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«Der Bezirksrat ist gut aufgestellt; doch die Abhängigkeiten nehmen zu»

«Der Bezirksrat ist gut aufgestellt; doch die Abhängigkeiten nehmen zu» «Der Bezirksrat ist gut aufgestellt; doch die Abhängigkeiten nehmen zu»

Nach acht Jahren im Bezirksrat blickt Meinrad Gyr zurück. Und macht sich seine Gedanken über die Zukunft von Amt und Anspruch.

VICTOR KÄLIN

Acht Jahre im Bezirksrat – acht Jahre Infrastruktur: Haben Sie nie den Wunsch nach einem Wechsel verspürt? Definitiv nein. Es war von Anfang an mein Wunschressort gewesen. Und es ist es geblieben. Aber eigentlich wollte ich nur vier Jahre im Bezirksrat bleiben: Ich wurde mit 61 Jahren ins Amt gewählt und wäre dann mit 65 pünktlich zur Pensionierung wieder ausgeschieden. Doch es wurden zwei Legislaturen …

Nach vier Jahren kannte ich das Metier – Abläufe, Personen … Wie sagt man doch: «Ich war jetzt richtig drin.» Insofern sind vier Jahre doch knapp. Und die Arbeit machte mir Freude. Und ich verspürte auch einen gewissen Stolz, Bezirksrat zu sein. Für mich war es stets eine Ehre, das Amt ausführen zu dürfen und Verantwortung zu tragen. Ist die Infrastruktur ein dankbares Ressort? Ja, das ist es. Von der Materie her kann ich mich mit Fakten beschäftigen, und nicht mit Ideologien. Es geht in erster Linie nicht um Meinungen oder eine persönliche oder politische Grundhaltung, sondern konkret um die Versorgung des Bezirks. Dann gefallen mir auch die Leute, die täglich mit ihren Händen arbeiten. Ich schätze sie sehr und bewundere ihre Arbeit – bei der Trinkwasserversorgung, auf der ARA, auf dem Friedhof und der Strasse, im Sommer und Winter während den ordentlichen Arbeitsstunden und im Pikettdienst. Und auch die Männer von der Kehrichtabfuhr. Warum erfolgt der Rücktritt jetzt? Ich bin 69! Das spüre ich. Es ist ein Privileg, selbstständig darüber entscheiden zu können. Und man sollte auch gehen, solange es einem noch gefällt. Wenn Sie zurückblicken: Was ist in den acht Infrastruktur-Jahren erfolgreich beendet worden?

Das Wichtigste ist, dass die Werke des Bezirks funktionieren. In den acht Jahren gab es keine nennenswerten Unterbrüche in der Ver- und Entsorgung. Dass die Grundversorgung nonstop funktioniert, ist für mich der grösste Erfolg. Die Blumen gehören aber nicht mir, sondern meinen Mitarbeitenden in den verschiedenen Werken, welche eine seriöse Arbeit abliefern.

Ein sichtbareres Highlight war der neue Werkhof mit seinen modernen Arbeitsplätzen. Er hat sich bewährt. Mit dem Abschluss der Wasenmattstrasse wurde eine langjährige Pendenz erledigt. Positiv in Erinnerung behalte ich die erfolgreiche Sanierung unserer ARA, welche statt sieben letztlich fünf Millionen Franken kostete. Und das

Werk läuft «tipptopp».

Und was hätten Sie auch noch gerne abgeschlossen?

Den Klosterplatz. Das haben wir leider aus verschiedenen Gründen noch nicht geschafft. Und dass es mir nicht gelungen ist, die Kehrichtentsorgung durch einen langfristigen Vertrag zu sichern, beschäftigt mich über meine Amtszeit hinaus. Was sind für den Bezirk, den Bezirksrat die nächsten grossen Herausforderungen?

