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«Für den Chinderhort führen wir bereits eine Warteliste»

«Für den Chinderhort führen wir bereits eine Warteliste» «Für den Chinderhort führen wir bereits eine Warteliste»

Seit einem Jahr ist Carmen Hanke Institutionsleiterin vom Chinderhus und Chinderhort. Die 30-jährige Leiterin zieht eine erste Bilanz über den Betrieb des Chinderhorts und hofft auf Unterstützung des Horts durch Sponsoren. Zudem wird in den Vierteln eine Umfrage lanciert, ob dort schulergänzende Betreuung erwünscht ist.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es Ihnen in diesen bewegten Zeiten?

Es geht mir gut, danke. Der Start des neuen Schuljahres nach unseren Betriebsferien ist ruhig verlaufen. Auch bezüglich Corona haben wir grosses Glück gehabt bis anhin: Niemand von unserem Personal oder den Kindern ist an Corona erkrankt. Wie sehen die Verordnungen und Massnahmen konkret aus bei Ihnen? Bei uns besteht eine Maskenpflicht für das Personal: Das ist keine Auflage des Bundes, sondern hat unser Haus von sich aus so entschieden, um Quarantänefälle zu verhindern. Die Maskenpflicht soll auch ein Zeichen für die Eltern sein: Ihre Kinder sind bei uns sicher. Dementsprechend beobachten wir auch keinen Einbruch bei den Belegungszahlen aufgrund der Corona- Pandemie. Eine Impfpflicht haben wir derweil nicht eingeführt: Jeder soll in dieser Frage selber entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder nicht.

Wie fällt Ihre Bilanz aus nach einem Jahr Leitung des Chinderhorts in Einsiedeln? Wir sind vor gut einem Jahr mit zwanzig Kindern gestartet und haben jetzt montags und donnerstags vierzig Kinder im Haus an der Fuchsenstrasse. Man kann mit Recht behaupten: Wir platzen an bestimmten Tagen aus allen Nähten, weil wir maximal für vierzig Kinder Platz haben im Chinderhort. Um einen Engpass zu verhindern, sind Eltern bisweilen bereit, ihr Kind an einem Tag zu uns zu schicken, der weniger stark belegt ist. Für den Chinderhort führen wir bereits eine Warteliste. In der Zukunft wäre es wohl ideal, wenn es zusätzlich einen externen Mittagstisch gäbe, um die steigende Nachfrage abdecken zu können. Wie entwickeln sich die Belegungszahlen im Chinderhus? Wir haben auch im Chinderhus an der Mythenstrasse steigende Zahlen und einen Ausbau von zwei auf drei Gruppen vorgenommen. Derzeit haben wir eine Belegung von rund sechzig Prozent: Von 36 verfügbaren Plätzen im Chinderhus sind gut 22 belegt. Weitere Vorschulkinder sind sehr willkommen! Für beide Häuser lässt sich also beobachten: Die Nachfrage steigt stetig. Unser Angebot kommt in Einsiedeln gut an. Wie steht es um die finanzielle Situation des Chinderhorts? Leider nach wie vor unbefriedigend, nachdem der Bezirk nicht bereit gewesen ist, die Leistungsvereinbarung anzupassen. So muss der Verein für Jugend- und Familienberatung jährlich ein Defizit von 30’000 bis 50’000 Franken tragen, das durch den Betrieb des Chinderhorts entsteht. Auf die Dauer kann der Verein naturgemäss ein solches Defizit nicht jedes Jahr übernehmen. Also sind Lösungen gesucht, wie finanzielle Mittel beschafft werden können. Eine Möglichkeit ist: Wir wollen uns auf die Suche nach Sponsoren machen, die bereit sind, unser Angebot finanziell zu unterstützen. Andernfalls kommen wir nicht umhin, unsere Tarife anzuheben.

Beantragen Sie beim Bezirk Einsiedeln eine Erhöhung des Beitrags an den Verein für Jugendund Familienberatung? Im Juni 2020 wurde seitens Bezirk der Antrag um finanzielle Unterstützung für den Ausbau des Hortangebots abgelehnt. Damals wurde eine Neuverhandlung der Leistungsvereinbarung im Anschluss an die Abstimmung zur schulergänzenden Betreuung in Aussicht gestellt. Nach der Abstimmung hat der Bezirk eine Überarbeitung der Leistungsvereinbarung abgelehnt, da das Volk nicht an einem Ausbau des Angebots zur schulergänzenden Betreuung interessiert sei – so die Interpretation des Wahlausgangs des Bezirks. Die Nutzung des Angebots und die vielen Anfragen sprechen eine andere Sprache. Wie wirkt sich die Ablehnung der schulergänzenden Betreuungsangebote auf den Chinderhort aus?

Womöglich hätten wir den Chinderhort an der Fuchsenstrasse geschlossen, wenn die Einsiedler zum Projekt des Bezirks Ja gesagt hätten. Jetzt, wo das bezirkseigene Projekt an der Nordstrasse nicht eingeführt wird, braucht es den Chinderhort umso mehr: Das lässt sich an den steigenden Belegungszahlen ablesen. Auch wenn wir gewissermassen vom Ausgang jener Abstimmung im Frühling profitieren, bedauere ich den Entscheid voll und ganz: Es ist ein Zeichen in die falsche Richtung. Halten Sie es für möglich, dass die Einsiedler das Projekt an der Nordstrasse abgelehnt haben, um den Chinderhort zu retten? Ja, denn im Dorf haben wir bereits ein Angebot an schulergänzender Betreuung. Es hätte mehr Sinn gemacht, das bestehende Angebot auszubauen, statt ein Parallel-Angebot zu schaffen. Es ist mir schleierhaft, wie man Nein zur Einführung von schulergänzenden Betreuungsangeboten sagen kann. Der Bedarf ist ja ausgewiesen. Womöglich hat der Umstand, dass mit dem Projekt in den Vierteln kein Angebot geschaffen wird, eine Rolle gespielt: Die Leute in den Vierteln haben es nicht verstanden, weshalb bloss im Dorf ein Angebot geschaffen werden sollte, die Viertel aber leer ausgehen. Die Viertel bleiben aussen vor.

