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«Das Potenzial im Kanton Schwyz ist noch lange nicht ausgeschöpft»

«Das Potenzial im Kanton Schwyz ist noch lange nicht ausgeschöpft» «Das Potenzial im Kanton Schwyz ist noch lange nicht ausgeschöpft»

Sonne, Wasser, Luft oder Geothermie: Peter Inhelder, Vorsteher des kantonalen Amts für Umwelt und Energie, möchte zur Stromgewinnung auf verschiedene Technologien setzen. Im Interview sagt er, wo der Kanton Schwyz noch Nachholbedarf hat.

CHRISTOPH CLAVADETSCHER

Wie viel Strom wird im Kanton Schwyz produziert und wie viel wird verbraucht? Die im Kanton Schwyz produzierte Strommenge betrug – ohne Bahnstrom der Etzelwerk AG vom Sihlsee – im Jahr 2020 rund 540 Gigawattstunden. Der Stromverbrauch betrug im sel-ben Jahr rund 840 GWh. Zählt man die Stromproduktion aus dem Sihlsee noch dazu, könnte der Kanton Schwyz etwas über neunzig Prozent seines benötigten Stroms selber produzieren. Gemäss Ihren Aussagen kürzlich während eines Referats braucht der Kanton Schwyz im Verhältnis zu anderen Kantonen etwa zehn Prozent mehr Strom. Wie kann das sein? Der Mehrverbrauch von knapp zehn Prozent bezieht sich nicht nur auf den Strom, sondern auf den gesamten Endenergieverbrauch, also auf Gebäude, Mobilität und Strom. Im Jahr 2020 be-trug dieser 24,4 Megawattstunden pro Einwohner. Der schweizerische Durchschnitt lag bei 22,8 Megawattstunden pro Einwohner. Die Hauptursache des erhöhten Endenergiebedarfs liegt vor allem im überdurchschnittlichen Anteil des Individualverkehrs. Dies wird häufig in ländlichen Kantonen beobachtet, da die Anbindung an den öffentlichen Verkehr schwieriger zu lösen ist. Wie und wo könnte der Kanton Schwyz weiteren Strom produzieren?

Das Stromproduktionspotenzial im Kanton Schwyz ist noch lange nicht ausgeschöpft. Alleine das Solarpotenzial ist enorm. Fast auf jedem Dach und an jeder Fassade könnte Strom produziert werden. Zudem müssen auch andere Technologien für eine nachhaltige Stromproduktion im Auge behalten, sprich weiterverfolgt werden. Beispiele sind die Nutzung der Wind-kraft, der Geothermie oder der noch nicht genutzten Wasserkraft. Entsprechende Abklärungen sind am Laufen. Ist da der Kanton Schwyz gut unterwegs? Im Hinblick auf die erneuerbare Stromproduktion steht der Kanton Schwyz dank der Wasserkraft bereits heute gut da. Die kantonale Wasserkraftproduktion entspricht heute knapp zwei Dritteln des Strombedarfs. Für den letzten Drittel muss der Zubau der erneuerbaren Energien – Sonne, Wind, Biomasse und so weiter – aber noch stark forciert werden. Deshalb wurde mit dem neuen kantonalen Energiegesetz die Eigenstromerzeugungspflicht für Neubauten eingeführt. Auch werden in der laufenden Richtplanrevision heuer drei Eignungsgebiete für Windkraftanlagen vorgeschlagen. Wo gäbe es noch Potenzial?

