«Wir versuchen, die Not der Menschen zu lindern»
Seit Jahren hilft die Alois Bettschart-Stiftung notleidenden Menschen im Kanton Schwyz. Anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums schildern Stiftungsratspräsident Karl Roos und Geschäftsführerin Käthi Blum die Entwicklung und Perspektiven der Einsiedler Stiftung.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Am 4. Oktober 1996 ist die Alois Bettschart-Stiftung gegründet worden. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung? Karl Roos: Acht Jahre vor der Gründung der Stiftung hat mir Alois Bettschart die «Engel-Apotheke » an der Hauptstrasse in Einsiedeln übergeben. Von daher ist mir Alois Bettschart naturgemäss bestens in Erinnerung geblieben: Er war ein ruhiger und überaus kluger Mann mit einer sozialen Ader, der mit einem grossen Wissen und einem aufgeschlossenen Denken die Menschen in den Bann zog.
Welche Gründe haben Alois Bettschart dazu bewogen, die Stiftung zu gründen? Käthi Blum: Die Idee von Alois Bettschart lässt sich wie folgt zusammenfassen: Den Leuten jene Hilfe zukommen lassen, welche diese weiterbringen mag. Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist denn auch das Motto der Stiftung: Wir versuchen, die Not der Menschen mit Wohnsitz im Kanton Schwyz zu lindern. Wie gross war das Vermögen der Stiftung am Anfang und wie sieht der jetzige Besitzstand aus? Käthi Blum: Über den Besitzstand der Stiftung können und wollen wir nicht Auskunft geben. Verraten kann ich Ihnen gleichwohl, dass das Vermögen der Stiftung in den vergangenen 25 Jahren etwa gleich geblieben ist. Der Stiftungsrat ist gehalten, auf eine Äufnung des Vermögens hinzuarbeiten. Die Stiftung nimmt gerne Vergabungen und Legate entgegen.
Auf welche Art und Weise verwaltet die Stiftung die anvertrauten Gelder? Karl Roos: Hauptsächlich über das Zinsgeschäft – was naturgemäss in den heutigen Zeiten kaum mehr grosse Gewinne abwerfen mag. In keiner Weise beteiligen wir uns an irgendwelchen Risikoinvestments. Ich möchte betonen, dass wir eine kleine Stiftung sind.
Wie viel Geld haben Sie jährlich zur Verfügung, um notleidende Menschen zu unterstützen? Käthi Blum: Ich kann Ihnen keine exakte Zahl nennen, die dem Betrag entsprechen würde, den wir jährlich zur Verfügung haben für Auszahlungen. Pro Jahr werden uns 35 bis 40 Gesuche eingereicht, von denen im Schnitt zwei Drittel positiv beantwortet werden. Also erhalten etwa 20 bis 25 Personen jährlich eine Unterstützung von der Stiftung. So haben wir innerhalb von 25 Jahren rund 600 Menschen helfen können.
Wem helfen Sie konkret? Karl Roos: Der Kreis der Begünstigten beschränkt sich auf Personen mit Wohnsitz im Kanton Schwyz. Juristische Personen und Institutionen sind als Empfänger ausgeschlossen. Zudem kann die Stiftung nicht die Leistungen der öffentlichen Hand ersetzen. Zumeist handelt es sich um einmalige Beträge.
Wie sieht der Kreis der Begünstigten aus? Käthi Blum: Es handelt sich um Familien, welche die gewöhnlichen Aufwendungen nicht mehr tragen oder sich nichts über die Existenzsicherung hinaus leisten können. Weiter sind es auch Alleinerziehende mit Kindern, die der Last des Alltags nicht mehr gewachsen sind. Ergänzt wird der Kreis von bedürftigen Kindern, um diese bei besonderen Aktionen und Projekten unterstützen zu können, um diesen beispielweise die Teilnahme an einem Ferienlager zu ermöglichen. Auch Erwachsene in Heimen und Therapiestellen, die einen Aufenthalt oder eine Behandlung trotz Beiträgen der Versicherung nicht bezahlen können, dürfen bei uns anklopfen. Hinzu kommen Rentner, deren Finanzen nicht ausreichen, sich etwas über die Existenzsicherung hinaus zu gönnen. Ebenso begünstigt werden Aus- und Weiterbildungswillige, die sich in einer unverschuldeten Notlage befinden und deren Mittel nicht ausreichen.
Auf welche Art und Weise erfolgt die Hilfeleistung? Karl Roos: Die Stiftung gewährt Hilfeleistung mittels finanzieller Unterstützung in Form von Geldbeträgen à fonds perdu zur Finanzierung besonderer Aufwendungen. Hinzu kommt die Gewährung von zinslosen Darlehen (Hilfe zur Selbsthilfe). Zu guter Letzt erteilen wir Kostengutsprachen zum Erwerb bestimmter Güter oder Dienstleistungen. Die Leistungen der Stiftung erfolgen direkt zugunsten des Hilfeempfängers. Sie ergänzen die öffentliche Fürsorge und bisherige Leistungen von anderen Institutionen. Sie ersetzen sie nicht. Grundsätzlich werden keine Beiträge zur Zahlung von Schulden, für Sehhilfen und für Zahnbehandlungen gesprochen.
