«Sind daran, das Thema aufzuarbeiten»
Die beiden Bezirksräte Markus Kälin (Liegenschaften) und Christoph Bingisser (Bildung) nehmen Stellung zur Einsiedler Schulraumplanung.
VICTOR KÄLIN
Zieht der Bezirksrat den Verwaltungsgerichtsentscheid weiter (siehe EA 92/19)? Der Bezirksrat wird den Entscheid nicht weiterziehen.
Warum?
Das ist nicht üblich. In aller Regel akzeptieren wir den Entscheid der höchsten kantonalen Instanz. Dennoch erachten wir die Kürzung in der Höhe von 50 Prozent nach wie vor als unverhältnismässig. Der Bezirk Einsiedeln hat das ganze Beitragsverfahren bis auf den vorzeitigen Baubeginn in der Phase III korrekt durchgeführt. Sämtliche einzureichenden Unterlagen lagen dem Bildungsdepartement bereits im Juni 2018 vor – das heisst vor Baubeginn. Der Vorschrift, die definitive Beitragszusicherung abzuwarten, wurde zu wenig Stellenwert eingeräumt. Bei den nachfolgenden Bauprojekten erfolgte das Gesuch um vorzeitige Baufreigabe zum korrekten Zeitpunkt. Für das Gericht ist erwiesen, dass der Bezirksrat vorzeitig mit dem Bau begonnen und somit das Verfahren verletzt hat – und dies wissentlich. Wie sehen Sie das?
Ob es wissentlich oder aus Unkenntnis geschah, hat das Gericht offengelassen. Das Gesuch um vorzeitige Baufreigabe hätte durch das Ressort Bildung und Kultur erfolgen sollen, es handelte sich um eine operative Aufgabe, Stufe Abteilungsleitung und Schulverwaltung. Bei Baubeginn am 16. August 2018 war man sich der drastischen Folgen des unterlassenen Gesuchs um vorzeitige Baufreigabe indessen in keiner Weise bewusst.
Die Verantwortlichen sahen eine grosse Dringlichkeit bei der Erstellung von neuem zusätzlichem Schulraum. Der Bedarf an Schulraum ist ja auch absolut unbestritten. Das Verwaltungsgericht stufte die Dringlichkeit jedoch nicht als «ausserordentlich » ein. Demgemäss hätte eine Verzögerung der Inbetriebnahme der Aufstockung Kornhausstrasse um ein ganzes Jahr in Kauf genommen werden müssen. Auch die Mietlösung Quadrakorn hätte bis 2020/2021 nicht reduziert werden können, was jährlich mit 50’000 Franken Mehrkosten zu Buche geschlagen hätte. Mit den Aufstockungen konnten wir für den Schulraumbedarf eine sehr günstige Lösung umsetzen. Für den Bau des Schulhauses Herrenmatte hätte mit Kosten in der Höhe von 30 Millionen Franken gerechnet werden müssen.
Das Gericht wählte deutliche Worte: Wer die kantonalen Vorgaben nicht einhält, soll dies seiner Meinung nach auch zu spüren bekommen. Mit der Subventionskürzung sollen die Schulträger – wie zum Beispiel in Einsiedeln – «mithin gezwungen werden», ein standardisiertes Verfahren zu beachten. Damit folgte das Gericht der Argumentation von Regierung und Bildungsdepartement. Hat es Einsiedeln mit Schwyz «verkachelt »? Das Gericht legt grossen Wert darauf, dass standardisierte Verfahren eingehalten werden, auch wenn es dann nur noch um den allerletzten Schritt in einem sehr langen Verfahren geht. Nur weil wir uns als Behörde gegen einen Entscheid zur Wehr setzen, bedeutet dies noch lange nicht, dass es der Bezirk Einsiedeln mit Schwyz «verkachelt» hat. Ein partnerschaftlicher Umgang miteinander scheint uns unerlässlich. Wir befürchten aber keine Nachteile in anderen Geschäften. Gibt es aktuell weitere Beschwerden des Bezirksrates gegenüber Entscheiden der Regierung oder einzelner Departemente?
Gegen den Beitragsbeschluss des Regierungsrats zum Schulhaus Trachslau hat der Bezirksrat Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben. Es geht hier um eine Rechts-, und nicht um eine Verfahrensfrage. Können die vorhandenen Schulzimmer des bestehenden alten Schulhauses bei der Berechnung des Subventionsanspruches abgezogen werden? Das Gesetz sieht dies aus unserer Sicht nicht vor. Ein 55-jähriges Schulhaus, welches den Normen nicht mehr entspricht, wird durch einen Neubau ersetzt. Neubauten sind beitragsberechtigt. Falls die Beschwerde gutgeheissen wird, muss das Bildungsdepartement den Beitrag erhöhen.
Mit dem Bildungsdepartement stehen wir zudem in Kontakt betreffend Klosterplatz. Hier sind Abklärungen im Gang und Besprechungen vorgesehen.