Das Schwyzer Amt für Umwelt und Energie wurde vom Parlament beauftragt, das Tiefengeothermiepotenzial zu untersuchen. Ob sich dieses auch für Stromproduktion eignet, wird sich zeigen. Spannend wäre die Tiefengeothermie im Kanton Schwyz vor allem deshalb, weil die anfallende Abwärme gut in den bestehenden Infrastrukturen der weit verbreiteten Fernwärme genutzt werden könnte. Ob und wann die Geothermie genutzt werden kann, ist noch völlig unklar. Was kann und sollte unmittelbar gemacht werden? Priorität hat hauptsächlich der Ausbau der Stromproduktion mit Fotovoltaikanlagen. Dieser kann am einfachsten und schnellsten umgesetzt werden. Gemäss einer Schätzung beträgt das Potenzial sämtlicher geeigneten Dachflächen und Fassaden an Gebäuden im Kanton Schwyz rund 1’225’000 Kilowatt-Peak. Mit einem Produktionsfaktor von tau-send Kilowattstunden pro kWp installierter Leistung resultiert eine Jahresproduktion von theoretisch 1,2 Terawattstunden Strom. Brutto wären das knapp fünfzig Prozent mehr Strom, als man über das ganze Jahr im Kanton Schwyz benötigt. Notabene sind das, wie bereits erwähnt, rein theoretische Berechnungen und Schätzungen. Nicht ausser Acht zu lassen ist die Windenergie mit 65 GWh. Dies entspricht acht Prozent des aktuellen Stromverbrauchs. Windenergie ist ein idealer Winterstromproduzent – Thema Winterstromlücke – und ergänzt sich dadurch gut mit PV-Anlagen, bei denen der grösste Ertrag im Sommer erzielt wird. Ist der Kanton Schwyz in der Förderung, verglichen mit anderen Kantonen, zu zurückhaltend? Nein, mit dem Gegenvorschlag zur «Geld zurück in den Kanton Schwyz»-Initiative steht der Kanton Schwyz in punkto Förderung seit dem letzten Jahr sehr gut da. So konnten die jährlichen Bundesmittel aus der CO2-Abgabe von knapp zwei Millionen auf sieben Millionen Franken erhöht werden. Damit stehen zusammen mit den kantonalen Mitteln jährlich 9,5 Millionen Franken für die Förderung im Gebäudebereich zur Verfügung. Trotzdem gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung den Eindruck, dass Schwyz in der Energiewende hinterherhinkt, gewisse Trends und Entwicklungen verschlafen hat. Nein, der Kanton Schwyz hat keine Trends verschlafen. Diverse Energieversorger bieten eine breite Palette von Energiedienstleistungsangeboten wie Fotovoltaik, E-Mobilität oder Speicherlösungen an. Der Kanton Schwyz hat sein Energiegesetz revidiert und beispielsweise die Eigenstromerzeugungspflicht bei Neubauten und den Zehn-Prozent-Anteil an erneuerbaren Energien beim Heizungsersatz eingeführt. Die Sensibilisierung für das Thema Energie in der Bevölkerung ist ein steter Prozess. Hier sind wie bereits in den vergangenen Jahren auch in Zukunft direkte Informationskanäle und Kampagnen sehr hilfreich und nach wie vor wichtig. Bei der E-Mobilität ist der Kanton Schwyz ganz vorne mit dabei, ist doch bereits jedes fünfte neu immatrikulierte Motorfahrzeug mit Elektroantrieb ausgerüstet. Was müsste der Kanton Schwyz beziehungsweise die Politik unternehmen, um den erneuerbaren Energien weiteren Schub zu verleihen? Die angespannte Versorgungssituation sorgt derzeit auf nationaler Ebene für enorm viel Bewegung. Zusammen mit den Anforderungen aus der Klimapolitik und dem Netto-Null-Ziel stehen so alle Kantone vor grossen Herausforderungen – auch der Kanton Schwyz. Die Politik im Kanton Schwyz hat dies aber erkannt und bereitet Lösungen vor – beispielsweise die neue Energie- und Klimaplanung, die zurzeit ausgearbeitet wird – oder die Umsetzung des Grossverbraucherartikels des revidierten kantonalen Energiegesetzes. Die Umsetzung der verschiedenen Lösungsansätze wird eine langfristige Aufgabe bleiben. Bräuchte es im Kanton Schwyz für die Verbraucher noch weitere Anreize, damit noch stärker auf erneuerbare Energien gesetzt würde? Die Schwyzer Bevölkerung setzt schon heute immer stärker auf die erneuerbaren Energien. Nachhaltigkeit gewinnt deutlich an Bedeutung. Das sehen wir auch an den stark gestiegenen Förderanträgen im Gebäudebereich. Eine Herausforderung ist allerdings, Informationen über die laufend neuen Technologien und verschiedenen Möglichkeiten sowie möglichen Förderleistungen noch einfacher und verständlicher der breiten Öffentlichkeit mitzuteilen. Wichtig ist auch, dass der Kanton respektive die Verwaltung sich bewusst sind, dass sie hier eine Vorbildfunktion haben.