Sicher die unsichere finanzielle Lage mit der hohen Verschuldung und dem hohen Investitionsbedarf – und der daraus resultierenden Abhängigkeit vom Finanzausgleich. Auch das Spital empfinde ich als Damoklesschwert. Der Bezirk hat sich für diesen Weg entschieden und muss jetzt hoffen, dass das Ameos-Spital seinen finanziellen Verpflichtungen wie bis an-hin nachkommt. Wenn ich die generelle Entwicklung der Regionen im Kanton Schwyz betrachte, hat sich die Stellung Einsiedelns in den letzten acht Jahren nicht verbessert. Ist der Bezirk gut aufgestellt, die Herausforderungen zu meis-tern?

Grundsätzlich ist er das. Ein Grossteil der Bezirksrätinnen und Bezirksräte sind allerdings naturgemäss Laien in ihrem Ressort und entsprechend angewiesen auf Fachleute und Expertisen. In gewissen Bereichen können wir uns fachlich nicht so tief in die Materie versenken, wie es wünschbar wäre. Aber das ist bei den Politikern in Bern auch nicht anders. Daraus entsteht eine grosse Abhängigkeit von fachspezifischen Gremien und Firmen. Zusätzlich hängen Entscheide zu sehr von der juristischen Beurteilung ab. Beide Faktoren schränken den politischen Entscheid ein.

Und letztlich wird es immer schwieriger, geeignete Kandidaten und Kandidatinnen für politische Ämter zu finden. Das bereitet mir Sorge. Umso glücklicher bin ich über die Wahl von Annamarie Kälin. Und dass sie das Ressort Infrastruktur übernimmt, freut mich doppelt. «Es geht mir um Realpolitik, nicht um Ideologie.» Das sagten Sie bei Ihrer Wahl 2014. Und ha-ben Sie danach acht Jahre auch gelebt? Ja. Das kann ich wirklich sagen.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit im Bezirksrat erlebt?

Überraschend einvernehmlich. Ehrlich gesagt hatte ich mehr Konflikte erwartet – vor allem parteipolitisch gefärbte. Doch meistens stand beim Ringen um die beste Lösung die Sachlichkeit im Vordergrund. Wie beschreiben Sie die Stimmung im Rat aktuell? Während der Sitzungen bestimmen die Fakten. Wir führen die Diskussionen sachlich und fair, selbst wenn dann und wann mit härteren Bandagen gekämpft wird. Als wichtig empfinde ich die Traditionen: das fasnächtliche Dominolaufen, die gemeinsamen Abendessen nach den Bezirksratssitzungen. Dass man über alle Differenzen hinweg anstossen kann, ist für mich persönlich wertvoll. Wir hier in Einsiedeln ha-ben wirklich noch eine Kollegialbehörde – im doppelten Sinn. Mit welchem Gefühl scheiden Sie aus dem Rat? Mit einem guten. Es ist ein langfristiger Entscheid, den ich selbstständig und ohne äusseren Druck fällen konnte. Ich kann ein gut funktionierendes Ressort übergeben. Und ich bin zuversichtlich, dass meine Nachfolgerin Annamarie Kälin ihre Arbeit sehr gut machen wird. Was kommt als nächstes privat?

Nichts Bestimmtes! Das ist völlig offen. Ich habe meine Pensionierung um acht Jahre nach hin-ten geschoben und schaue und nehme, was sich so ergibt. Ein Buch allerdings werde ich mit Sicherheit nicht schreiben.

25. Juni 2014: Der damalige Bezirksammann Hermann Betschart vereidigt Meinrad Gyr. Die Arbeitsaufnahme erfolgte am 1. Juli 2014.

Foto: Archiv EA

«In Einsiedeln haben wir wirklich noch eine Kollegialbehörde»: Der aus dem Amt scheidende Bezirksrat Meinrad Gyr. Foto. Victor Kälin

10. August 2019: Auch Ressortchef Meinrad Gyr (rechts) freut sich über den neuen Werkhof, der an einem Tag der offenen Türe der Bevölkerung präsentiert wurde.

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