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Durch die Luft dribbeln

Durch die Luft dribbeln Durch die Luft dribbeln

Die 34-jährige Einsiedlerin Sandra Kälin ist bei der Beachsoccer-EM in Portugal mit von der Partie

Seit gestern kickt Sandra Kälin am Atlantik. Sie wurde überraschend für den Superfinal der Beachsoccer-Europameisterschaft der Damen in Portugal für die Schweizer Nati nachnominiert. Vor ihrem Abflug hat sie uns verraten, warum sie den Strandfussball so liebt.

WOLFGANG HOLZ

Die Septembersonne verwöhnt Sandra Kälin mit spätsommerlicher Wärme. Sie sitzt gerade im Minigolf-Park vor dem Kloster auf einer Bank, wo sie zu einem Gespräch Platz genommen hat. Ein angenehmer Vorgeschmack auf das, was sie erwartet.

Denn noch mehr Sonne und noch mehr Wärme kann sie seit Mittwoch am Strand von Figureia da Foz an der portugiesischen Atlantikküste tanken – dort wo seit gestern der Superfinal der Beachsoccer-Damen-EM ausgetragen wird. Das erste Spiel hat die Einsiedlerin bereits hinter sich: Die Beach-Nati trat am Donnerstag gegen Tschechien an. Seit 2019 in der Beach-Nati

«Ich freue mich sehr, dass man mich nachnominiert hat», sagt die 34-Jährige, obwohl sie ja schon seit 2019 regelmässig dem Team der Schweizer Beachsoccer- Nati angehört. Trotzdem empfindet sie es jetzt überraschend, zusammen mit elf Mannschaftskameradinnen nun zur Endrunde der besten Strandkickerinnen Europas nach Portugal fliegen zu dürfen. «Ich hatte so viel Arbeit im Frühling, dass ich die Prioritäten anders setzen musste. Durch eine verletzte Spielerin kam ich nun zum Handkuss und ich hoffe, ich kann der Mannschaft helfen, dass wir unsere Ziele erreichen können.» In einer Gruppe mit Tschechien, England und dem Gastgeberland wollen die Schweizerinnen beweisen, dass sie zu den Besten gehören. «Es wäre schön, wenn wir es wieder unter die ersten Drei schaffen würden », blickt Sandra Kälin voraus und streicht sich selbstbewusst eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Sie wirkt fit bis in die Haarspitzen.

2008 sogar in den USA

Eigentlich ist die Trachslauerin seit frühester Jugend als Rasenfussballerin bekannt. Mit 21 entschied sie sich 2008 sogar, zwei Jahre lang in die USA zu gehen, um bei den «Lee Lady Flames » in Tennessee als Halbprofi zu spielen. Danach wechselte sie zwei Jahre in die Nationalliga A zum FC Basel. Zuvor hatte sie schon für Luzern und GC gekickt. Momentan spielt die mittlerweile als Personaltrainerin arbeitende Unternehmerin aktiv noch in der Ü-30-Mannschaft des FC Wädenswil mit – als einzige Frau. Eine Herausforderung, die ihr grossen Spass bereitet.

Doch seit einigen Jahren hat sie auch ihre Liebe für den Beachsoccer entdeckt. «Beachsoccer und Rasenfussball sind im Grunde zwei Sportarten, ich mag beide», erklärt Sandra Kälin. Während den Rasenfussball Geschwindigkeit, Flanken, Körperkontakt und raumgreifende Taktik prägen würden, sei Beachsoccer Fussball-Artistik auf kleinem Feld. Wenn man so will, eine Art dynamischer Töggelifussball mit echten Spielerinnen.

«Denn dadurch, dass man auf dem tiefen und unebenen Sand kein flaches Passspiel praktizieren kann, versucht man sofort, den Ball durch die Luft zu spedieren – mit Volleyschüssen, jonglierenden Ballannahmen per Brust, Kopf, Fuss, Bein und Knie sowie mit spektakulären Einlagen wie Fallrückziehern ins Tor zu schiessen», erklärt sie. Die Spielsituation könne sich schnell verändern, es fallen deutlich mehr Tore. Körperkontakt gebe es viel weniger als beim Rasenfussball. Blaue Flecken am Schienbein

Wobei sie und ihre Schweizer Kolleginnen sich in Matches gegen England, Spanien und Russland schon einige blaue Flecken am Schienbein geholt haben. «Nicht zuletzt ist Beachsoccer aufgrund des tiefen Sands sehr anstrengend», versichert die Fussballerin. Da barfuss gespielt werde, sei auch die Verletzungsgefahr nicht so hoch wie mit Stollenstiefeln. Die Bänder seien nicht so gefährdet, weil der Sand nachgebe. «Es kann allerdings schon zu schmerzvollen Zehenblessuren kommen.» In der Schweiz gibt es laut Sandra Kälin rund 150 aktive Beachsoccerinnen. Das Niveau sei relativ gut. Das Alter der Nati-Spielerinnen reiche von 21 bis 39 Jahre. Die meisten Frauen seien ehemalige Rasenfussballerinnen. Jede Woche werde zweimal mit der Nationalmannschaft trainiert – in Luzern, im Aargau, Basel. In Basel gebe es sogar eine Halle. «Vom Beachsoccer kann man aber als Profi nicht leben – wir haben unsere Reise nach Portugal deshalb durch Crowdfunding mitfinanziert», stellt die Einsiedlerin klar.

«Ehre, für die Schweiz zu spielen» «Ein Ferienlager mit drei Spielen in drei Tagen plus einem Finaltag möglicherweise wird die Zeit in Portugal definitiv nicht», versichert Sandra Kälin – die auf ihren rechten Oberarm ja einen selbstverfassten Text tätowieren liess, in dem sie sich versprochen hat, «nie aufzuhören, besser werden zu wollen». Wenn man für sein Land spielen dürfe, dann sei das eine grosse Ehre. «Es ist klar, dass wir alle 120 Prozent für die Schweiz geben wollen. Diese Art von Mindset ist uns schliesslich bereits im Alter von 15 Jahren eingetrichtert worden.» Sagts und lächelt. Irgendwie hat ihr Ehrgeiz auch eine charmante Seite.

«Vom Beachsoccer kann man aber als Profi nicht leben.»

Sandra Kälin

Kickt gerade am Strand in Portugal: Sandra Kälin (34). Foto: zvg

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