Öl- und Gasheizungen machen gemäss Bundesamt für Statistik im Kanton Schwyz immer noch über die Hälfte aus. Wie kann dieser Anteil weiter minimiert werden?

Der Kanton Schwyz hat das Ziel, bis im Jahr 2050 bei den Wärmeerzeugungsanlagen für Heizung und Warmwasser in den Gebäuden keine fossilen Brennstoffe, also Heizöl und Erdgas, mehr zu nutzen. Dies hat der Schwyzer Kantonsrat im letzten Jahr mit klarer Mehrheit beschlossen. Ölheizungen werden heute bereits nur noch selten eingebaut. Mit der Förderung über das kantonale Gebäudeprogramm lohnt sich der Einbau einer erneuerbaren Heizung doppelt, da diese in aller Regel auch noch wirtschaftlicher ist. Sie haben es angetönt: Mit der Energie- und Klimaplanung 22+ sollen die Anstrengungen in allen diesen Bereichen intensiviert werden. Können Sie kurz zusammenfassen, was dieses Vorhaben überhaupt ist? Die Energie- und Klimaplanung 2022+ schreibt die ausgelaufene Energiestrategie 2013–2020 fort und nimmt sich auch der Klimathematik an. Die Planung enthält eine «Doppelstrategie», in der neben dem Bereich «Energie und Klimaschutz» neu auch die «Anpassung an den Klimawandel » eine grosse Rolle spielt. So steht beispielsweise der Wald im Zuge des Klimawandels vor grossen Herausforderungen. Im Rahmen der Planung wurden so zum ersten Mal auch die Chancen und Risiken konkret für unseren Kanton definiert. Die Planung gibt also die Stossrichtung im Kanton Schwyz vor, um das Netto-Null-Ziel auch bis im Jahr 2050 im Kanton Schwyz zu erreichen. Gleichzeitig soll der Kanton Schwyz auf den bereits beobachteten und zukünftig zu erwartenden Klimawandel vorbereitet sein – und womöglich auch die sich ergebenen Chancen ergreifen.

Konkret sollen erneuerbare Energien weiter gefördert werden. Was gibt es da für Ideen? Es gibt unterschiedliche Instrumente, um den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben. Dies kann beispielsweise über die Vereinfachung von Bewilligungsprozessen, der finanziellen Förderung oder eben Kommunikationsmassnahmen sein. National sind aktuell alpine Solaranlagen ein grosses Thema. Bietet sich der Kanton Schwyz dafür auch an? Höchstwahrscheinlich gibt es auch im Kanton Schwyz Lagen, die für eine alpine Solarproduktion geeignet wären. Die Priorität liegt derzeit allerdings eher auf der Ausnutzung des Solarpotenzials auf bestehenden Gebäuden – denn hier muss nicht in alpine Landschaften eingegriffen werden. Dennoch ist klar, dass gerade im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, aber auch im Hinblick auf die Energiewende jede Art der erneuerbaren Produktion in Betracht gezogen werden muss. Müssen wir uns eine Zukunft mit Fotovoltaikanlagen an den Mythen vorstellen? Nein. Will man frei stehende Energieproduktionsanlagen bauen, müssen nebst der Wirtschaftlichkeit auch die Schutzund Nutzungsinteressen sorgfältig abgewogen werden. Eine Interessenabwägung muss also in jedem Falle seriös durchgeführt werden. Und im Falle der Mythen wäre das Ergebnis klar: Priorität hat, wie bereits vorgängig erwähnt, der Ausbau bei bestehenden Infrastrukturen.

«Wir müssen auch andere Technologien für eine nachhaltige Stromproduktion im Auge behalten», sagt Peter Inhelder, Vorsteher des kantonalen Amts für Umwelt und Energie.

Foto: zvg

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