Wieso unterstützen Sie Menschen nicht, die Schulden haben?
Karl Roos: Ein Grundsatz der Stiftung lautet: Wir helfen, wenn sich Menschen im Kanton Schwyz in einer unverschuldeten Notsituation befinden und finanzielle Unterstützung benötigen.
Aus welchen Gründen können Sie Personen nicht helfen, die Geld für Sehhilfen oder Zahnbehandlungen brauchen? Käthi Blum: Zahnbehandlungen sind oftmals sehr teuer: Diese zu finanzieren, würde den Rahmen unserer Stiftung schnell einmal sprengen. Zudem sind die Krankenkassen durchaus bereit, Sehhilfen und Zahnbehandlungen zu bezahlen – falls medizinische Gründe vorliegen.
Die Stiftung kann naturgemäss die Leistungen der öffentlichen Hand nicht ersetzen. Wie erkennen Sie, welche Leistungen die Sozialhilfe erbringen müsste? Käthi Blum: Das ist in der Tat keine einfache Frage. Grundsätzlich müssen die Gesuchsteller zuerst klären, ob Beiträge der öffentlichen Hand (Sozialamt, Stipendienstelle) möglich sind. Werden diese Anfragen trotz der Notlage abgelehnt, prüfen wir, ob ein Beitrag unserer Stiftung möglich ist. Wir sind bemüht, dass die Gesuchsteller dann innert zwei bis drei Wochen von unserer Stiftung einen Entscheid erhalten.
Konkretes Beispiel: Würde die Stiftung den Deutschkurs einer Erstklässlerin bezahlen, deren Eltern sich diesen Kurs nicht leisten können? Käthi Blum: Nein, definitiv nicht. Weil für die Sprachförderung der Schulträger zuständig ist. Die Eltern müssen mit der Schule Kontakt aufnehmen. Wir können die Leistungen der öffentlichen Hand nicht ersetzen.
Wie können Sie einen Missbrauch der Unterstützungsbeiträge ausschliessen? Karl Roos: Indem wir den Gesuchstellern das Geld in der Regel nicht bar auszahlen, sondern ihre Rechnungen bezahlen. Wenn zum Beispiel jemand ein neues Bett benötigt, wird ihm das Möbel ins Haus geliefert, und wir bezahlen dann die Rechnung für das Bett.
Steigt die Zahl der notleidenden Menschen im Kanton Schwyz an? Käthi Blum: Ich bin seit über zwanzig Jahren im Einsatz für die Stiftung und behandle die Gesuche: In dieser Zeit ist die Zahl der Gesuche immer etwa gleich geblieben. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Zahl der notleidenden Menschen im Kanton Schwyz relativ stabil ist. Nichtsdestotrotz ist gut möglich, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich im Kanton Schwyz immer mehr öffnet. Um dies festzustellen, sind wir eine zu kleine Stiftung, ist die Anzahl der Gesuche zu klein. Was mir in jedem Fall im Rückblick auf die letzten zwanzig Jahre aufgefallen ist: Die Zahl der Alleinerziehenden, die in Not geraten, steigt an. Was wiederum ein Indiz dafür sein könnte, dass einerseits die Zahl der Alleinerziehenden an sich steigt und es andererseits Alleinerziehende an sich schwer haben, finanziell über die Runden zu kommen.
Welche Herausforderung in der 25-jährigen Geschichte der Stiftung war die grösste? Karl Roos: Die eigentliche Herausforderung bestand immerzu darin, eine Notlage zu erkennen, eine Analyse zu leisten und die nötigen Schlüsse daraus zu ziehen: Wo können wir helfen? Wo sind wir in der Lage, die Not von Menschen, die leiden, zu lindern? Ziel war es immer auch, Freude und Zuversicht zu verbreiten: Menschen unter die Arme zu greifen, ihnen Wege aufzuzeigen, dass das Leben weitergeht, auch wenn gerade eine Krise um sich greift.
Wie schätzen Sie die Perspektiven für die Stiftung in der weiteren Zukunft ein? Karl Roos: Wir sind auf gutem Weg und wollen weiterhin auf diesem Kurs bleiben. Ein Anliegen bleibt uns, weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen sozialen Institutionen im Kanton Schwyz anzustreben.
Welche Herausforderung betrachten Sie als die drängendste in der kommenden Zeit? Käthi Blum: Es ist nicht einfach, Notlagen der Menschen in der Zukunft vorauszusehen. Es kann immerzu so etwas geschehen wie aktuell die Corona-Pandemie. Und just die Folgen der Corona-Krise bekommen wir als Stiftung erst in der nächsten Zeit zu spüren – weil sich die Folgen einer solchen Krise oft erst verzögert zeigen.,
Sie vertreten die Alois Bettschart-Stiftung in Einsiedeln: Käthi Blum ist Geschäftsführerin der Stiftung. Karl Roos amtet als Stiftungsratspräsident.
Foto: Magnus Leibundgut