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Neue Mutante, altes Lied

LESERBRIEFE

In den letzten Wochen hat die Schweiz einen relativ mutigen Kurs gefahren trotz steigender Fallzahlen. Aus meiner Sicht auch richtig, konnte doch ein annähernd normales Sozialleben geführt werden – trotz angespannter, aber nicht kollabierter Situation in den Spitälern. Obwohl nicht ganz so lange wie erhofft, so wirkt die Impfung doch. Dies kann indirekt daran gesehen werden, dass Fall- und Hospitalisationszahlen nicht mehr wie in der Welle des letzten Herbstes parallel verlaufen, sondern auseinander driften als Ausdruck der relativ kleineren Anzahl schwerer Fälle. Gesündere, die geimpft oder nicht, erkranken und genesen, erhöhen die Durchimmunisierung auf dem Weg zur angestrebten Herdenimmunität. Auch wurde der medizinisch absolut sinnvolle Schritt, Antikörper als Beweis einer durchgemachten Infektion anzuerkennen, pragmatisch umgesetzt.

Nun wird aber eine Abkehr von dieser Strategie mit einer möglichen, aber keineswegs noch bewiesenen neuen Bedrohung namens Omicron begründet. Dabei wird nur zwei Tage nach der Abstimmung vom 28. November mit bekannten epidemiologischen Argumenten die Schraube wieder angezogen.

Eine dieser Massnahmen ist besonders erwähnenswert: Die Reduktion der Gültigkeitsdauer der Antigentests von 48 auf 24 Stunden. Es ist medizinisch nicht begründbar, wieso ein Unterschied in der Gültigkeitsdauer zwischen Antigenund PCR-Test besteht. Mit dieser Verkürzung wird zudem der Anschein erweckt, das Restrisiko einer Ansteckung fast auf null zu reduzieren, was nie der Fall sein wird.

Sicher ist aber, dass viele Menschen erneut massiv unter Druck gesetzt werden. Bis anhin konnten impfkritische Menschen mit repetitivem Testen ihr privates und berufliches Leben mit Verantwortung im Hinblick auf die epidemiologische Situation führen. Das wird nun so erschwert, dass es faktisch verunmöglicht wird. Dabei ist dieser Druck kontraproduktiv. So konnte ich als Hausarzt vor der Zertifikatspflicht den einen oder anderen Risikopatienten für eine Impfung gewinnen, was danach kaum mehr möglich war. Geschweige denn jetzt … Solche Menschen als dümmliche Neinsager abzustempeln und deren Haltung in keiner Weise in die erwähnte Strategie einfliessen zu lassen, ist nicht nur falsch, sondern tragisch. Die Fronten werden sich weiter verhärten, das gegenseitige Verständnis und Respekt weiter abnehmen oder gar ganz verschwinden. Das ist enttäuschend … und verzweifelnd.

Antoine Chaix (Einsiedeln) SP-Kantonsrat

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