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«Nur noch wenige Pilger holen Medikamente bei uns»

«Nur noch wenige Pilger holen Medikamente bei uns» «Nur noch wenige Pilger holen Medikamente bei uns»

Judith Robatscher ist Geschäftsführerin der Medbase Apotheke Einsiedeln Engel: «Ab sofort entfällt der Sonntagsdienst in den Apotheken im Klosterdorf.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wieso wird der Sonntagsdienst ab dem September eingestellt?

Der Bedarf ist deutlich zurückgegangen. Nur noch wenige Pilger holen Medikamente bei uns. Früher kamen ganze Busse mit Pilgern zu uns, um sich gleich für ein ganzes Jahr mit unseren Hausspezialitäten einzudecken. Hinzu kommt, dass die Leute heutzutage die Medikamente bei den Ärzten besorgen, die am Sonntag Bereitschaftsdienst haben.

Was empfehlen Sie Einsiedlern, die sonntags ein Medikament kaufen wollen ohne Arztbesuch?

Es gibt im ganzen Kanton Schwyz keine Apotheke mehr, die sonntags geöffnet ist. In Wädenswil und Jona haben die Apotheken sonntags von 10 bis 12 Uhr offen. Und in Zürich gibt es Apotheken, die haben das ganze Jahr über Tag und Nacht offen. Ist der Bedarf auch deswegen zurückgegangen, weil die Leute vermehrt online Medikamente bestellen? Mit Bestimmtheit bedeutet der Online-Versandhandel eine grosse Konkurrenz für uns. Aber das betrifft ja viele Läden im Klosterdorf gleichermassen. Allerdings ist mir nicht bekannt, dass sonntags auch online bestellte Ware ausgeliefert würde. Sind Apotheken mit ihren neuen Dienstleistungen wiederum eine Konkurrenz für Ärzte? Es gibt sicherlich Stimmen aus Ärztekreisen, die nicht so begeistert sind über unsere Dienstleistungen, wenn wir Impfungen, Tests, Checks, Beratungen, Blutdruckmessungen und Telemedizin anbieten. Allerdings nehmen wir den Ärzten ja nichts weg, weil sich unsere Dienstleistungen in einem niederschwelligen Bereich bewegen und wir in der Regel für die Weiterbetreuung der Patienten auf einen Arzt verweisen. Aber klar ist: Das Berufsbild hat sich verändert, sowohl bei den Apothekern wie bei den Ärzten. Freuen Sie sich darauf, dass Sie zukünftig keine Sonntagsdienste mehr haben werden?

Ich arbeite sehr gerne sonntags. Allerdings war das Kompensieren der Sonntagsdienste unter der Woche mitunter nicht so einfach. War es Ihr Mädchentraum, Apothekerin zu werden? In keiner Weise. Auf den Geschmack dieses Berufs hat mich erst später eine Lehrerin gebracht, die eine exzellente Apothekerin gewesen ist. Bedeuten Substanzen Ihr Lebenselixier?

Ja, das sind sie in der Tat. Stoffe sind ein wundersam Ding: Nur schon der Unterschied zwischen reinen und gemischten, zwischen natürlichen und chemischen Substanzen ist ein Rätsel für sich und extrem fliessend. Die Pharmazie ist faszinierend, da sie Bereiche der Medizin, der Biologie und der Chemie kombiniert. Wieso brauchen die Menschen immer mehr Medikamente? Durch den Fortschritt in der Medizin werden die Menschen älter. Dies macht sich in unserer Gesellschaft durch einen erhöhten Medikamentenkonsum und -bedarf bemerkbar. Was mir derweil bei den Einsiedlern aufgefallen ist: Sie leben durchaus gesundheitsbewusst und bewegen sich viel in der Natur. Mit einem solchen Leben braucht man natürlich automatisch weniger Medikamente.

Foto: Magnus Leibundgut

Judith Robatscher

Jahrgang: 1970 Wohnort: Einsiedeln Beruf: Apothekerin, Geschäftsführerin

Hobbys: Wandern, Langlaufen, Singen, Reisen, Golfen

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