Wie stark darf die Arbeit das Leben bestimmen?
Am Donnerstag ging im Kultur- und Kongresszentrum Zwei Raben der 8. Einsiedler Unternehmerapéro über die Bühne, für den sich rekordverdächtige 170 Personen angemeldet hatten. Im Zentrum standen drei überaus spannende Referate.
Der Fachkräftemangel ist ein beherrschendes Thema in unserer Gesellschaft. Das Personalmanagement rückt in das Spannungsfeld der Generationen. Während derzeit über 100’000 Menschen in das Rentenalter wechseln, tröpfeln pro Jahr nur zirka 80’000 Junge der Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2009) in den Arbeitsmarkt.
Das sonst vielgelobte Prinzip von Angebot und Nachfrage dreht plötzlich auf die Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Fachkräfte können ihre Stelle auswählen – sie werden fast überall gesucht. Gesellschaft und Arbeitsmarkt im Wandel Was heisst das für Arbeitgeber, Personal- und Lehrlingsverantwortliche? Eine Vertreterin der neuen Generation Z, die Chefin der Berufsberatung und eine junge Unternehmerin aus der Gastronomie haben am Donnerstag zu diesen spannenden Themen referiert.
Bezirksrat Patrick Notter sag-te bei der Begrüssung, dass sich die Schule, die Ausbildung und die Gesellschaft verändert hätten – und dass dies naturgemäss Auswirkungen auf das Zusammenarbeiten und Erwartungen an die Arbeit habe: «Was heisst das für Arbeitgeber, Chefinnen und Chefs sowie Lehrlingsverantwortliche, wenn sich diese auf neue Mitarbeiter einstellen müssen und sie die bisherigen Arbeitskräfte halten möchten? Was bedeutet es, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein?» Der Frauenanteil betrug rund 25 Prozent Notter lud die Unternehmerinnen und Unternehmer ein, mittels Aufstehen kundzutun, welcher Generation sie angehören würden. Es obsiegte die Generation X (1965 bis 1979), gefolgt von den Babyboomern (1950 bis 1964), der Generation Y (1980 bis 1994) und der Generation Z. Interessant war aber auch die Herkunft nach den Sektoren: Ein einziger Vertreter stammte aus der Land- und Forstwirtschaft (primärer Sektor). Am besten vertreten war die Dienstleistungsbranche (tertiärer Sektor), gefolgt von der Industrie und dem Gewerbe (sekundärer Sektor). Der Frauenanteil betrug zirka ein Viertel.
«Junge fühlen sich nicht ernst genommen» Die 20-jährige Michelle Müller, Head of Consulting der Agentur ZEAM und Vertreterin der Gene-ration Z, ist die erste Referentin des Abends: Ihre Agentur hilft Unternehmen, sich mit der Generation Z zu verbinden, sie zu verstehen und die Relevanz von jungen Menschen als Kunden und zukünftigen Mitarbeitern aufzuzeigen.
Michelle Müller stellte an diesem Abend dem Publikum ihre Generation vor und möchte in ihrer täglichen Arbeit den generationenübergreifenden Austausch und junges Denken fördern.
Müller stellte klar, dass Arbeit für ihre Generation einen anderen Stellenwert hätte und dass jungen Leuten die Life-Work-Ba-lance wichtig sei: «Die Gene-ration Z legt sehr viel Wert auf Selbstreflexion und auf eine gesunde Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Freizeit.» Die Generation Z habe viele Vorstellungen von der Arbeitswelt, die anders seien: «Sie fühlt sich von Vorgesetzten oftmals nicht ernst genommen.» Es geht um Wertschätzung
Als nächstes wurde Janina Baruth, Vorsteherin des Amts für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung im Kanton Schwyz und Vertreterin der Generation X, als Referentin angekündigt: Sie startete gleichsam mit einer Umfrage und wollte vom Publikum wissen, warum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne im Unternehmen bleiben würden.
Das Ergebnis: Das Arbeitsklima wurde als wichtigstes Kriterium genannt, gefolgt von der Wertschätzung und dem Lohn.
Baruth führte aus, was die meisten Kündigungsgründe von Mitarbeitern seien, was sich Mitarbeitende von ihren Arbeitgebern wünschen würden und welche Massnahmen Arbeitgeber ergreifen könnten, um zufriedene Mitarbeiter zu haben und diese zu halten. Viele Unternehmen klagen über einen Fachkräftemangel Baruth schilderte, dass in diesem Jahr jeder Dritte einen Stellenwechsel plane: «Die Situation ist sehr ungewöhnlich, denn die Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt ist höher, als es in einer Zeit wie dieser (Wirtschaftskrise) normal wäre. Für die Arbeitgeber ist das katastrophal.» Viele Unternehmen würden über Fachkräftemangel klagen. Die Arbeitnehmer könnten so gut wie noch nie auswählen, wo sie arbeiten möchten.
