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Es sich mal gut gehen lassen

Es sich mal gut gehen lassen Es sich mal gut gehen lassen

SEITENBLICK: GLAUBEN UND ZWEIFELN

Endlich ist die Ferienzeit da – jene Zeit, in der wir es uns für einmal so richtig gut gehen lassen wollen. Geniessen können ist wichtig, um nicht selbst für andere eines Tages ungeniessbar zu werden. Wenn wir aller-dings das eigene Wohl nur in der Ferienzeit in den Blick nehmen, ohne sich sonst darin zu üben, ist es gar nicht so einfach, das Vorhaben plötzlich – quasi auf Kommando – umzusetzen. Denn sich Gutes zu tun, ist weit schwieriger, als es sich anhört. Kleines Wort mit grosser Wirkung

Häufig ist es ein kleines Wort, das mich daran hindert, es mir gut gehen zu lassen: das «aber». Dieses kleine Wort ist jenes Lasso, das eingefräste Lebensmuster immer wieder auswerfen, um uns an sie zu bin-den und uns ja nicht auf neue Wege abgleiten zu lassen. Es braucht Mut und Überwindung, diesem «aber» zu entkommen. Gerade die Ferienzeit ist jedoch ein guter Moment, dieses kleine Wörtchen aus unserem Vokabular zu streichen – nicht nur für zwei Wochen, sondern für weit länger, damit es uns nicht weiter am Leben hindert: «Wenn ich mir heute Zeit nehmen würde, dann würde ich …, aber» – «Die Meinung anderer Menschen ist mir eigentlich nicht so wichtig, aber» – «Ich würde mich gerne einsetzen für …, aber». Die Liste könnten wir alle aus eigener Erfahrung noch lange weiterführen.

Dieses «aber» sprechen wir freilich nicht nur uns selbst zu. Wir können es auch anderen zurufen, um auch sie am Leben zu hindern: «Aber du in deinem Alter!» oder «Aber so etwas gehört sich doch nicht!». Erinnern Sie sich, wann Sie dieses «aber» zum letzten Mal zu jemandem gesagt haben?

Heute gehts los!

Schon der heutige Tag, bereits der jetzige Moment kann der Beginn davon sein, kein «aber» mehr zu gebrauchen – und dafür mehr mich selbst zu sein. Haben Sie denn schon mal überlegt, wer Sie eigentlich sein möchten? Und haben Sie schon mal Gedanken darüber angestellt, wie die Welt auch noch aussehen könnte – anders und besser? Wie wäre denn der Weg dorthin: zu einem neuen Ich, zu einer neuen Welt?

Ja, was ist denn überhaupt der Inhalt dieses kleinen «aber», mit dem ich mich selbst und andere am Leben hindere? Was stufe ich beispielsweise als wichtiger ein als mir Zeit zu nehmen, um einen gemütlichen Abend mit Freunden, mit der Familie oder mit mir selbst zu verbringen – beim Bräteln, mit einem spannenden Spiel oder mit einem guten Buch? Oder was hindert mich daran, auf den Strassen und Wegen die Menschen, die mir begegnen, zu grüssen, vielleicht sogar mit einem Lächeln? Die Befürchtung, dass sie mich verdutzt anschauen oder dass ich beschämt sein könnte, wenn sie nicht zurückgrüssen? Mit mir beginnt eine neue Welt

Tatsächlich wäre es das Ziel, die Menschen um mich herum stutzig zu machen, wenn ich plötzlich damit beginnen würde, nicht mehr wie alle anderen ständig das Wörtchen «aber» zwischen mich und das Leben zu schieben. Es wäre das Ziel, dass sie sich überlegen, wieso ich denn das tue – und weshalb es nicht auch sie tun könnten. Es wäre ein Verändern der Welt, ohne viel Erklären und ohne grosse Kampagnen – ein Wandel, der mit einem aufgestellten «Guten Morgen» oder einem wohlwollenden «Guten Tag» beginnt. Wie wäre es, wenn sich die Leser dieser Zeitung ab heute gegenseitig daran erkennen könnten, dass sie einander freundlich grüssen? Heute soll eine neue Zeit, eine neue Welt anbrechen – ohne «wenn» und «aber».

(*1984) ist seit 2006 Mönch im Kloster Einsiedeln. Er studierte Theologie, Geschichte sowie Latein und unterrichtet an der klösterlichen Stiftsschule, wo er auch als Schulseelsorger und Ministrantenbetreuer tätig ist.

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