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«Er ist ein cooler Typ»

«Er ist ein cooler Typ» «Er ist ein cooler Typ»

Lauberhornsieger Bruno Kernen über seine wichtigste Abfahrtsstrecke – und über Urs Kryenbühl

2003 siegte er in Wengen: Bruno Kernen. Für den 49-jährigen Thuner ist der Triumph beim Heimrennen im Rückblick trotz seines Weltmeistertitels der grösste Sieg seiner langen Karriere. Aber nicht nur deshalb hat er sich am Lauberhorn unsterblich gemacht.

WOLFGANG HOLZ

«Es ist eine Instinktsache, wann man den Schwung an dieser Stelle auslöst. Dann muss man möglichst ohne Rutscher und mit voller Überzeugung auf der Kante den Schwung schnell in der Rechts- und Linkskurve durchziehen. » So lautet kurz gesagt Bruno Kernens Erfolgsrezept für jene berüchtigte «S»-Kurve, die 1997 bei seinem spektakulären Sturz noch Brüggli-S hiess.

Spektakulärer Sturz Kernen hatte damals in der ersten Kurve überdreht, raste rückwärts in die Fangnetze und wurde dann wieder auf die Piste zurückkatapultiert. Von schweren Verletzungen blieb er glücklicherweise verschont. Doch der Anblick dieser Havarie war offenbar so nachhaltig, dass die Lauberhorn- Verantwortlichen die Stelle nach dem Rücktritt Kernens 2008 in «Kernen-S» umbenannten. Eine wilde Geschichte. Und eine Ehrung der heldenhaften Art.

«Für mich ist es immer noch mit viel Prestige verbunden, dass für dieses Traditionsrennen mein Name verewigt wurde», bekennt Bruno Kernen 25 Jahre danach im Gespräch mit unserer Zeitung. Eigentlich ist es ein Ort des Scheiterns – so wie andere Orte entlang der Lauberhornstrecke auch. Wie etwa die «Canadian Corner », wo solch tollkühne Kerle wie Dave Irwin und Ken Read früher durch den Pulverschnee gewirbelt wurden. Oder wie das «Österreicherloch». Deshalb betont Kernen auch, dass ihn dieses «Kernen-S» vor allem mit Stolz erfülle, weil er eben auch noch das Lauberhorn gewinnen konnte. «Wahrscheinlich war dieser Sieg der grösste in meiner Karriere – noch wichtiger als mein Weltmeistertitel in Sestriere, rein emotional gesehen.» Kernen hat auch noch einen anderen Sturz vor seinem geistigen Auge – den nämlich von Urs Kryenbühl, dem 27-jährigen Abfahrer aus Unteriberg. Dieser verunglückte bekanntlich letztes Jahr schicksalhaft in Kitzbühel auf der Streif im Zielhang und verletzte sich dabei schwer. «Eigentlich hat Urs damals alles richtig gemacht beim Sprung – erst als eine Windböe seine Skier herunterdrückte, verlor er die Balance », beschreibt Bruno Kernen den Horrorsturz.

Das Quentchen Glück Der Berner hält grosse Stücke auf Urs Kryenbühl, den er persönlich kennt. «Er ist ein cooler Typ und ein Skifahrer mit viel Gefühl und Talent», skizziert er den jungen Racer, der die Weltcup- Skiwelt 2019 «rockte», indem er wie aus dem Nichts auf der «Stelvio» in Bormio Dominik Paris fast noch den Sieg entriss und sogar schneller war als Beat Feuz, die lebende schweizerische Abfahrtslegende.

«Wer wie Urs schon auf dem Podest war, den darf man nie abschreiben», sagt Kernen. Der 49-Jährige, der nach 17 Jahren und nach einem schweren Sturz mit schwerer Knieverletzung 2007 just im Starthäuschen von Wengen seinen Rücktritt erklärte, ist deshalb auch überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Urs Kryenbühl wieder auf die Erfolgsspur zurückkehren werde. «Wenn er wieder ein gutes Gefühl auf dem Ski hat, wenn er den Ski spürt und Vertrauen hat, dass es funktioniert, wird er wieder schnell und erfolgreich Ski fahren können», so Kernen. Dafür brauche es aber auch viel Durchhaltewillen, viele Pistenkilometer sowie am Ende auch ein Quentchen Glück.

Der andere Bruno Kernen Dass Bruno Kernen am Lauberhorn, aber nie auf der Streif gewinnen konnte, führt er darauf zurück, «dass mir in Kitzbühel wohl das letzte Selbstvertrauen gefehlt hat, dass ich mit zu wenig Überzeugung ins Rennen gegangen bin». Doch dem fehlenden Sieg in «Kitz» trauert er heute nicht mehr nach.

«Zumal zum einen mein Namensvetter Bruno Kernen, mit dem ich entfernt verwandt bin, 1983 in Kitzbühel gewonnen hat», sagt Bruno Kernen und schmunzelt. Zum anderen sei für ihn der Sieg am Lauberhorn, am Heimrennen, nach sechs erfolglosen Jahren, «in denen mich viele immer wieder gefragt haben, wann ich denn nun endlich zurücktrete», eine grosse Genugtuung gewesen. Nicht zuletzt sei es eben Schicksal, dass manche Abfahrer nur in Kitzbühel, andere nur am Lauberhorn gewinnen. «Beat Feuz hat beides auf spektakuläre Weise mehrmals geschafft», anerkennt Kernen. Das Lauberhorn sei einfach speziell durch seine Länge, die ganze Tradition und die wunderbare Bergkulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau.

Wird in Wengen sein Als ehemaliger Lauberhornsieger wird Bruno Kernen deshalb an diesem Wochenende ebenfalls in Wengen weilen. «Ich freue mich schon darauf. Ich werde mit Gästen Ski fahren gehen, an Pistenbesichtigungen teilnehmen und den Event einfach geniessen», blickt er voraus. Das Skirennfahren sei für ihn als Sohn eines Pulverfabrikarbeiters immer ein riesiges Privileg gewesen – «auch wenn man das manchmal zwischendurch leider vergisst».

Und was macht er heute? «Im Winter fahre ich gerne Ski und im Sommer spiele ich gerne Golf», sagt er. Beruflich arbeitet Bruno Kernen als Salesmanager für ein Pharmaunternehmen – und vermarktete anfänglich quasi seine eigenen Blessuren als früherer Sportler, indem er medizinische Produkte für Prellungen und andere Verletzungen vertrieb. «Ich habe bei Kunden schnell gemerkt, dass ich durch meine Erfahrungen als Sportler extrem glaubwürdig wirke.»

Erfolgsmoment: Bruno Kernen siegt 2003 am Lauberhorn. Seit 2008 wurde das Brüggli-S in Kernen-S umbenannt. Fotos: zvg

Skifahren geht der 49-Jährige in seiner Freizeit auch heute noch gern.

«Eigentlich hat Urs damals alles richtig gemacht beim Sprung.»

Bruno Kernen

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