«Die Jugendlichen lernen buchstäblich fürs Leben»


Am Mittwoch wird im Chärnehus zum ersten Mal das Schulmusical «Ächt jetzt» aufgeführt. Sekundarschüler entführen ihr Publikum auf eine Reise mit einer zentralen Frage. Story und Musik stammen von zwei Lehrerinnen: Corinne Rath und Shannon Hürlimann.
WOLFGANG HOLZ
Ächt jetzt, Frau Rath, man denkt immer, Schüler und Lehrer stecken permanent im Stress. Wie kommts, dass Sie es geschafft haben, ein Schulmusical zu schreiben und am Mittwoch das erste Mal aufzuführen? Wenn die Motivation und die Freude an der Kreativität dazu gross genug sind und man weiss, welche positive Kraft in einem solchen Projekt liegt, scheut man den in der Tat grossen Aufwand nicht. Wir verfolgten unter anderem auch das Ziel, dem Stück eine hohe Aktualität zu verleihen und es punktgenau auf unsere Schauspieler und Schauspielerinnen masszuschneidern. Begeisterung an der Sache war unser Motor und die gemeinsame Zusammenarbeit mit Shannon war zudem herrlich. Wer ist auf die Idee des Schul-musicals gekommen? Als klar war, dass wir zusammen unterrichten würden, habe ich Shannon gefragt, ob sie Lust dazu hätte, ein eigenes Musical zu entwickeln. Sie war sofort dafür zu haben. Gemeinsam haben wir dann die Co-Produktion gestartet. Die Story ist also ein synergetischer Blumenstrauss. Dabei weiss heute keine von uns, wer welche Blumen dazu beigetragen hat. Sie, Frau Rath, sind ja fürs Musikalische zuständig, Frau Shan-non Hürlimann und Sie haben die Story geschrieben. Haben Sie so etwas zum ersten Mal zusammen gemacht? Ja, in dieser Form haben wir zum ersten Mal zusammengearbeitet, aber ich wusste, dass uns die gemeinsame Liebe zu Geschichten und Musik verbindet. Ich komponiere schon seit Jahren, darunter ganz besonders gerne auch Musicals. Wie haben Ihre Schülerinnen und Schüler im Brüel darauf reagiert, dass sie auf der Bühne agieren dürfen? Unsere Musical-Schüler wissen aufgrund unserer Ausschreibung, was sie in diesem Wahlfach erwartet. Sie sind unterdessen richtig vom Musicalfieber befallen und haben sogar in der Freizeit zusätzliche Proben initiiert, am Bühnenbild mitgearbeitet und zusätzliche Stimmbildung gemacht.
Wie viele Personen wirken in dem Stück mit?
Wenn vom Licht bis zur Bühnenrolle alle mitgezählt werden, sind es 21 Mitwirkende. Zwei davon haben wir aus der Primarschule «importiert», weil wir damit einen Zeitsprung von 8 Jahren stilecht darstellen können. Dann benötigen wir Leute am Licht und ha-ben kürzlich einen Notfall-Staff einberufen, welchen wir gleichzeitig für die Bühneneröffnung und zum Soufflieren einsetzen werden. Wie lange haben Sie dafür gebraucht, bis das Musical aufführungsbereit war? Im Februar 2021 begannen wir die Story zu schreiben. Wöchentlich trafen wir uns zum Weiterschreiben, und so wuchs die Geschichte. Inspiriert durch die Texte, schrieb ich die Liedtexte und komponierte parallel dazu die ersten Lieder und verfasste die Noten. Wir hätten damals übrigens nie gedacht, dass uns die Pandemie so lange in Atem halten würde.
Und dann?
Während den folgenden Sommerferien habe ich weiter komponiert. Fortlaufend haben mein Mann Samuel und ich dann über Monate hinweg in unserem Studio die Songs produziert, da wir diesmal mit Playbacks und nicht mit Live-Band auftreten werden. Das hatte den Vorteil, dass man jederzeit die Songs üben konnte, und wir das Stück nun auch anderen Schulen weitergeben können. Nach einigen Wochen mit ersten Anwärmübungen und einem Casting für die sowohl theatralisch als auch musikalisch anspruchsvolle Hauptrolle starteten wir dann kurz nach Beginn des letzten Schuljahres. Worum geht es in dem Musical?
Anouks Kindertraum wird Realität und sie wird entdeckt. Als Schauspielerin lernt sie aber bald einmal die Schattenseiten des Berühmtseins kennen und findet sich vor einem Berg an Schwierigkeiten wieder. Wie um alles in der Welt soll sie sich helfen? Sowohl die Probleme als auch die Lösungsansätze können auf andere Situationen übertragen werden und sollen das Publikum zum Nachdenken anregen, welche Werte uns Menschen wirklich wichtig sind. Anscheinend dreht sich das Musical auch darum, was echt zu sein bedeutet – ächt jetzt? Der Hauptgedanke, den wir gesponnen haben, ist genau der. Je älter wir werden, desto mehr maskieren wir uns und verstecken unsere Gefühle und Gedanken voreinander. Die Gründe sind vielfältig, obwohl echt sein zu dürfen einem Grundbedürfnis entspricht. Es bedeutet eben, sich verletzlich zu machen und die Maskerade abzulegen. Damit das gelingt, braucht es gegenseitige Empathie. Das gilt für Jugendliche im Entwicklungsprozess genau so wie für Erwachsene. Was bringt es Jugendlichen, in so einer Musicalproduktion mitzuspielen?
Extrem viel. Musicals sind erlebnispädagogische Lehrstücke. Das vieldeutige und häufig gebrauchte «Ächt jetzt» im Titel wird uns alle zukünftig automatisch an die wichtige Sache mit dem Echt-Sein erinnern. Die Jugendlichen lernen buchstäblich fürs Leben. Wir haben von der Klasse eine grossartige Einsatzbereitschaft und einen beeindruckenden Zusammenhalt erlebt.
Foto: zvg