Längst könne von einem Arbeitnehmermarkt die Rede sein: «Das heisst, dass sich die Unternehmen überlegen müssen, wie sie ihre Mitarbeiter halten und neue gute Arbeitskräfte gewinnen können», sagte Baruth. Für das Jahr 2050 werde vorausgesagt, dass die Schweiz zehn Millionen Einwohner haben wird. Es würden mehr als die Hälfte der erwachsenen Personen einen Hochschul- oder höhere Fachschulabschluss haben. Die neue Arbeitswelt im Fokus
«Frauen werden höher qualifiziert sein als Männer», konstatierte Baruth: «Künstliche Intelligenz wird ein Teil unseres Alltags sein.» Die Gesellschaft und die Arbeitswelt würden sich verändern – und das immer schneller. Der Lohn ist nicht so wesentlich Baruth stellte die Frage in den Raum, ob die Generationen wirklich so unterschiedlich sei-en: «Was wohl jede Generation von sich denkt, ist, dass sie sich von derer ihrer Eltern unterscheidet und das auch will.» Schliesslich habe Helmut Kohl im Jahr 1993 zur Generation Babyboomer gesagt: «Eine Industrierepublik lässt sich nicht als kollektiver Freizeitpark organisieren. » War es also vor dreissig Jahren wirklich anders? Hat man nicht bereits damals über die jüngere Generationen geschimpft?
Baruth zeigte auf, um was es gehe im Arbeitsleben: «Es geht um Wertschätzung. Es geht um das Verhältnis zur vorgesetzten Person. Es geht darum, ob man gehört wird und sich einbringen kann.» Der Verdienst sei nicht das Wichtigste. Es gehe bei Kündigungen selten um das Geld: «Lohn ist auch wichtig, jedoch offenbar nicht der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte», stellte Baruth klar.
Chefs werden verlassen, nicht Firmen Wenn Mitarbeiter kündigen würden, dann sei es des Öftern so, dass das Verhältnis zum Vorgesetzen nicht stimmig sei: «Mitarbeiter verlassen Chefs, keine Unternehmen.» Wie können Kündigungen verhindert werden? «Die Unternehmenskultur ist der Schlüssel», schilderte Baruth: «Die Work-Life- Balance war noch nie so wich-tig. Das Schenken von Vertrauen. Die Unterstützung bei der Weiterentwicklung der Mitarbeiter. » Schliesslich würden sich Mitarbeiter eine gute Beziehung zu den Kollegen, Autonomie und kreative Freiheit wünschen. Jeder Mitarbeiter präge das Unternehmen auf seine Art und sei loyaler, je mehr er wertgeschätzt werde.
Team ins Zentrum gerückt
Dann war Monika Meister, Hotelfachschulabsolventin und Vollblut- Gastronomin, knapp noch der Generation Y zugehörig und nicht der Generation Z, an der Reihe: Im August 2021 hat sie zusammen mit Chantal Helbling das Bergrestaurant Etzel Kulm entstaubt und wiedereröffnet. Im Power-Duo ist die Ybrigerin diejenige mit den verrückten Ideen, die Nachtschwärmerin mit Passion für Events und Wein.
Monika Meister referierte über «Best-Practice-Beispiele aus der Gastronomie trotz Fachkräftemangel ». Sie schilderte, wie sie als Geschäftsführerin das bisherige Gastro-Konzept über den Haufen warf und auf den Kopf stellte: Statt der Kundschaft des Restaurants stellte sie das Mitarbeiter- Team in das Zentrum, verkürzte die Öffnungszeiten im «Etzel Kulm» und reduzierte die Arbeitsstunden des Personals.
Am Schluss liegt es an der Erziehung «Mit dem Resultat, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst genommen fühlen und zufrieden sind», sagte Monika Meister: «Und wenn es dem Team gut geht und es gerne arbeitet, schlägt sich das auf die ganze Stimmung und Atmosphäre im Restaurant nieder. Das spüren schliesslich auch die Gäste des Restaurants, auf dass diese erst recht gerne in den Etzel Kulm kommen.» Während der Schlussrunde mit Bezirksammann Franz Pirker fragte dieser, was denn die Unternehmerinnen und Unternehmer als Arbeitgeber selber von der Generation Z erwarten könnten und was diese zu leisten imstande sei.
Pirker hinterfragte zudem das Gebaren seiner eigenen Gene-ration X, denn diese sei mit ihrem Erziehungsstil nicht ganz unschuldig daran, wie schliesslich die Generation Z herausgekommen sei.