«Ayla ersetzt mir drei Hirten»
Der 34-jährige Björn Schatt aus Egg züchtet Border Collies und setzt seine Hunde zum Hüten der Schafe und Lamas ein
Björn Schatt führt nebenberuflich einen Landwirtschaftsbetrieb mit Schafen und Lamas. Wertvolle Hütedienste leistet ihm hierbei die sechsjährige Ayla. Deren zweijährige Tochter Arja steckt derweil noch mitten in der Ausbildung zum Hirtenhund.
MAGNUS LEIBUNDGUT – TEXT UND BILDER
Weit zerstreut grast eine Schafherde auf der Weide am Wänibach entlang im Klosterdorf. Da – in rasendem Tempo nähert sich ein Border Collie, überspringt den Zaun und umrundet in weitem Bogen die Herde. Die Schafe laufen zusammen.
Ein Pfiff von Björn Schatt ertönt: Worauf der Hund aus voller Geschwindigkeit abbremst und sich hinter der Herde hinlegt. Ein weiterer Pfiff, und er treibt die Herde ruhig in die Richtung des Schäfers.
Der Hund arbeitet selbstständig, einmal blitzschnell zur Seite flankierend, dann wieder in Zeitlupe die Herde anschleichend – ohne zu zögern und genau wissend, worauf es ankommt.
Kein Schaf entkommt, keines bleibt zurück: Arbeitseifer, Wendigkeit, Konzentration, Taktik und Feingefühl – das zeichnet einen Border Collie aus. Dieser oft weitgehend selbstständige Umgang mit den Tieren und sein instinktives Reagieren auf deren Verhalten weisen auf eine grosse Intelligenz seitens des Hundes hin.
Hund sortiert Schafe
Der unbedingte Gehorsam gegenüber den präzisen Anweisungen des Schäfers – selbst auf grosse Entfernungen – faszinieren und beeindrucken gleichermassen. «Der Border Collie ist also ein Herdengebrauchshund – oder genauer gesagt ein Koppelgebrauchshund», erklärt Björn Schatt: «Der Einfachheit halber wird der Border Collie jedoch meistens als Hütehund bezeichnet – obwohl dies nicht ganz korrekt ist.» Der Border Collie ist eigens für das schonende und ruhige Zusammensuchen und Herantreiben von Schafen gezüchtet worden und hilft dem Schäfer bei der täglichen Arbeit – das heisst beim Weideumtrieb, beim Einpferchen, Sortieren und Abtrennen von Schafen.
Aber auch dem Hirten mit Tausend Schafen auf einer steilen und unwegsamen Alp steht er genauso hilfreich zur Seite. «Ayla ersetzt mir drei Hirten», sagt Schatt: Der Border Collie sei weltweit zu finden, sei es bei der Arbeit mit Schafen, Rindern, Geflügel, Schweinen oder Ziegen. In den letzten Jahren habe die extensive Tierhaltung enorm an Bedeutung gewonnen.
Urahne des Tieres ist der Wolf
Immer grössere Herden werden aus Kostengründen von immer weniger Personen betreut. Zudem wird besonders in der Schweiz neuerdings immer mehr Wert auf die Freilandhaltung der Nutztiere gelegt, so dass viele Tierhalter nicht mehr auf die Mitarbeit eines guten Arbeitshundes verzichten können und wollen.
Der faszinierende Arbeitsstil des Border Collies hat seinen Ursprung im Jagdverhalten des Wolfes: Wie sein Urahne, der Wolf, umkreist er die Beute (die Schafe) und treibt sie dem Rudelführer (dem Schäfer) zu.
Auf dieser Verhaltensweise basiert die Ausbildung eines Border Collies. Sein Arbeitsstil ist einzigartig: Der Hund arbeitet in geduckter Haltung, Kopf und Rute tief, lautlos und mit einer enormen Präsenz. Er lässt seine Tiere nicht aus den Augen und arbeitet unter ständiger Hochspannung.
Vor einem Angriff gewappnet Auch sein unbedingter Gehorsam und die Bereitwilligkeit, seinem Herrn alles recht zu machen, führen einen Border Collie unter Umständen über die Grenzen seiner Kräfte hinaus: Ein sauberer Stil, Verantwortungsbewusstsein für die Herde, «Sheep Sense» (ein Gefühl für die Schafe), eine gewisse Selbstständigkeit, ein bestimmtes Mass an Auge, Kondition und Robustheit – das wünscht sich jeder, der mit Border Collies arbeitet.
