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Lange haben sie geschwiegen – jetzt reden Politiker über Bedrohungen

Lange haben sie geschwiegen – jetzt reden Politiker über Bedrohungen Lange haben sie geschwiegen – jetzt reden Politiker über Bedrohungen

Die Corona-Pandemie lässt Grenzen fallen. Selbst von Morddrohungen ist jetzt die Rede.

JÜRG AUF DER MAUR

Der Umgangston in der Schweiz ist rauer geworden. Das merken Herr und Frau Schwyzer nicht nur im Strassenverkehr, im Bus, beim Shoppen oder in den sozialen Medien. Ganz besonders betroffen sind auch Politiker.

Egal, ob sie für oder gegen die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen sind: Sie werden immer häufiger mit Hass-E-Mails, gehässigen Zuschriften und Drohungen gegen sich und ihre Familien zugedeckt. «Man wünscht einem den Tod. Man wünscht einem, dass man an Corona verrecke», erklärte der Schwyzer SVP-Nationalrat Marcel Dettling kürzlich mit anderen Politikern in der «Tagesschau » auf SRF. «Ich hoffe, dass Corona noch mit einem riesigen Verlauf bei dir vorbeikommt», schrieb ein anonymer Belästiger in holprigem Deutsch. Solche Töne sind nicht nur bei den sogenannten Corona-Schwurblern gang und gäbe, sondern eben auch auf der andere Seite, welche die Skeptiker angreift.

Betroffen ist nicht nur Marcel Dettling. Auch die anderen Schwyzer Parlamentarier können davon ein Lied singen. Als Formel gilt: Je stärker sich jemand in der Corona-Krise mit dem Thema exponiert, desto stärker setzt er sich den Wutbürgern aus, und umso häufiger und schlimmer sind die Drohungen.

Alois Gmür: «Lösche alle Corona-Mails» Dass die Situation sich insgesamt zugespitzt hat und die Stimmung immer giftiger wird, bestätigt denn auch Alois Gmür (Die Mitte, Einsiedeln). «Ich erhalte mehr E-Mails als normal. Diese betreffen vor allem Covid», macht Gmür gegenüber dem «Boten der Urschweiz» klar. Er sei aber weniger betroffen, weil er nicht nur in den sozialen Medien diesbezüglich nicht aktiv sei, sondern auch nur wenige TV-Auftritte habe. Anders als andere brauchte er bis jetzt auch keinen Polizeischutz. «Die E-Mails, die Corona betreffen, lese ich nicht und lösche sie sofort», sagt er.

Drohungen gebe es immer wieder, sagt auch Petra Gössi (FDP, Küssnacht). «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mehr Drohungen gibt, wenn die Stimmung gereizt ist oder die Diskussion stark polarisiert.» Auch sie erhielt die Drohungen bis jetzt anonym und schriftlich. Wenn diese konkret oder sehr krass waren, habe sie, die bis vor Kurzem die FDP Schweiz präsidierte, «jeweils den Bundessicherheitsdienst informiert». Doch auch für die Küssnachterin gilt: «Polizeischutz war bisher nicht notwendig.» Alex Kuprecht: «Viele fühlen sich bedroht» Keine schlechte Erfahrungen machte bisher Alex Kuprecht. «Von wirklichen Bedrohungen bin ich nicht betroffen», hält er fest. Aus präsidialen Gründen halte er sich derzeit ja auch zurück. «Ich weiss allerdings, dass sich verschiedene Politikerinnen und Politiker bedroht fühlen oder sogar bedroht werden.» Kuprecht weiss: «Einige Corona-Kritiker vergreifen sich sehr unschweizerisch im Ton und würden sogar am liebsten das Bundeshaus stürmen.» Zu seinem persönlichen Schutz als Ständeratspräsident könne er sich aber nicht äussern.

Nationalrat Marcel Dettling zeigt in der «Tagesschau» neuste Zuschriften. Foto: SRF/Archiv

«Die E-Mails, die Corona betreffen, lese ich nicht und lösche sie sofort»

Nationalrat Alois Gmür

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