«Mir gefällt das taktische Spiel»
Der Einsiedler Linus Birchler spielt mit der Schweizer Volleyball-Nationalmannschaft um die EM-Qualifikation
Erst mit 18 Jahren startete Linus Birchler seine Volleyballkarriere. Sechs Jahre später wurde er für die Schweizer Nationalmannschaft aufgeboten.
ANGELA SUTER
Linus Birchler ist in Einsiedeln geboren und aufgewachsen. Auch seine Volleyballlaufbahn startete er im Klosterdorf. Damals war das Fanionteam des VBC Einsiedeln noch in der Nationalliga A vertreten. «Das wuss-te ich aber gar nicht», erzählt Linus Birchler. In der Saison 2015/2016 startete er mitten in der Saison mit einigen Trainings und Spieltag-Teilnahmen. Zuvor spielte er Fussball, erlitt dabei aber eine Knieverletzung und sah sich nach der erfolgreichen Operation nach einer neuen Sportart um. Seit der Saison 2016/2017 spielt er nun aktiv Volleyball, auf der Mitteposition. Zuerst bei den Junioren U19, U23 und schliesslich in der zweiten Liga. Die Verletzung des zweiten Knies konnte mit einer weiteren Operation 2018 gut behandelt werden, seither wurde Linus Birchler von Verletzungen verschont.
Und so stand der 2,04-Meter- Hüne nur drei Jahre nach dem ersten Volleyball-Training in der höchsten Spielklasse am Netz – allerdings nicht in seinem Stammverein. Denn 2018 hatte der VBC Einsiedeln sein Team aus der NLA zurückgezogen. Damals war Linus Birchler noch nicht bereit für den grossen Sprung. Durch einen Zufall kam er zu den Volley Talents in Jona, dort wurde er gefördert und schliesslich 2019/2020 in die 1. Mannschaft integriert. Dort zählt er heute zur Stammmannschaft, er hatte Glück: «Es gibt nicht so viele Spieler auf meiner Position und ich konnte gleich wegen der Verletzung eines Kollegen nachrücken.» Aufgrund des Trainings- und Arbeitsorts zog er vor zwei Jahren nach Lachen in eine WG mit Einsiedler Freunden, so sind die Wege etwas kürzer.
Schon zwei Titel!
Inzwischen wurde der 24-Jährige mit dem TSV Jona Cupsieger im März 2021 und Supercupsieger im Herbst 2021. «Nur der Schweizermeisterschaftstitel fehlt jetzt noch – das wäre schon ein Traum!», berichtet Linus Birch-ler. Für mehr Geld in Näfels oder Luzern zu spielen, diese Angebote schlug der Informatiker aus: «Obwohl es volleyballtechnisch schon nicht so ideal ist, 70 Prozent zu arbeiten – und daneben besuche ich auch noch einen Tag die Fachschule. » Glücklicherweise hat Linus Birchler einen kulanten Arbeitgeber, Kaulquappe AG in Zürich, der ihm jetzt während der Nati-Zeit ermöglicht, auf 50 Prozent zu reduzieren – im Home Office. «Ob das dann auch bei den Auswärtsspielen funktioniert, sehen wir dann!», schmunzelt der Volleyballer.
«Mir gefällt am Volleyball, dass es sehr taktisch ist, aber auch körperlich vielfältig. Man muss in allen Bereichen fit sein!», Linus Birchler hat sich im Volleyballsport gefunden. Doch auch bei ihm gibt es noch Verbesserungspotenzial: «Im Angriff muss ich mich schon noch verbessern!» Vielleicht bietet ihm das Nationalmannschaftstraining hierzu Gelegenheit, wo es von den fünf Trainern andere, viel detailliertere Inputs als im Stammverein gibt.
Neues Abenteuer Nati!
Von Nationaltrainer Mario Motta war er schon länger unter Beobachtung. Zusammen mit seinem Teamkollegen Simon Maag kam nun das Aufgebot für die Nationalmannschaft für Linus Birchler: «Das ist schon cool, ich freue mich auf die neue Erfahrung! Das Umfeld ist komplett anders, es wird zweimal täglich trainiert und das Staff ist sehr gross.» Mit Simon Maag spielt er seit zwei Jahren in Jona und teilt nun auch per Zufall das Hotelzimmer während den Trainingszeiten in Schönenwerd. Sonst kennt er seine Nationalmannschafts- Mitspieler als Kontrahenden aus der Nationallliga A: «Gegen alle habe ich schon mal gespielt und man kommt ja auch nach einem Match mal etwas miteinander ins Gespräch.» Die Volleyball Nationalmannschaft habe er bisher nicht so fleissig verfolgt: «Wenn mal etwas im TV lief, habe ich sicher reingeschaut. Und man wusste so etwa, wer dabei ist.» Jetzt gehört er selber dazu und freut sich auf die Qualifikationsspiele: «Rumänien ist unser stärkster Gegner. Wenn wir gegen Bosnien und Albanien unser bestes Volleyball-spiel zeigen, könnten wir gegen die beiden gewinnen …» Die beiden Testspiele Mitte Juli gegen Israel gingen leider verloren, doch es war eine Steigerung zu sehen.
Pech hatte das Team mit der Verletzung von Captain Jovan Djokic. Er verletzte sich im Rahmen der Vorbereitungen auf die bevorstehende EM-Qualifikation schwer am Fuss und fiel lei-der aus. Interims-Captain wurde Reto Giger, Pass. Nachrücken durfte Bruno Jukic, Aussenangreifer. Es folgte noch ein Trainingslager in Maribor, wo die Mannschaft intensiv trainieren und sich neu formieren konnte.
Qualifikation möglich Anne-Sylvie Monnet, Leiterin Leistungssport Volleyball bei Swiss Volley, blickt erwartungsvoll auf die Qualifikation: «Die Männer werden alles dafür geben, die Schweiz im nächsten Jahr auf der europäischen Bühne vertreten zu dürfen. Bei der letzten Austragung war das Team bereits ganz nahe dran und ich bin zuversichtlich, dass es dieses Mal klappt – auch wenn der Ausfall von Schlüsselspieler Djokic natürlich schmerzt.» Dafür muss das Team mindestens den zweiten Platz in der Gruppe erreichen und punktemässig unter den Top fünf der sieben Zweitplatzierten abschneiden. Wir drücken die Daumen – besonders Linus Birchler!
Das offizielle Teamfoto der Schweizer Nationalmannschaft für die EM-Qualifikation 2022. Ganz rechts hinten Linus Birchler mit der Nummer 12. In der mittleren Reihe ganz links Headcoach Mario Motta. Und hinten links auch kein Unbekannter in Einsiedeln: Marco Fölmli, ehemaliger Spieler beim VBC Einsiedeln.
Fotos: zvg
Linus Birchler im Dreierblock (Mitte) mit seiner Stammmannschaft TSV Jona.
Linus Birchler trägt auch in der Nationalmannschaft die Nummer 12, wie bei seinem Stammverein.
Linus Birchler trainiert seit Anfang Mai regelmässig mit der Schweizer Volleyball-Nationalmannschaft.