«Das Etzelwerk passt perfekt zu uns»
Einsiedeln und die neue Etzelwerk-Konzession – Teil 1: Die Bedeutung des Werks für die Schweizerischen Bundesbahnen
Als Gesamtprojektleiter SBB erläutert Simon Ryser die Bedeutung des Etzelwerks für die SBB. Fazit: Die Nähe zu Zürich und die Nachhaltigkeit machen es aus.
VICTOR KÄLIN
Woraus ermisst sich generell der Wert des Etzelwerks für die SBB? Das Etzelwerk ist ohne Zweifel ein wichtiger Pfeiler in der Bahnstromversorgung der Schweiz. Wir produzieren hier jährlich 249 Gigawattstunden (GWh) nachhaltigen Bahnstrom, dies entspricht etwa 10 Prozent unseres Jahresverbrauchs. Weiter kann das Etzelwerk mit seinen sieben Generatoren bis zu 20 Prozent des schweizweiten Lastbedarfes abdecken.
Was ist mit dem Lastbedarf gemeint?
Mit dem Lastbedarf sind die schweizweiten Strombedarfsspitzen der SBB gemeint, etwa wenn beispielsweise im Zürcher Hauptbahnhof zur vollen und halben Stunde viele Züge gleichzeitig anfahren. Inwieweit ist die nebenan veröffentlichte Darstellung der SBB hilfreich, die Bedeutung des Etzelwerks (auch gegenüber anderen Werken) zu erklären? Das Etzelwerk ist besonders wichtig für die Bahnstromversorgung im Grossraum Zürich und der Ostschweiz. Es ist von Vorteil, den produzierten Strom nahe an der Quelle zu verbrauchen. Damit können Übertragungsverluste minimiert und Netzkapazitäten geschont werden.
Das Etzelwerk kann Lastschwankungen nahe am Verbrauchsschwerpunkt Zürich ausgleichen. Warum kann das Etzelwerk dies besser als andere Kraftwerke? Durch seine Nähe zum Verkehrsknotenpunkt Zürich kann das Etzelwerk die starken Schwankungen im Bahnnetz ohne grössere Verluste regulieren. Der Einsatz eines Pumpspeicherkraftwerkes hat zusätzlich den Vorteil, dass zwischenzeitliche Lastschwankungen im Netz kompensiert werden können. Diese Funktionen könnten grundsätzlich auch zusätzliche Frequenzumformer übernehmen. Diese benötigen jedoch auch ihren Platz und sind in Sachen Effizienz und Lastmanagement nicht gleich leistungsfähig wie ein Pumpspeicherkraftwerk. Zudem würden sie das 50-Hz-Stromnetz für den Haushaltsstrom zusätzlich belasten.
Frequenzumformer?
Die Bahn verfügt über ein eigenes Stromnetz, das mit einer anderen Netzfrequenz operiert als das öffentliche Stromnetz der Schweiz. Deshalb braucht es Frequenzumformer, welche den Haushaltsstrom (50 Hertz) in die Netzfrequenz des Bahnstroms (16,7 Hertz) umwandeln. Ganz grundsätzlich: Ist das Etzelwerk für die SBB unverzichtbar?
Es wäre heute absolut unmöglich, ein vergleichbares neues Pumpspeicherwerk in der Nähe eines nationalen Verkehrsknotenpunkts zu bauen. Falls uns das Etzelwerk also – hypothetisch betrachtet – nicht mehr zur Verfügung stehen würde, müssten wir im Grossraum Zürich weitere Frequenzumformer bauen, um das Übertragungsnetz nicht zu überlasten. Dies wäre nicht nur eine raumplanerische Herausforderung, sondern auch mit zusätzlichen Effizienzverlusten verbunden.
Kurzum: Die Wasserkraft aus dem Etzelwerk passt perfekt zu unserer Strategie der nachhaltigen Mobilität in der Schweiz, denn wir wollen ab 2025 zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie fahren. Aktuell sind es 90 Prozent. Deshalb haben die Konzessionserneuerung und die damit einh ergehende Modernisierung der in die Jahre gekommenen Anlagen eine grosse Bedeutung für die SBB.
Übrigens: Die SBB versorgen mit der Wasserkraft aus dem Sihlsee nicht nur die eigenen Züge, sondern auch jene der anderen Bahnen in der Region, zum Beispiel der Südostbahn mit ihren Zügen von und nach Einsiedeln. Ermisst sich die Bedeutung des Etzelwerks für die SBB auch in der Übernahme des Willerzeller Viadukts für die weiteren 80 Jahre? Der Willerzeller Viadukt entstand in einer anderen Ära. Die individuelle Mobilität in den 1930er-Jahren ist nicht vergleichbar mit den heutigen Möglichkeiten der Menschen im Bezirk
1 Einsiedeln. Deshalb war es ursprünglich unser Plan, Infrastrukturbestandteile, die nicht direkt für die Stromproduktion notwendig sind, abzugeben.
Im Laufe der Verhandlungen hat sich aber gezeigt, dass wir nur eine Lösung finden können, wenn alle Parteien bereit sind, über den eigenen Schatten zu springen – auch die SBB. Ohne die Kompromissbereitschaft aller Verhandlungspartner wären wir schlicht nicht weitergekommen. So rückten wir von unserer ursprünglichen Strategie ab und behalten den Willerzeller Viadukt für weitere 80 Jahre. Und wer A sagt, muss auch B sagen. Wir starten im Rahmen der Konzessionserneuerung schon nächstes Jahr mit der Sanierung.
Was ist geplant?
Die Sanierung beinhaltet die Erneuerung des Korrosionsschutzes an den Längs- und Querträgern der Stahlkonstruktion über den Pfeilern und der Brückenjoche sowie die Renovation des Brückengeländers. In einem nächsten Schritt, voraussichtlich 2038, wird die SBB die Fahrbahn des Willerzeller Viadukts sanieren. Bevor wir mit dem Bau starten, werden wir selbstverständlich wieder informieren. Wie beurteilen die SBB den neuen Konzessions-Vertrag? Die Verhandlungen waren für keine Partei einfach. Wichtig ist, dass wir nun ein Ergebnis haben, von dem alle profitieren. Das ist bei der jetzigen Konzessionsvorlage der Fall. Sie basiert auf einer sehr präzise austarierten Mischung an Nutzungsrechten und Gegenleistungen. Öffentliche und ökologische Interessen sind berücksichtigt und die Konzession bringt den Konzessionsgebern über viele Jahrzehnte zuverlässig Einnahmen. Die SBB wiederum ist in der Lage, weiterhin wirtschaftlich und nachhaltig Bahnstrom zu produzieren.
Weitere Informationen zum Willerzeller Viadukt: sbb.ch/willerzeller
«Es ist von Vorteil, den produzierten Strom nahe an der Quelle zu produzieren.» «Die SBB versorgen mit ihrem Strom auch die Züge der SOB von und nach Einsiedeln.»
KONZESSION