Allerdings ersetzt ein Hütehund nicht einen Herdenschutzhund, betont Schatt: «Gegen den Wolf bringt mir Ayla oder Arja wenig ein: Ein Border Collie zieht vor dem Wolf den Schwanz ein und zieht von dannen», lacht der 34-Jährige. Um seine Schafe vor dem Wolf zu schützen, hat er zwei Lamas in der Herde: «Ich hoffe, dass die Lamas vor dem Wolf Schutz bieten.» Und da der Wolf ja bereits einmal in Einsiedeln Schafe gerissen hat, ist Schatt froh um die beiden Lamas: «Solange die Lamas bei der Herde sind, getraut sich der Wolf nicht, ein Schaf zu reissen. Ich meine, der Wolf wird sich mit der Zeit an die Lamas gewöhnen: Diese sind irgendwann auch auf seiner Speisekarte – sobald die erste Abschreckung durch ist», führt Schatt aus.
Herdenschutz mit Lamas
Schatt hält also denn die Lamas als Schutz vor dem Wolf oder wildernden Hunden. «Das Lama ist kein Fluchttier wie das Schaf. Wenn sich ein Wolf nähert, geht es vielmehr schauen, was da kommt. Das unterbricht den Jagdtrieb des Wolfes. Für den Wolf ist es dann keine Beute mehr», erklärt der Schäfer das Verhalten der südamerikanischen Tierart.
Der Einsatz von Herdenschutzhunden ist derweil in den Sömmerungsgebieten inzwischen etabliert, bringt aber auch gewisses Konfliktpotenzial mit sich. «Vor allem in dicht besiedelten und touristisch intensiv genutzten Gebieten gibt es immer wieder Probleme mit Wanderern und Bikern», schildert Schatt: Der Unterhalt, die Fütterung und die Kontrolle der Herdenschutzhunde seien zudem sehr zeitintensiv und teuer. «Im Winter auf dem Hof im Tal kann die Lärmbelastung durch das häufige Bellen ein weiteres Problem mit den Nachbarn darstellen», konstatiert Björn Schatt.
Lamas sind pflegeleichter und günstiger: Sie bellen keine Wanderer an und fressen dasselbe Futter wie die Schafe. «Sie sind im Winter einfacher zu halten. Sie sind ruhig, stören keine Nachbarn und können einfach mit den Schafen eingestallt werden», erzählt Schatt: «Lamas brauchen keine teure Ausbildung und sind länger einsatzfähig als Hunde. Sie sind in der Regel schneller in neue Herden zu integrieren.» Ein Wurf mit acht Welpen Biörn Schatt ist hauptberuflich Hauswart und überdies Präsident der Regionalgruppe Zentralschweiz der Swiss Sheep Dog Society (SSDS), dem Schweizerischen Verein für die Ausbildung von Herdengebrauchshunden: «Wir hatten im Jahr 2019 unseren ersten Border-Collie-Wurf. Wir züchten mit FCI-Papieren (Fédération Cynologique Internationale). » Ayla war die Mutter und warf acht Welpen. Einer der Welpen hiess Arja. Schatt ist vollends begeistert vom Wesen der Arja: «Sie macht einen ganz aufgeweckten Eindruck, hat einen temperamentvollen Charakter und definitiv mehr Pfupf als ihre Mutter (lacht).»
Björn Schatt mit Ayla: «Sie ist meine Helferin bei der täglichen Arbeit mit den Schafen. Ayla ersetzt mir drei Hirten.»
Der Schäfer übt mit Arja und gibt das Kommando: Der Hütehund muss blitzschnell zur Seite flankiered die Schafherde zusammentreiben.
Für Border Collies sind Lamas Schafe und gehören zur Herde dazu: Auch die beiden Lamas müssen zusammengetrieben werden.
Arja, die Tochter von Ayla, ist zwei Jahre alt, macht einen aufgeweckten Eindruck und steckt noch mitten in der Ausbildung zum Hütehund.