Veröffentlicht am

Die Zertifikatspflicht löst ein grosses Rätselraten aus

Im Innern von Restaurants, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie an Anlässen in Innenräumen braucht es ab sofort ein Zertifikat. Die neue Regelung birgt Diskussionsstoff und wirft kuriose Fragen auf.

IRENE LUSTENBERGER

Was die einen erhofft und die anderen befürchtet haben, ist nun Tatsache: Ab sofort muss jeder, der am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will, beweisen, dass er entweder geimpft, genesen oder negativ getestet ist. Für Clubs, Tanzlokale und Grossveranstaltungen ab tausend Personen war das Zertifikat bisher schon notwendig. Nun müssen auch Personen, die im Restaurant essen, ins Museum, in den Zoo oder ins Fitnesscenter wollen oder ein Konzert besuchen möchten, ein Zertifikat vorweisen.

Dass die Massnahmen des Bundesrates nicht überall auf Begeisterung stossen, ist verständlich und sorgt für Diskussionen. Betrachtet man die Zertifikatspflicht detaillierter, gibt es zudem in etlichen Bereichen offene Fragen.

Nicht alles ist logisch

Angefangen bei den Zoos, wo es eine Zertifikatspflicht gibt. Bei den Tierparks hingegen nicht. Und dies, obwohl sich beides im Freien befindet. Könnte man einen Zoo nicht mit einem Tierpark gleichstellen und das Zertifikat nur für die Innenräume anwenden?

Auch der Besuch in Bibliotheken und Fitnesscentern ist seit gestern nur noch mit Zertifikat möglich. Stellt sich die Frage, ob dort wirklich so viele Menschen gleichzeitig zusammenkommen, dass sich das Virus ausbreiten kann?

Ebenfalls ein Zertifikat braucht, wer auswärts essen gehen oder auf einen «After Work Drink» will – sofern er das drinnen macht. Auf den Terrassen braucht es nämlich kein Zertifikat. Kein Wunder, finden einige Gastrobetriebe ein Schlupfloch und stellen ein Zelt mit Heizung auf, um ihre Gäste draussen bewirten zu können. Ab 30 Personen braucht es an privaten Anlässen Zertifikat «An Veranstaltungen in Innenräumen gilt ebenfalls eine Zertifikatspflicht (Konzerte, Theater, Kino, Sportveranstaltungen, Privatanlässe wie Hochzeiten in öffentlich zugänglichen Lokalen)», so der Bundesrat.

Auch hier kann man sich fragen, was als Veranstaltung zählt und was als öffentlich zugängliches Lokal. Denn bei privaten Veranstaltungen in privaten Räumlichkeiten bis dreissig Personen braucht es kein Zertifikat.

Nach wie vor macht es also einen Unterschied, ob man mit denselben Personen auf engem Raum zu Hause feiert oder im Restaurant, wo meist mehr Platz ist. Und noch weiter: Wenn sich jemand für eine private Party einen Raum mietet, muss er also bei 30 Personen kein Zertifikat verlangen, bei 31 aber schon.

«Wer will Selbsthilfegruppe für Ungeimpfte beitreten?» Das gleiche «Problem» stellt sich bei den Vereinen. Da Musik- und Theaterproben sowie Trainings in fixen Gruppen bis maximal 30 Personen erlaubt sind, haben alle Vereine Glück, die nur so viele Mitglieder haben. Bei mehr als 30 Mitgliedern gilt die Zertifikatspflicht.

Stellt sich die Frage, wer und wie kontrolliert wird, ob die Vereine sich an die Zertifikatspflicht halten. Und: Weniger als 30 Personen dürfen ohne Zertifikat trainieren oder proben, steht aber drinnen ein Wettkampf oder Konzert vor Publikum an, müsste dann doch wieder ein Zertifikat her.

Nebst religiösen Veranstaltungen und Anlässen zur politischen Meinungsbildung sind auch Selbsthilfegruppen mit unter 50 Personen von der Zertifikatspflicht ausgenommen. Auch wenn es wohl nicht ganz ernst gemeint ist, häufen sich auf den sozialen Medien Kommentare wie: «Wer will einer Selbsthilfegruppe für Ungeimpfte beitreten? »

Hintertürchen gesucht

Bei Veranstaltungen draussen bleibt die Zertifikatsvorgabe laut Bundesrat weiterhin freiwillig, solange es sich nicht um Grossveranstaltungen (ab tausend Personen) handelt. Auch hier könnten sich spitzfindige Veranstalter und Gastrobetriebe ein Hintertürchen offenlassen.

Die Zertifikate werden laut Bundesrat so lange eingesetzt, wie die epidemiologische Lage dies erfordert. Aktuell ist eine Befristung bis 24. Januar vorgesehen. Sollte dies tatsächlich eintreffen, werden sich bald auch die Firmen Gedanken über ihre Weihnachtsessen und die Fasnächtler über ihre Anlässe machen müssen …

Share
LATEST NEWS