Ist das «Einsiedler Modell» mit dem Regierungsratsentscheid vom 25. September «gestorben »? Für die Schulraumbeschaffung hat das «Einsiedler Modell» wie jedes System Vor -und Nachteile, die es abzuwägen gilt. Der Bezirksrat ist der Ansicht, dass bei dem von ihm gewählten Modell die Vorteile überwiegen. Aufgrund der Erfahrungen sieht das Modell vor, die Planungskosten vor der Abstimmung möglichst gering zu halten. Dann geht bei einer Abstimmungsniederlage auch nicht so viel Geld – unnütz – verloren. Jüngstes Beispiel liefert die Kantonsschule Pfäffikon: Da spricht man von Planungskosten von mehr als 6 Millionen Franken bis zur Abstimmung. Dieses Geld ist mit dem Nein nun weitgehend verloren. Welche Lehren und Konsequenzen zieht der Bezirksrat aus dem Fall «Kornhausstrasse»? Die Vorgaben des Kantons sind massgebend und zwingend einzuhalten, egal welches Verfahren zur Anwendung kommt. Bei allen auf die Kornhausstrasse folgenden Projekten wird das bereits so gemacht.
Immerhin soll die Baukostenabrechnung bei der Kornhausstrasse «innerhalb des Voranschlages » liegen. Wie erhärtet ist diese vor zwei Monaten gemachte Aussage inzwischen? Die Baukostenabrechnung liegt noch nicht vor und wird auf 2020 erwartet. Wie sieht es beim Schulhaus Nordstrasse aus, das derzeit ebenfalls aufgestockt wird? Hat der Bezirk auch zu früh mit dem Bau begonnen, sodass weitere Subventionskürzungen drohen?
Das Gesuch um vorzeitige Baufreigabe wurde fristgerecht eingereicht. Dem Gesuch wurde im Anschluss vom Bildungsdepartement stattgegeben. Die Beitragszusicherung durch den Regierungsrat liegt vor. Bleiben wir gleich bei den aktuellen Schulprojekten. Man hört munkeln, dass es für den Schulhausneubau Trachslau wahrscheinlich einen zweiten Nachkredit braucht. Was ist wahr an diesem Gerücht? Das bleibt ein Gerücht. Der aktuelle Baukostenstand wird laufend überprüft. Die Bauleitung und die Baukommission haben darauf ein wachsames Auge. Auch soll die Zusammenarbeit mit dem Architekten schwierig sein.
Auch das ist einfach als Gerücht anzuschauen. Muss man sich trennen oder besteht gar die Gefahr einer Abfindung?
Nein.
Ist der Neubau Kindergarten Nordstrasse für den Bezirk aktuell ein Thema?
Nach Möglichkeit hält der Bezirksrat am Standort fest und wartet die Ergebnisse der Altlastenuntersuchungen ab. Die Zusicherung eines definitiven Kantonsbeitrages durch den Regierungsrat wird vorläufig aufgeschoben, da noch nicht klar ist, ob an diesem Standort gebaut werden kann. Eines fällt auf: Bei den letzten Schulraumprojekten gab es jedes Mal Nachkredite. Im Einzelnen lassen sich diese allenfalls begründen; in der Summe erscheinen sie systemisch, womit sich die Frage der Kompetenz stellt. Das Bildungsdepartement ist jedenfalls der Ansicht, dass der Bezirk Einsiedeln «das Beitragsverfahren generell nicht im Griff hat». Was sagen Sie zu diesem doch happigen Vorwurf?
Das Verwaltungsgericht hat diese Äusserung des Bildungsdepartements nicht bestätigt. Die Frage vermischt zudem die Berechtigung zu Subventionen und die Nachkredite, was keinen Zusammenhang hat. In Bezug auf die Beitragsfragen haben wir eine Reduktion beim Schulhaus Kornhausstrasse. Bei Nordstrasse, Gross und Trachslau rechnen wir nicht mit Kürzungen.
Und die Nachkredite?
Nach der Ablehnung des ersten Umbauprojekts für das Schulhaus Gross versuchte der Bezirksrat, den Sparauftrag zu erfüllen. Auch um den Druck bei den Projektverantwortlichen zu erhöhen, wurde bei der Festlegung Höhe der Verpflichtungskredite auf die Vornahme des Zuschlags von bis zu 25 Prozent verzichtet und darauf vertraut, dass die Kredite ausreichen. Dies ist – das müssen wir gestehen – ins Auge gegangen. Beruht die Schätzung auf einem Vorprojekt, muss der Zuschlag zwingend gemacht werden, falls kein Zusatzkredit in Kauf genommen werden soll. Gleichzeitig gehen wir allerdings davon aus, dass wir mit der tiefen Ansetzung letztlich Kosten gespart haben. Können Sie den Unmut vieler Stimmbürger und Stimmbürgerinnen begreifen? Würde ein Privater so bauen, wäre er Konkurs. Beim Bezirk gibt’s einen Nachkredit, der Steuerzahler begleicht die Rechnung.
