Veröffentlicht am

«Vor dem Gesetz sind alle gleich»

«Vor dem Gesetz sind alle gleich» «Vor dem Gesetz sind alle gleich»

Pro-Votum zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches («Ehe für alle»)

Sandra Auf der Maur ist im Vorstand des queeren Schwyzer Treffpunkts Mythengay: Für die 27-jährige Einsiedlerin ist vollends klar: «Alle Paare, egal welchen Geschlechts, sollen die gleichen Rechte haben.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wieso ist es wichtig, dass Schwule und Lesben auch heiraten sollen?

Warum auch sollen Homosexuelle nicht heiraten dürfen? Viele Schwule und Lesben haben seit langer Zeit den Wunsch, sich zu vermählen. Heiraten zu dürfen ist ein Grundrecht. Es gilt schliesslich der Grundsatz: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Es heiraten immer weniger Leute, immer mehr Ehen werden geschieden. Sollte man dieses Unterfangen nicht getrost den Heterosexuellen überlassen?

Ob Heiraten eine Dummheit ist, diese Frage darf man getrost den Homosexuellen selber überlassen: Sie selber sollen entscheiden dürfen, ob sie heiraten wollen oder nicht. Jedenfalls bezweifle ich, dass sich die Scheidungsquote gross verändern würde, wenn die Schweizer Ja sagen zur «Ehe für alle». Gleichgeschlechtliche Paare haben durch die eingetragene Partnerschaft doch schon die Möglichkeit einer Ehe. Reicht das nicht aus?

Die eingetragene Partnerschaft ist eine Ehe zweiter Klasse und diskriminiert die Betroffenen: Sie hat gegenüber der Ehe viele Nachteile, etwa bei der erleichterten Einbürgerung oder der Güterstandsregelung. Zudem müssen alle, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, ihre sexuelle Orientierung offenlegen, sobald sie ihren Zivilstand angeben. Wenn sie sich in ein Personenregister eintragen, sich auf eine Stelle bewerben oder in ein Land einreisen, kann das zu Problemen führen. Was bedeutet es für Kinder, wenn gleichgeschlechtliche Paare heiraten können? Die Kinder von Homosexuellen sind fortan rechtlich besser abgesichert, indem sie juristisch betrachtet zwei Eltern haben statt nur ein Elternteil. Auch hier gilt der Grundsatz: Im Sinne der Gleichberechtigung sollten alle Kinder gleich behandelt werden.

Wieso soll gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption von Kindern erlaubt werden? Einerseits ist es wesentlich, dass man die Kinder seines gleichgeschlechtlichen Partners adoptieren kann. Die Vorlage soll darüber hinaus ermöglichen, als homosexuelles Paar ein fremdes Kind zu adoptieren. Homosexuelle sind gleichwertige Eltern: Ich sehe keinen Grund, dass man ihnen das Recht auf eine Adoption vorenthalten sollte. Kann eine Frau einen Vater, ein Mann eine Mutter ersetzen? Ich spreche nicht von einem Ersatz: Eltern kann man an sich nicht einfach so ersetzen. Dabei spielt das Geschlecht eine eher untergeordnete Rolle: Es gibt ja nicht den 100-Prozent-Mann, die 100-Prozent-Frau. Wir haben alle Anteile von weiblich und von männlich in uns. Abgesehen davon ist für Kinder wichtig, dass jemand für sie da ist, der sie liebt, mit Haut und Haar.

Geht es Kindern mit homosexuellen Eltern schlechter als Kindern, die mit heterosexuellen Eltern aufwachsen? Das ist ein altes Vorurteil, das von der Wissenschaft längst widerlegt worden ist: Wichtig ist für das Wohlbefinden der Kinder in erster Linie, wie sich die Eltern zu ihren Kindern verhalten. Auch dass Kinder wie verrückt gehänselt würden, wenn sie homosexuelle Eltern haben, kommt offenbar viel weniger vor als man denken könnte. Kommt hinzu, dass für ein solches Problem eher die Erziehung der mobbenden Kinder im Fokus stehen würde. Ist es möglich, dass erwachsene Kinder aus homosexuellen Familien selber häufiger homosexuell werden?

Das halte ich für wenig wahrscheinlich: Die allermeisten Schwulen und Lesben stammen ja aus heterosexuellen Verhältnissen. Die sexuelle Ausrichtung der Eltern hat offensichtlich genetisch betrachtet keinen Einfluss auf die Sexualität der Kinder. In allen Kulturen und Gesellschaften auf dieser Welt machen Homosexuelle konstant fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung aus. Naturgemäss prägt Jugendliche die Offenheit eines Elternhauses dahingehend, dass ihnen ein Outing leichter fallen dürfte, wenn Eltern tolerant sind in diesen Fragen.

Wäre es nicht konsequent, eine «Ehe für alle» auch etwa einem Trio gegenüber und nicht nur einem Duo möglich zu machen? So habe ich mir das noch gar nie überlegt (lacht): Aber man könnte naturgemäss eine «Ehe für alle» in diesem Sinne interpretieren. Ich wäre jedenfalls nicht dagegen, dass man auch zu dritt heiraten dürfte. Es ist ja auch nicht in Stein gemeisselt, dass Beziehungen nur zu zweit eingegangen werden dürfen. Und es gibt ja auch Kulturen auf unserer Welt, in denen eine Polyamorie gelebt wird. Allerdings dürfte eine Dreierehe einige juristische Herausforderungen mit sich bringen, wenn man rechtlich betrachtet die Möglichkeiten derart erweitert. Was halten Sie davon, wenn man in unserer Gesellschaft die Monogamie mit einer Polyamorie ersetzen würde? Da spricht nichts dagegen, wenn man Polyamorie nicht mit Polygamie verwechselt. Bei der Monogamie stellt sich ja grundsätzlich die Frage, ob Treusein den Menschen überhaupt liegt und gelingen mag und ob sich die Liebe nicht auf drei Herzen ausweiten liesse. Um auf die Schwulen und Lesben zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass sich Homosexuelle und Heterosexuelle gross unterscheiden, was ihr sexuelles Verhalten und ihre Treue dem Partner gegenüber betrifft.

Wie dürfte das Verdikt des Schweizer Volks am 26. September ausfallen? Ich bin guten Mutes, dass die Vorlage «Ehe für alle» am 26. September angenommen wird. Es ist an der Zeit, dass gleichgeschlechtliche Paare dieselben Rechte wie Heterosexuelle haben: Ausländische Partner könnten erleichtert eingebürgert werden, gleichgeschlechtliche Eheleute könnten gemeinsam ein Kind adoptieren. Und verheiratete Frauenpaare hätten Zugang zur gesetzlich geregelten Samenspende. Die Schweiz ist neben Italien und dem Vatikan das einzige westeuropäische Land ohne Zivilehe für Gleichgeschlechtliche.

«Die eingetragene Partnerschaft ist eine Ehe 2. Klasse und diskriminiert die Betroffenen.» «Im Sinne der Gleichberechtigung sollten alle Kinder gleich behandelt werden.»

Sandra Auf der Maur ist guten Mutes, dass die Vorlage «Ehe für alle» am 26. September angenommen wird. Foto: Magnus Leibundgut

Share
LATEST NEWS