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«Wir sind in der Feuerwehr da, um anderen zu helfen»

«Wir sind in der Feuerwehr da,  um anderen zu helfen» «Wir sind in der Feuerwehr da,  um anderen zu helfen»

Feuerwehrsoldat Peter Schuler kämpfte Sonntag und Montag mit seinen Kameraden gegen die Wassermassen. Er stand mehr als 26 Stunden im Einsatz.

VICTOR KÄLIN

Wie haben Sie die Unwetter von Sonntag und Montag erlebt?

Im Einsatz mit der Feuerwehr Einsiedeln. Ich war hauptsächlich für Transporte, das Auspumpen von Kellern und das Material verantwortlich. Unsere Feuerwehr ist gut organisiert und weiss bei Hochwassergefahren richtig zu reagieren. Und auch der Grundsatz, dass nach dem Einsatz vor dem Einsatz ist, hat sich bewahrheitet … Inwiefern?

Als am Montag um 14.30 Uhr alles Material wieder einsatzbereit war, ging es genau 70 Minuten bis zum nächsten Alarm! Wo lag die Schwierigkeit der Einsätze? Der Montag war kritischer als der Sonntag. Die Alp drohte grossflächig über die Ufer zu schwappen. Gleichzeitig hielten sich viele Schaulustige im Gefahrenbereich auf. Viele davon hatten keine Freude daran, von uns weggewiesen zu werden. Es gab solche, die räumten bei den Fussgängerbrücken am Bahnhofkreisel gar die Absperrung weg, um auf die andere Seite zu kommen.

Dieses Verhalten steht für mich im Widerspruch zu jenen Personen, welche persönlich von Feuer oder Hochwasser betroffen sind. Bei diesen hören wir oft: Schön, dass es euch gibt. Gut, seid ihr hier. Das Verhalten der Schaulustigen machte uns echt Sorge. Wie gefährlich waren die Unwetter von Sonntag und Montag effektiv?

Die Wassergefahr war nicht zu unterschätzen – gerade bei Kellern oder Tiefgaragen. Da strömt so viel Wasser hinein, da kommt man zu Fuss nicht mehr heraus. Insgesamt hatten wir jedoch Glück gehabt: Es gab zwar Elementar- Schäden, aber keine Verletzten.

Mit welchen Gefühlen rückten Sie zum Beispiel am Montag aus, als es hiess, die Alp kommt? Der erste Alarm galt nicht der Alp, sondern einer überschwemmten Wohnung. Die Alp rückte erst einige Minuten später in den Fokus: Sie stieg sehr schnell sehr stark an. (Anmerkung: Man beachte die untenstehende Grafik).

Funktioniert man in einer Gefahrensituation automatisch – oder bleibt da Zeit für Gedanken, dass es auch für einen persönlich gefährlich sein kann? Wir Feuerwehrleute sind geschult auf Gefahren. Trotz aller Vorsichtsmassnahmen muss aber jeder von uns selbst die Augen offen halten und um seine Sicherheit besorgt sein.

Wie lange standen Sie am Sonntag und Montag im Einsatz?

Am Sonntag dauerte mein Einsatz von 13.30 bis 23 Uhr. Am Montag gehörte ich zu jenem Team, welches das Material wieder auf Vordermann brachte. Das dauerte von 10 bis 14.30 Uhr. Und um 15.40 Uhr kam bereits der nächste Alarm. Am Dienstagmorgen war um 3 Uhr dann auch für mich Schluss: Alles Material war wieder OK. Wie gesagt: Man weiss nie, wann der nächste Alarm kommt. Waren Sie am Dienstagmorgen fix und fertig?

(schüttelt den Kopf) Nein!

Was machen Sie, wenn der Einsatz fertig ist? Wie managen Sie das körperlich und mental? Nach dem offiziellen Einsatz kommt immer das Gespräch mit den Feuerwehr-Kameraden. Meistens tauschen wir uns noch im Feuerwehrlokal aus. Wir erkundigen uns, wie es den anderen ergangen ist, diskutieren, was man ein nächstes Mal besser machen kann. Alles in einem geselligen Rahmen. Gehen Sie nach Einsätzen ganz normal zurück zur Arbeit, zu Freunden? Ja. Auch wenn ich um 3 Uhr ins Bett komme, stehe ich um 6.30 Uhr auf. Ich bin dann zwar etwas müde und brauche einen Kaffee. Und schon geht es im Geschäft weiter. Am letzten Dienstag auch?

