits ist es schön, dass die Stadt Zürich nicht weit weg ist. Aber eigentlich gibt es auch in Einsiedeln fast alles, was man braucht. Das ist angenehm und praktisch. Simon Ammann hat sich gefreut, dass Sie neuen Schwung ins Team gebracht haben. Wie springt es sich neben einer Legende?

Am Anfang war es schon etwas speziell: Weil ich ja wegen ihm angefangen habe, Ski zu springen. Er ist ein Riesenstar im Skispringen, und man kann ihn im Grunde mit Roger Federer vergleichen. Wir sind sehr unterschiedlich vom Charakter her, aber wir können uns im Training und im Wettkampf gegenseitig gut pushen.

Nächste Woche geht’s gleich mit der Vierschanzentournee weiter. Was liegt da für Sie drin? Das werden wir dann sehen. Die Vierschanzentournee ist ein sehr anspruchsvoller Wettkampf. Aber vor allem auch ein toller Wettkampf. Die Stimmung ist unglaublich. Die Leute warten ein Jahr lang darauf, uns wieder springen zu sehen. Da wird es laut, wenn man oben am Schanzentisch steht. Das ist geil. Welche ist Ihre Lieblingsschanze – Oberstdorf, Garmisch, Innsbruck oder Bischofshofen? Das ist natürlich Innsbruck, wo ich bisher meine grössten Erfolge feiern konnte. Die Schanze liegt mir von ihrem Charakter her – man kann sie auch sehr gut mit der in Einsiedeln vergleichen. Der Schanzentisch ist kurz, und man ist schnell in der Luft. Ausserdem springt man in Innsbruck wie in einen Kessel. Das macht Riesenspass. Ist es eigentlich nicht schade, dass die Schweiz hier nicht mitmischt vom Austragungsort her? Das kann ich nicht sagen. Die Vierschanzentournee war schon immer so – das muss man nicht ändern. Sie ist ein toller Wettkampf, so wie sie ist. Sie sind ja in Planica schon 209 Meter weit gesprungen. Wie fühlt sich das an, wenn man so weit fliegt? Es ist ein unglaubliches Gefühl. Man fühlt sich ein bisschen wie ein Vogel. Vor allem freut es einen, dass man plötzlich so weit springen kann, weil das ja im Training auf normalen Schanzen nicht möglich ist. In den fünf, sechs Sekunden, die wir hier durch die Luft fliegen, versuchen wir deshalb, durch die Körperanspannung und Konzentration den Sprung so weit zu ziehen wie möglich. Viel Zeit, um über etwas anderes nachzudenken, bleibt da nicht. Haben Sie nie Angst auf einer Schanze? Nein. Ich habe sicher immer wieder Respekt bei den ersten Sprüngen von einer neuen oder grossen Schanze. Man muss einfach ruhig bleiben und sich fokussieren. Ausserdem weiss ich, dass ich mich auf meine Technik verlassen kann. Wenn ein Jumbo-Jet mit knapp 300 Tonnen Startgewicht abhebt, braucht es etwas länger, bevor er in der Luft ist. Wie ist das bei Skispringern – essen Sie weniger, damit Sie besser fliegen können? Also, ich bin 60 Kilogramm schwer. Ich muss grundsätzlich nicht weniger essen als Skispringer. Allerdings sollte man nicht unbedingt kurz vor dem Start etwas zu sich nehmen, denn sonst gestaltet es sich unangenehmer, die Landung zu stehen. Grundsätzlich isst man nicht so schwere Mahlzeiten. Kässpätzli beispielsweise sind besser nach dem Springen. Was ist Ihr grösster Wunsch fürs neue Jahr? Ich möchte vor allem gesund bleiben, damit ich weiter meinen Job machen kann. Es macht mir unglaublich Spass, weit zu springen.

Killian Peier glücklich im Interview mit «SRF» nach seinem besten Weltcup-Ergebnis. Screenshot: SRF

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