Wir haben immer wieder und auch transparent informiert, was läuft betreffend Schulhausbauten, zum Beispiel im Rahmen von Informationsveranstaltungen. Zu hören sind von den immer gleichen Personen die immer gleichen Fragen und Anschuldigungen. Ein privater Bauherr kann ganz anders bauen. Er muss sich nicht an die öffentlichen Vorgaben und Richtlinien (Submission, Vorschriften für öffentliche Bauten, Behindertengleichstellung, Richtraumprogramm und so weiter) halten. Er kann frei entscheiden, mit wem er bauen will. Auch muss er sich nicht an ein Richtraumprogramm halten, da er von niemandem subventioniert wird.
Wir verweisen nochmals auf die Antwort zur vorherigen Frage. Wir haben kein Geld verloren, sondern die Verpflichtungskredite zu tief angesetzt. Die fünf Nachkredite müssen den Gesamt-Bezirksrat doch sicher beschäftigen. Gibt es eine interne Fehler-Analyse? Gibt es Konsequenzen? Wir möchten zuerst richtigstellen, dass es sich nicht um 5 Nachkredite handelt, sondern um 3 Zusatzkredite und 2 Nachkredite.
Zusatzkredit Schulhaus Gross: Bewilligt durch Stimmbürger. Baukommission hat dem Bezirksrat beantragt, ein zusätzliches Untergeschoss zu bauen inklusive Erschliessung der bestehenden Schutzräume mit Lift. «Mehrkosten» aufgrund Projektanpassung und Mehrwert für den Viertel Gross.
Zusatzkredit Schulhaus Trachslau: Bewilligt durch Stimmbürger. Baukommission hat vor Baustart den genauen Kostenvoranschlag genehmigt und dem Bezirksrat vorgelegt. Es wurde festgestellt, dass der bewilligte Kredit nicht ausreicht. Vorlage musste vors Volk und wurde an der Urne angenommen.
Zusatzkredit Aufstockung Nordstrasse: Durch die Aufstockung kamen diverse «Bausünden » des bestehenden Schulhauses zum Vorschein, welche im bewilligten Kredit nicht eingerechnet waren, welche zwingend korrigiert werden mussten. Den zu bewilligenden Mehrkosten steht ein hoher Mehrwert gegenüber. Die Schulen Einsiedeln erhalten damit ein in Bezug auf Nachhaltigkeit und Brandschutz modernes, auf den heutigen Schulbetrieb abgestimmtes «neues Schulhaus». Dieses Schulhaus wird künftigen Anforderungen auf lange Sicht genügen.
Die beiden Nachkredite Kindergarten Nordstrasse beziehen sich auf den unerwarteten Fund von Altlasten (historische und technische Untersuchung, welche zwingend gemacht werden müssen).
Ja sicher beschäftigt es den ganzen Bezirksrat. Niemand hat Freude an solchen Nachrichten. Wir sind daran, das Thema aufzuarbeiten. Sicher müssen wir im Vorfeld noch genauer planen. Bei Neubauten ist dies einfacher als bei Sanierungen und Aufstockungen. Hier ist man vor Überraschungen nie völlig gefeit. Aus der Fehleranalyse geht hervor: Die Verpflichtungskredite wurden grundsätzlich aus Sparwillen zu tief angesetzt, was sich im Nachhinein als Fehler herausgestellt hat.
Als Ressortchefs Liegenschaften und Bildung stehen in erster Linie Sie direkt in der Kritik. Wie stark beschäftigt Sie das? Es gehört zu jedem Unternehmen, dass es sich auch mit Kritik beschäftigt und allenfalls einen Kurswechsel vornimmt. Hat man sich durch den akuten Schulraummangel zu sehr drängen lassen?
Ja, das Gericht sieht das so. Dabei wollte man doch einfach nur ein Jahr früher mit der Aufstockung Kornhausstrasse fertig sein … Was ich sonst noch sagen wollte … Grundsätzlich handelt es sich (lediglich) um zwei notwendige Zusatzkredite: Aufstockung Nordstrasse und Trachslau. In Gross wurde der Zusatzkredit auf Grund späterer und zusätzlicher Begehrlichkeiten wie UG und Lift (zweckmässige Lagerung von Vereinsmaterial) beim Bürger angefragt. Eine Realisierung wäre auch ohne Zusatzkredit möglich gewesen.
Beim Schulhaus Trachslau haben wir den Zusatzkredit nicht vorzeitig in Anspruch genommen. Bei einem Nein hätte neu geplant werden müssen, doch der Bürger hat uns grünes Licht gegeben. Bei beiden Projekten liegen die Baubewilligungen vor und die Verfahren bezüglich Kantonsbeiträge laufen heute korrekt. Für die Realisierung des Kindergartens Nordstrasse musste kein Nachkredit eingereicht werden. Die Nachkredite bezogen sich auf die historischen und technischen Untersuchungen der Altlasten, zu welchen der Bezirk verpflichtet ist.
Der vorzeitige Baustart bei der Aufstockung Kornhausstrasse hatte den Vorteil der Teilkündigung beim Schulhaus Quadrakorn: Einsparung von Miete und Hauswartskosten betragen 50’000 Franken.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Die Bezirksräte Markus Kälin und Christoph Bingisser. Foto: Archiv EA