Veröffentlicht am

Jetzt ist die Ausbildung für mich Hobby!

Jetzt ist die Ausbildung für mich Hobby! Jetzt ist die Ausbildung für mich Hobby!

Das ist typisch Karin Elsener, dass sie mit 54 Jahren eine neue Herausforderung anpackt. Die Einsiedlerin hat soeben eine kaufmännische Lehre mit Berufsmatura begonnen und ist damit weitaus die älteste Stiftin im Kanton Schwyz. Für sie ist ihre Ausbildung Hobby, verfügt sie doch schon über eine grosse Berufserfahrung.

MARLIES MATHIS

Wie um alles in der Welt kommen Sie auf die Idee, im Alter von 54 Jahren eine kaufmännische Lehre mit Berufsmatura zu absolvieren? In meiner Vergangenheit gab es die Möglichkeit für eine Berufsausbildung nicht, und nun habe ich den Wunsch, mir diese zu gönnen. Für meinen Lebensunterhalt bin ich nicht auf ein Diplom angewiesen, und darum wage ich mich an den Abschluss Berufsmatura. Was ist der Reiz daran, sich in diesem «reifen» Alter hinter die Bücher oder heute wohl besser hinter den PC zu setzen und in der Freizeit Hausaufgaben zu lösen und für Prüfungen zu lernen?

Zurzeit gibt es keinen Partner in meinem Leben, und alt zu werden ohne Herausforderung ist für mich eine grauenvolle Vorstellung. Mein Herz schlägt für alte Legenden, also warum im Alter nicht ein Studium beginnen, welches es mir ermöglicht, meiner Leidenschaft Rechnung zu tragen? Man sollte bekanntlich immer ein Fernziel im Auge behalten, wenn man vorwärtskommen will.

Was muss man für einen Charakter haben, um diese dreijährige Herausforderung anzunehmen?

Ich denke, etwas wissbegierig und abenteuerlustig sollte man schon sein, und Zeit für sich zu haben, wäre auch von Vorteil. Ausserdem war es früher schon so, und diese Eigenschaft ist bis heute unverändert, dass ich alles behalten konnte, was mich interessierte, und alles andere blieb mir nicht. Das ist wie Göschenen–Airolo. Ich bin zwar öfters durchgefahren, aber ich kenne vieles nur oberflächlich. Denken Sie, es hat für Sie mehr Vor- als Nachteile, erst in diesem Alter eine KV-Lehre zu absolvieren?

Für mich gibt es keinen Nachteil. Jetzt ist die Ausbildung für mich Hobby, und ich freue mich wie ein «Gof» auf Weihnachten! Welche Voraussetzungen mussten Sie erfüllen, um überhaupt für diese Lehre zugelassen zu werden?

Etwas überrascht wurde ich von der Auflage «Aufnahmeprüfung» in den Fächern Französisch, Englisch, Algebra, Arithmetik und Deutsch. Ich hatte knapp drei Monate Zeit, mein verstaubtes Schulwissen auf «Vorderfrau» zu bringen. Zum Glück habe ich ein grossartiges Umfeld, welches mich bei diesem Abenteuer unterstützt, und ich habe die Prüfung mit «bestanden» abgeschlossen!

Können Sie von einem Altersbonus profitieren? Meinem aktuellen Wissen nach kann ich von meinem Alter her lediglich von der Dispens vom Turnen profitieren. Es wäre wohl ein Bild für die «Nicht-Götter», mich alte Frau an den Ringen zu sehen! Sie haben ja schon eine grosse Erfahrung in Ihrer Tätigkeit als Buchhalterin, arbeiten Sie doch schon seit 29 Jahren in diesem Metier. Was können Sie in dieser Ausbildung noch lernen? Das Ziel meiner Ausbildung besteht darin, mich auf den aktuellen Wissensstand zu bringen und mir mit dem Abschluss die Türen für ein Studium zu öffnen. Klar kann ich von meiner Berufs- und Lebenserfahrung profitieren, was mir mehr Zeit verschafft, mich um meine «Angstfächer » wie zum Beispiel Französisch zu kümmern. Wie werden Sie wohl reagieren, wenn Sie aus Ihrer Praxiserfahrung mehr zu einem Thema wissen als eine Lehrperson? Ich versuche mich in Zurückhaltung zu üben, um den schulischen Ablauf nicht zu stark zu beeinflussen, denn da steht ein Zeitmanagement dahinter. Wenn meine Mitschüler nach dem Unterricht noch die eine oder andere Unterstützung brauchen, werde ich nach Möglichkeit helfen. Was denken Sie, wie werden Sie sich um all Ihre Mitschüler im Teenageralter fühlen, Sie könnten ja von allen die Mutter oder beinahe die Grossmutter sein? Und wie werden diese wohl auf Sie reagieren? Zum Glück werde ich von jungen Leuten als «coole Socke» empfunden, da mein Erscheinungsbild doch etwas auffälliger ist, als man von so einer «alten Schachtel» erwartet und ich bin für lockere Sprüche zu haben. Ja, ich könnte bereits als Grosi durchgehen, aber wer mit einer Grossmutter, wie ich und meine Schwester eine hatten, aufwachsen durfte, weiss, wie toll das sein kann. Wie haben Ihre Mitarbeiter reagiert, als Sie ihnen eröffnet haben, dass Sie noch eine Lehre absolvieren möchten? Sie sind froh, dass ich die Ausbildung mache und nicht sie «müssen », aber sie alle stehen hinter mir und verschaffen mir den nötigen Freiraum, den ich zum Lernen benötigen werde. Sie haben ja im Team sicher auch jemanden, der Sie als Lehrling «betreuen muss». Wie lösen Sie das? Meiner Schwester Isabella und mir gehört das Geschäft, und meine Nichte Melina, die kürzlich erfolgreich die eidgenössische Fachausbildung Finanzfachfrau abgeschlossen hat, ist Mitglied in der Geschäftsführung. Sie ist ab November mitverantwortlich, was die Lehrlingsbetreuung betrifft. Somit schliesst sich der Kreis, wurde doch meine Nichte von mir und meiner Schwester ausgebildet, und nun schlüpft sie in «meine alte» Rolle und bildet, zusammen mit Daniel Reichmuth, mich aus!

Karin Elsener wagt sich mit 54 Jahren an eine kaufmännische Lehre mit Berufsmatura. Foto: zvg

Share
LATEST NEWS