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Wo ist die Milch?

FANNY REUTIMANN

Vor der Haustüre der Zwischenluegeten 3 haben wir deren sechs. Im Quartier stehen bestimmt einige Dutzend. Und in ganz Einsiedeln geschätzt mehrere Tausend. Zu jedem Briefkasten exakt eines. Die Schweizerische Post schreibt das so vor. Was heutzutage schnöde und bar jeglicher Nostalgie «Ablagefach» oder «Paketfach» heisst, ist den meisten Leuten noch immer unter dem Begriff «Milchchästli» geläufig. Tönt doch viel hübscher!

Aber von Milch gibt es weit und breit keine Spur mehr. Auch nicht von Milchmännern, die in früheren Jahren die Milch in eben diese Milchchästli gestellt haben. Der Mensch des 21. Jahrhunderts lässt sich die Milch nicht mehr bringen, sondern läuft ihr gewissermassen hinterher. Dafür deponiert im Milchchästli der Pöstler sperrige Umschläge, Zalando- Päckli und wenns pressiert auch die Zeitung.

Ich mag es, meinen Dani mit kleinen Sächeli zu überraschen und ihm meine Liebe ab und zu auf unkonventionelle Art mitzuteilen. Zum Beispiel, indem ich ein paar Schoggi-Herzli im Milchchästli deponiere, die er – basierend auf sorgfältigem Kalkül – vor mir «entdecken» müsste. So ein Schoggi-Herzli verfehlt seine Wirkung nie. Vor allem dann nicht, wenn es in rote Folie gewickelt ist. Aber der Schuss ist auch schon mal nach hinten losgegangen. Wie ich mittlerweile weiss, muss einer der Pöstler, der die Zwischenluegeten bedient, ein Faible für Süssigkeiten haben. Was der wohl für Rückschlüsse aus dem Schoggi-Herzli gezogen hat? Zumindest hoffe ich, damit seinen Geschmack getroffen zu haben.

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Fanny Reutimann (56) mag selber sehr gerne Schoggi und liebt es, anderen das Leben zu versüssen. Allen voran natürlich ihrem Dani, aber wenn es sich nicht umgehen lässt, auch dem Pöstler.

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