Bunte Nachbarschaft
BRIEF AUS MALAYSIA
Die eigenen vier Wände haben seit der Pandemie für uns alle wieder mehr Bedeutung bekommen. Typischerweise ist dies die eigene Wohnung, ein Haus oder allenfalls eine WG. In Kuala Lumpur habe ich mich für eine etwas andere Art von Wohnen entschieden. Die Residenz, in der ich lebe, nennt sich explizit eine Co-Living-Residenz. Soll heissen, verschiedene Gemeinschaftsräume können von allen Bewohnern benutzt werden.
Dies sind beispielsweise gemeinsame Arbeitsflächen und Meetingräume, ein Fitnessraum, verschiedene Wohn- und Aufenthaltsräume oder eine Dachterrasse. Einzig Schlafund Badezimmer sind völlig privat. Küche und Esszimmer teile ich mit zwei Mitbewohnern. Das Zusammenleben der aktuell rund 30 Bewohner wird dabei aktiv gefördert über gemeinsame Wanderungen, Feiern oder Ausflüge. Man kennt seine Nachbarn also gut und verbringt auch aktiv Zeit zusammen.
Die Wohngemeinschaft ist dabei eine bunte Truppe. Die Altersspanne reicht vom erst zwei Monate alten Issey bis zum rund 40-jährigen Mr. Park. Den Grossteil machen aber junge Menschen knapp unter 30 aus. Die Leute sind alle sehr weltoffen und auch international, Europäer bin ich aktuell jedoch der Einzige. Sehr schnell lernt man dadurch die unterschiedlichen Kulturen kennen und diese auch gegenseitig zu schätzen. So entdecke ich beispielsweise chinesische Musik oder Malay-Rap, während sich meine Mitbewohner an Schweizer Jodelgesang amüsieren. Ebenso wechselt die Filmauswahl zwischen koreanischen Dramas und Hollywood hin und her. Nicht zuletzt erlebe ich dank dieser Gemeinschaft auch mir bisher fremde Festlichkeiten, wie das chinesische Mondfest oder Deepavali. Im Dezember ist jedoch auch Kuala Lumpur in doch ziemlich kitschige Weihnachtsdekoration gehüllt. Trotz unterschiedlichster Herkunft und Kulturen überwiegen so die Gemeinsamkeiten zwischen den Bewohnern. Selten gibt es Reibereien und Reklamationen, umso öfters dafür gemeinsame Abendessen oder Aktivitäten. Schlussendlich funktionieren wir alle ja doch ziemlich ähnlich und eine freundliche und aktive Nachbarschaft schätzen wir wohl alle. Speziell in Zeiten der Pandemie und in der Anonymität einer Millionenstadt.
Ramon Zehnder *
Der Einsiedler Ramon Zehnder (23) absolviert zwischen Juli 2021 und Ende Juni 2022 auf der Schweizer Botschaft in Malaysia in Kuala Lumpur ein Hochschulpraktikum. Für den Einsiedler Anzeiger schreibt er in regelmässigen Abständen über seine Erlebnisse.