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Wie ein Sportunfall das Leben eines jungen Mannes zerbricht

Wie ein Sportunfall das Leben eines jungen Mannes zerbricht Wie ein Sportunfall das Leben eines jungen Mannes zerbricht

Ein von chronischen Schmerzen und schweren Schlafstörungen Geplagter aus Einsiedeln erzählt von seiner Suchtproblematik: Die Autorin Johanna Krapf hat die autobiografischen Episoden von Urs Küchler im Buch «Brüche sind erlaubt» aufgezeichnet.

MAGNUS LEIBUNDGUT

«Brüche sind erlaubt» ist die Geschichte eines jungen Mannes, dessen Leben wegen eines Sportunfalls in ein Vorher und ein Nachher zerbricht. Vorher verfolgt er seine Laufbahn als Wissenschaftler, nachher vegetiert er dahin, geplagt von chronischen Schmerzen, schweren Schlafstörungen und manischen Episoden. Was die beiden Bruchstücke seines Lebens verbindet, sind seine Liebe zur Musik, sein Spass an Spielstrategien und sein Hang zur Sucht.

Wie alles begann: An einem Fussballgrümpelturnier im Hochschulsport setzt Urs Küchler zum Kopfball an, wird gefoult und verletzt sich dabei am Rücken. Ein massiver Bandscheibenvorfall zeitigt Folgen: Fortan leidet Urs Küchler Tag und Nacht unter chronischen Schmerzen, kann nicht mehr sitzen und wacht jede Nacht unzählige Male wegen der Schulter und wegen eines ins Bein ausstrahlenden Schmerzes auf. Wie einer den Boden unter den Füssen verliert und sich selbst Von heute auf morgen fällt Urs Küchler aus dem Arbeitsprozess heraus, hat viel zu viel Zeit zum Nachdenken, fühlt sich von seinem sozialen Umfeld im Stich gelassen: Niemand will seine Leidensgeschichte hören, dass ein solcher Mensch nicht mehr zurechtkommt mit seiner Situation. Urs Küchler bricht sein Physik- und Biotechnologiestudium ab, verlässt seine Vierer-Wohngemeinschaft, verliert Freunde und sein ganzes bisheriges Leben: Fortan ringt Urs Küchler damit, einen Platz in der Gesellschaft zu finden und nicht vollends aus allem herauszufallen – im freien Fall.

Das Pokern, eine unglückliche Liebesbeziehung und die Folgen des verheerenden Sportunfalls – die ständigen Schmerzen und vor allem die Folter der Schlaflosigkeit – treiben Urs Küchler an den Rand der Erschöpfung und des Wahnsinns: Er verliert den Boden unter den Füssen, er verliert sich selbst: «Die Gedanken haspeln sich immer schneller ab, verwickeln und verknoten sich, würgen mich rasend, rauben mir den Verstand. Die Gedanken machen mir Angst, werde ich überwacht, wem gehören die Gedanken. Wer bin ich – ich, der Intellektuelle, der Musiker, der Spieler, der Liebeshungrige, der Unsichere, der Messias, der Asperger-Betroffene, der Manische. Ich hasse mein Ich. Ich bin verliebt in mich selbst. Ich bin euphorisch. Ich bin am Boden zerstört.»

«Die Musik ist mein Lebenselixier»

Urs Küchler erzählt seine Geschichte, damit andere Menschen, die von chronischen Schmerzen betroffen sind, sehen, dass sie nicht allein sind, damit junge Menschen ihren Horizont erweitern können und damit alle, die ihn kennen, ihn besser verstehen.

Er möchte die Geschichte erzählen eines spielfreudigen, an Spieltheorie und -strategie interessierten, eines knobelnden, Zahlen und Rätsel liebenden Menschen, der ganz allmählich in den Strudel der Spielsucht gerät.

Urs Küchler hofft, dass er Menschen im Umgang mit der Spielsucht Hand bieten kann: Spiele, Spielstrategien und Strategien überhaupt fungieren denn auch als Spannungsbogen im Werk «Brüche sind erlaubt», indem jedes der Kapitel im Buch mit einem kurzen Text zu diesem Thema beginnt.

Bleibt die Frage, ob sich Urs Küchler von der Sucht befreien konnte: «Nun, ich pokere immer noch hin und wieder, aber nicht mehr getrieben von der Sucht, sondern aus reiner Spielfreude. Von der Sucht losgekommen bin ich vor allem dank der Musik. Die Musik ist mein Lebenselixier. » Das Buch handelt aber auch von der Frage, wer, was, wo Gott ist und ob es Gott überhaupt gibt: «Ich selbst habe keine Antwort auf diese Fragen. Aber die Suche nach Gott treibt mich um, immer. Liebe ist Gott, und Gott ist die Liebe.»

Johanna Krapf: «Brüche sind erlaubt – Ein von chronischen Schmerzen Geplagter erzählt von seiner Suchtproblematik». Das 124 Seiten umfassende Buch wurde im Jahr 2020 im Self-Publishing-Verlag Twentysix herausgegeben.

Menschen faszinieren Johanna Krapf zutiefst. Aus diesem Grund schreibt die Autorin ihre Bücher nicht allein, sondern zusammen mit anderen Menschen.

Ein Titel im Doppelsinn: Im vergangenen Jahr ist das Werk «Brüche sind erlaubt» von Johanna Krapf erschienen.

Fotos: zvg

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