Am Dienstag hatte ich Ferien. Ich wachte trotzdem um 7 Uhr auf. Der Alltagsrhythmus lässt grüssen. Wie erholen Sie sich am besten?

(überlegt) Meine Hobbys sind für mich Erholung. Ich spiele Handorgel und Schwyzerörgeli – unter anderem im Ländlertrio Schuler-Wiget. Dann suche ich im Auftrag der Bauern per Drohne nach Rehkitzen, ehe sie die Wiese mähen. Ich habe lieber etwas zu tun; faul herumzuliegen passt mir nicht. Sie sind seit neun Jahren bei der Feuerwehr. Wenn der Pager piepst, dann lassen Sie die Arbeit liegen und düsen davon? Das ist nicht immer möglich. Zuerst muss beim Kunden zurückgefragt und die Arbeit verteilt werden. Dabei mache ich die Erfahrung, dass praktisch alle Kunden mit einer Verschiebung des Termins einverstanden sind, wenn sie den Grund erfahren. Erst wenn alles geklärt ist, rücke ich aus. Ihr Arbeitgeber ist die Firma A. Iten AG: Sind die Chefs erfreut, wenn Sie dauernd die Arbeit liegen lassen?

Patrick und Alfons Iten unterstützen mein Feuerwehr-Engagement wo immer möglich. Der Firma entsteht kein finanzieller Schaden. Ich muss ausstempeln und mit Vorhol- oder Nachholzeit selber schauen, wie ich auf meine Stunden komme. Wenn ich um 17 Uhr von einem Feuerwehr-Einsatz zurückkomme, dann arbeite ich halt etwas länger – oder beginne am anderen Morgen etwas früher. Wie oft müssen Sie wegen der Feuerwehr von der Arbeit weg? Geschätzte 20 bis 30 Mal pro Jahr. Ist Ihre Zugehörigkeit zur Feuerwehr Einsiedeln für Ihren Arbeitgeber grundsätzlich kein Problem? Nein. Die Itens wissen, dass nicht alle Feuerwehrleute in Einsiedeln arbeiten, weshalb der zur Verfügung stehende Bestand tagsüber kleiner ist. Und Sie selbst: Belasten Sie die Einsätze zu allen Tages- und Nachtzeiten – oder nur schon der Umstand, nicht zu wissen, wann es wieder los geht? Nein. Überhaupt nicht. Wir sind in der Feuerwehr, um anderen zu helfen. Wer das nicht verinnerlichen kann, ist im falschen Verein.

Werden Sie für Ihre Einsätze entlöhnt? Ja. Es gibt eine Entschädigung pro Arbeitsstunde, den Feuerwehr- Sold.

Wie hoch ist der?

Der Sold für Einsätze beträgt 40 Franken pro Stunde, wobei Nacht- und Sonntagsarbeiten nicht speziell besoldet werden. Letztlich geht es uns nicht um das Geld. Deswegen ist niemand bei der Feuerwehr. Umso grösser ist dafür unsere Freude, wenn es Dank und Anerkennung gibt. Das ist für uns der grösste Sold. Was hält Sie bei der Feuerwehr Einsiedeln? Die Kameradschaft! In der Feuerwehr kann ich zu jeder Tagesund Nachtzeit auf jeden einzelnen zählen. Das gilt insbesondere beim Atemschutz. Du gehst mit Deinem Kameraden in den Rauch und unternimmst alles, um mit ihm da auch wieder herauszukommen. Da muss man sich aufeinander verlassen können – das kann unter Umständen überlebenswichtig sein. In einer Extremsituation musst du deinem Kameraden mehr vertrauen als zum Beispiel deiner Frau oder Freundin. Dein Leben hängt davon ab. Die Arbeit in der Feuerwehr schweisst zusammen.

Zur Person

Name: Peter Schuler Jahrgang: 1992 Wohnort: Trachslau Beruf: Sanitär-Servicemonteur Arbeitgeber: A. Iten AG Zivilstand: ledig Bei der Feuerwehr: seit 2012 Feuerwehr-Grad: Soldat Feuerwehr-Funktion: tätig als Chauffeur, in Atemschutz und Absturz-Sicherung Hobbys: Musik (Handorgel und Schwyzerörgeli)

«Die Arbeit in der Feuerwehr schweisst zusammen»: Peter Schuler, 29-jährig und seit neun Jahren Einsiedler Korpsmitglied.

Foto: Victor Kälin

Aus dem Einsatzalltag eines Einsiedler Feuerwehrsoldaten: Peter Schuler installiert im Dorfbach eine Ölsperre.

Archivfoto: zvg

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