Sind Projekte in Sicht, mit denen das familienergänzende Angebot ausgebaut werden soll? Wir starten eine Umfrage, die unter die Lupe nimmt, ob eine schulergänzende Betreuung in den Vierteln erwünscht ist. Bisher ist eine schulergänzende Betreuung von Kindern ausschliesslich im Dorf möglich. Wir sind uns sicher, dass auch Eltern aus den Vierteln ein Bedürfnis an schulergänzenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten haben und führen daher eine erste Bedarfsklärung durch. Es ist bereits jetzt so, dass arbeitende Eltern aus den Vierteln ihren Nachwuchs in Kindergärten von Einsiedeln schicken, damit die Kinder den Mittagstisch bei uns besuchen können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Kinder aus den Vierteln mit einem Schulbus in unseren Chinderhort gefahren werden könnten. Gibt es in den Vierteln bereits Strukturen, die in Richtung einer schulergänzenden Betreuung führen?

Ob es bereits einen privat geführten Mittagstisch in den Vierteln gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Ziel müsste sein, einen professionell geführten Mittagstisch mit Randzeitenbetreuung schaffen zu können. Es geht jetzt einmal fürs Erste nur um eine reine Bedarfsabklärung. Es ist ja auch gar nicht in Stein gemeisselt, dass der Verein für Jugend- und Familienberatung ein allfälliges Projekt lancieren würde. Die Idee ist es, einen Fahrdienst aufzugleisen, um einen ersten Schritt zu machen.

Haben Sie vor, die Betreuung im Chinderhort auszubauen? Wir haben bereits ein Bewegungs-, ein Lego-, ein Puppen-, ein Rollenspiel- und ein Kreativzimmer sowie zwei Speisesäle. Hinzu kommt eine Garage mit Töggelikasten, die für ältere Schüler zur Verfügung steht. Zudem gibt es ein Hausaufgabenzimmer, in dem wir die Kinder beim Aufgabenlösen begleiten. Unser Ziel ist es, zukünftig auch eine Hausaufgabenbetreuung anbieten zu können. Zudem organisieren wir auch während den Ferien spannende und abwechslungsreiche Anlässe, an denen wir kürzlich den Wald, Länder und Kulturen zum Thema gemacht haben.

Wäre eine stärkere Subventionierung, wie sie bereits in anderen Kantonen angeboten wird, sinnvoll? Wir befinden uns finanziell in einer prekären Situation. Um diese zu verbessern, müssten wir die Tarife anheben, was für die Eltern einer Hiobsbotschaft gleichkommen würde. In jedem Fall müsste die Subventionspolitik im Kanton Schwyz umgestaltet werden: Diese ist einfach nicht mehr zeitgemäss. Dass Schwyz nicht eine stärkere Subventionierung anbietet, so wie andere Kantone, ist vollends unverständlich. Im Vergleich zur familienergänzenden Betreuung braucht es vor allem in der schulergänzenden Betreuung stärkere Subventionen, damit das Angebot allen berufstätigen Eltern offensteht. Für die Zukunft wünsche ich mir grundsätzlich mehr Unterstützung durch die öffentliche Hand für die Bereitstellung der familienergänzenden Betreuung im Kanton Schwyz. In welchem Bereich orten Sie bezüglich schulergänzenden Betreuungsangeboten Defizite in Einsiedeln? Die Angebote im Dorf sind gut aufgestellt, auch was die Freizeitgestaltung anbetrifft. Ein Defizit besteht eindeutig in den Vierteln: Da ist einfach nichts los bezüglich schulergänzenden Kinderbetreuungsangeboten. Das ist der Grund, dass wir nun diese Umfrage starten. Wohin bewegt sich die Welt?

Ich hoffe doch sehr, dass wir nun das Thema Corona so langsam abschliessen könnten: Allen hängt diese Pandemie längst zum Hals heraus. Stossend finde ich, zu welch menschlichen Zerwürfnissen Corona geführt hat: Wir führen einen nicht sehr menschlichen Umgang mit dieser Pandemie.

Bis Ende Oktober läuft eine Umfrage: Daran teilnehmen kann man via Homepage www.chinderhort- einsiedeln.ch oder mittels dieses QR-Codes.

«Es hätte mehr Sinn gemacht, das bestehende Angebot auszubauen, statt ein Parallel-Angebot zu schaffen.» «Die Leute verstehen nicht, weshalb bloss im Dorf ein Angebot geschaffen wird, die Viertel aber leer ausgehen.» «Dass Schwyz nicht eine stärkere Subventionierung anbietet, so wie andere Kantone, ist unverständlich.» «Für die Zukunft wünsche ich mir grundsätzlich mehr Unterstützung durch die öffentliche Hand.» «Ein Defizit besteht in den Vierteln: Da ist nichts los bei schulergänzenden Betreuungsangeboten. »

Die Institutionsleiterin Carmen Hanke führt das Chinderhus an der Mythenstrasse und den Chinderhort an der Fuchsenstrasse in Einsiedeln und wird hierbei von einem 17-köpfigen Mitarbeiterstab unterstützt.

Foto: Magnus Leibundgut

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