«Zum Ringen braucht es alles»
Die Neyer-Brüder stellen fast die Hälfte der Ringerriege Einsiedeln und wollen am Wochenende gegen Kriessern ihren Mann stehen
Am Sonntag tritt die Ringerriege Einsiedeln gegen die Ringerstaffel Kriessern im Rückkampf um Bronze an. Auswärts wird es schwer werden gegen die Rheintaler. Doch die Einsiedler können sich auf die Neyers verlassen – fünf starke Brüder.
WOLFGANG HOLZ
Sportler aus der gleichen Familie haben schon immer zu reden gegeben. Seien es die Klitschko- Brüder im Boxen oder die Williams-Schwestern im Tennis: Wenn gleich mehrere aus einer Familie erfolgreich sind, sorgt das sofort für viel mehr Aufsehen in der Öffentlichkeit.
Einsiedler Ringerfamilie
Das ist auch in Einsiedeln so, selbst wenn es hier nicht um Millionenpreisgelder geht, sondern um die rein sportliche Ehre. Wobei es im Klosterdorf sage und schreibe gleich fünf Brüder aus einer Familie sind, die für den Erfolg der Ringerriege Einsiedeln auf die Matte gehen und kämpfen. Die nächste Gelegenheit dafür ist am Sonntag in Kriessern – wo es im Rückkampf um Bronze in der höchsten Schweizer-Ringerliga geht. Den Heimkampf haben die Einsiedler jüngst bekanntlich mit 15:22 Punkten verloren.
Die Neyer-Brüder wollen sich wieder ins Zeug legen – um die Bronzemedaille doch noch ins Klosterdorf zu holen. Wobei noch nicht klar ist, welche der fünf Neyers alle zum Einsatz kommen. Klar ist nur, dass Yves Neyer (28) garantiert nicht kämpfen kann, weil er schon seit Längerem am Knie verletzt ist. Die anderen Vier – Sven (30), Lars (20), Jan (25) und Kay (17) – sind indes parat für den Kampf.
«Klar sind die Chancen noch da, den Kampf gegen Kriessern zu gewinnen. Aber es muss von Anfang an alles passen, und jeder muss seinen Kampf gewinnen », sagen Jan und Sven, zwei der älteren Brüder. Es dürfe eben nicht mehr passieren, vier Kämpfe mit 0:4 Punkten zu verlieren.
Geballte Packung Power Doch was die Neyers betrifft, kann man sich das irgendwie gar nicht vorstellen. Sie wirken tatsächlich wie eine Bank, wie sie da an diesem Mittwochabend vor dem Training in der alten Ziegelei wie eine geballte Packung Ringerpower nebeneinander auf der Holzbank in der Umkleide sitzen. Man spürt sofort, dass die fünf jungen Männer ein starkes Band verbindet – so ruhig und ausgeglichen wirken sie. Die Ruhe vor dem Sturm?
«Nach dem Kampf weisst du immer sofort, was du falsch gemacht hast», sinniert Jan. Die Brüder würden ihre Kämpfe schon jeweils gegenseitig anschauen. Aber zunächst sei jeder auf sich selbst und auf seinen bevorstehenden Kampf fokussiert. Doch Tipps geben sie sich selbstverständlich immer wieder. Wie zum Beispiel Yves das bei seinem Bruder Jan im letzten Kampf gemacht hat.
Der Tipp mit dem Hammerlock-Griff «Ich habe Jan schon oft gesagt, er soll den Hammerlock-Griff anwenden, den er so gut kann», sagt Yves, der sich für den technisch beschlagensten Ringer unter seinen Brüdern hält. «Die wissen schon viel, aber ich glaube, dass ich technisch noch mehr weiss.» Sein Tipp an seinen Bruder Jan hat übrigens gefruchtet. Beim Heimkampf gegen Kriessern habe sein Bruder per Hammerlock schliesslich seinen Gegner besiegt.
Erfolgs-Erbe des Vaters Das Herz der fünf Neyer-Brüder schlägt natürlich für das Ringen, weil ihr erfolgreicher Vater René, der 25 Mal Schweizer Meister im Ringen gewesen ist und sogar zweimal an Olympischen Spielen teilgenommen hat (siehe Box), ihnen den Kampfsport gezeigt und schmackhaft gemacht hat.
«Aber niemand von uns wurde zum Ringen gezwungen», betont Yves, der von Beruf Schreiner ist und es im Sommer auch mal ganz beschaulich mag – beim Angeln. Im Sihlsee hat er sogar schon einen 72 Zentimeter langen Hecht aus dem Wasser gezogen und später für sich und seine Freundin gekocht. «Es ist der Kampf eins gegen eins, Mann gegen Mann», erklärt Yves, was am Ringen so faszinierend sei. «Und zum Ringen braucht es einfach alles – Technik, Kraft, Taktik, Beweglichkeit, Kondition.» Seine Brüder stimmen stumm zu. Wohnzimmer als Ringermatte
Die Ringerbegeisterung der Fünf ist schon so weit gegangen, dass sie zu Hause als Kinder hin und wieder den Wohnzimmerteppich zur Ringermatte umfunktionierten. «Ich musste dann halt auf den Knien als Handicap gegen die anderen ringen, damit sie eine Chance hatten», sagt Sven, der aufgrund seiner mehrfachen Schweizer-Meister-Titel bis jetzt der erfolgreichste der Neyer-Ringerdynastie ist – nach Vater René selbstverständlich.
«Das war immer sehr schön – auch wenn es unsere Mutter meistens gemerkt hat», erzählt Sven, der mit seinen Brüdern Jan und Lars bei einem Landschaftsgärtner in Einsiedeln beschäftigt ist. Kay, der jüngste im Bunde, absolviert gerade eine Maurer-Lehre. Kein Neid unter den Neyers
Wenn einer der Neyer-Brüder einen Erfolg erringt, freuen sich die anderen vier mit ihm. Neid ist offenbar nicht angesagt unter den Einsiedler Ringer-Boys. Bei Niederlagen machen sich die Neyers keinen grossen Kopf. «Am nächsten Tag regt man sich schon nicht mehr darüber auf», sagt Jan gelassen. «Der grösste Traum wäre für mich, mit allen meinen Brüdern an einem Mannschaftskampf auf der Matte zu sein», erklärt er. Sven würde gerne noch irgendwann Schweizer Meister mit der Ringerriege Einsiedeln werden. «Wir wollen Geschichte schreiben – schliesslich hat das Einsiedeln noch nie geschafft.» Am Sonntag gegen die Ringerstaffel Kriessern geht es erst einmal um Bronze. Die Neyers sind bereit.
«Es muss von Anfang an alles passen, und jeder muss seinen Kampf gewinnen.»
Sven und Jan Neyer
Ringer-Begeisterung der aussergewöhnlichen Art – die fünf Neyer-Brüder (von links): Lars, Jan, Sven, Yves und Kay. Foto: Wolfgang Holz