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Dem Immunsystem der Kinder fehlt das Training

Im Kanton Schwyz kommt es in diesem Sommer vermehrt zu Infektionen mit dem RS-Virus. Welche Rolle spielen das Coronavirus und das Wetter?

PETRA IMSAND

«Gefährlicher als Corona», «Fallzahlen explodieren» oder «Spitäler müssen Kinder abweisen»: Das RS-Virus, kurz RSV, sorgt derzeit über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen. RS-Viren sind für die meisten Fälle von akuter Bronchitis bei Säuglingen und kleinen Kindern verantwortlich. Symptome wie Schnupfen, starker Husten und Fieber treten auf. Oft kommt es als Zusatzinfektion zu einer Mittelohrentzündung. Die häufigsten Komplikationen sind Lungenentzündungen, die bei bis zu 40 Prozent der hospitalisierten Fälle auftreten, insbesondere bei Säuglingen und Kindern unter zwei Jahren. Doch auch ältere Menschen können schwer erkranken.

Stellen Kantone wie Zürich oder Wallis einen virusbedingten Anstieg an Spitaleinweisungen von Kleinkindern fest, sind im Spital Schwyz gemäss Anfrage kaum Fälle im Haus.

Maske schützt auch vor anderen Ansteckungen Kinderarzt Roland Kracht vom Ärztehaus Brunnen hatte Fälle von RSV-Infektionen in seiner Praxis. Das ist untypisch für die Jahreszeit. Denn für gewöhnlich geht das Virus von Oktober bis März um. Einen Anstieg verzeichnete der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin im Juni und Juli.

Doch wieso treten die Infektionen statt in den Wintermonaten nun im Sommer auf? Und hat dies unmittelbar mit der Corona- Pandemie zu tun? Roland Kracht erklärt sich das Phänomen wie folgt: «Die Maske schützt uns nicht nur vor Corona, sondern auch vor anderen durch Tröpfchen und Aerosole übertragbaren Krankheiten. Die klassischen Infektionskrankheiten – die Grippe ist dafür vielleicht das beste Beispiel – hatten im letzten Winter aufgrund der Maskenpflicht eine deutlich verminderte Inzidenz.» Hinzu kommt, dass sich die Bevölkerung nur noch eingeschränkt getroffen und mit potenziell infektiösen Menschen Kontakt gehabt hat. «Somit haben die Schutzmassnahmen die Ausbreitung von Covid-19 reduziert, aber auch die Ausbreitung anderer Infektionskrankheiten verhindert. Die RSV-Fälle könnten somit eine Folge der sommerlichen Lockerungen der Schutzmassnahmen als auch der instabilen klimatischen Veränderungen mit Kälte und Regen – was jahreszeitlich untypisch war – geschuldet sein.» Ohne Masken breiten sich Krankheiten schnell aus Massnahmen wie Social Distancing, Maskentragen oder Kontaktbeschränkungen helfen also nicht nur gegen das Coronavirus, sondern auch gegen andere Erreger. «Solange wir Masken tragen, werden alle Infektionskrankheiten eine verminderte Inzidenz haben. Allerdings denke ich, dass die bisherige jahreszeitliche und damit ans Klima gekoppelte Dynamik bestehen bleiben wird», so Kracht. Ohne Maskentragen werde es wohl schnell wieder «back to normal» gehen.

Dennoch könne es sein, dass die verminderte Exposition der Gesellschaft auch eine verstärkte Infektanfälligkeit nach sich ziehe. «In den Kitas, so viel darf ich jetzt schon sagen, stecken sich die Kinder aber weiterhin tüchtig gegenseitig an. Im Juli hatten wir gehäuft Magen-Darminfekte und neben RSV auch andere Luftwegsinfekte. Der August war bislang geprägt von einem Ausbruch der Hand-Mund-Fuss-Krankheit. Die Kinder tragen aber auch keine Maske.»

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