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Das Monatsgespräch im Juli

Das Monatsgespräch im Juli Das Monatsgespräch im Juli

Franziska Keller trifft Angela Schnüriger, Zahntechnikerin und alles andere als 0815

Jahrgang: 2000 Bürgerort: Rothenthurm Geburtsort: Einsiedeln Wohnort: Einsiedeln Ich kenne Angela Schnüriger schon seit ihrer Kindheit. Inzwischen ist sie erwachsen geworden und wir unterhalten uns bei einem Mittagessen über das Leben und was sie in den vergangenen Monaten gemacht hat. Ich erkenne sie fast nicht wieder.

Zwischen zwei Bissen und diesmal ganz spontan frage ich sie, ob sie meine nächste Gesprächspartnerin sein möchte. Angela hat interessante Ansichten, geht ihren Weg nicht nur geradeaus, liebt die Abwechslung, die Herausforderung, das andere. Und rein äusserlich hat sie gar eine gewisse Ähnlichkeit mit einem bekannten englischen Sänger. Was für ein verregneter Sommeranfang. Bist du ein Badityp oder wie verbringst du generell heisse Sommertage? Ich bin nicht wirklich ein Badityp, sondern gehe als Naturtyp lieber wandern. Kleinere und mittlere Touren und unseren Hausberg, den Mythen, besteige ich mit den richtigen Schuhen immer wieder gern. Gerne bin ich auch im Wald. Unsere Familie hat im Tessin ein Ferienhäuschen und da verbringe ich Stunden im dortigen Birken- und Buchenwald. Worauf achtest du bei einem Menschen, wenn du ihn zum ersten Mal triffst? Auf die Ausstrahlung, ob mir die Person sympathisch ist und das Lächeln. Ich nehme wahr, wie sie mit anderen Menschen umgeht. Und natürlich achte ich mich auch immer auf die Zähne – berufsbedingt.

Da denke ich mir etwa: «Dieser Mensch hat jetzt noch schöne Zähne … gute Zahnstellung … ein schöner Schwung.» Mir fällt auch auf, wenn eine Krone farblich überhaupt nicht passt und denke mir dann: «Das hätte noch besser gehen können.» Und anhand der Zähne merke ich mir die Menschen. Ist ja verständlich, du als ausgebildete Zahntechnikerin. Werden heute zu viele Schönheitskorrekturen vorgenommen oder darf ein Zahn auch mal als besonderes Merkmal krumm stehen? Ich persönlich finde es schön, wenn die Zähne ein wenig schräg stehen – wenn jemand ein wenig Leben im Mund hat. Es sind auch nicht alle Gebisse dafür gemacht, gerade zu sein. Bleiben wir noch einen Moment beim Äusserlichen: Wirst du oft mit Ed Sheeran, dem englischen Songwriter, verglichen? (Lacht). Ja, das wurde mir schon öfter gesagt. Als ich zum ersten Mal darauf angesprochen wurde, musste ich lachen, musste beim Fotovergleich dann sogar selbst eine gewisse Ähnlichkeit feststellen. Du hast im Frühling 18 Wochen die RS als Militärpolizei Sicherungssoldat in Sion, Sitten, absolviert. Was hat dich bewogen, ins Militär zu gehen? Ich mag grosse Maschinen und bewundere Menschen in Uniformen. Zusätzlich war da der Wille, den Männern zu zeigen, dass ich das als Frau auch kann und ich sagte mir: «Entweder jetzt oder nie.» Ich entschied mich für die RS, um mich nicht irgendwann fragen zu müssen, wie es wohl gewesen wäre – auch in Anbetracht, dass es ein «Säich» hätte sein können. Rückblickend auf diese Zeit: Was war «Säich», was war gut? Ich habe viele gute Erlebnisse mitgenommen: Kameradschaft, coole Übungen, einen Einblick in diese Militärwelt und verstehe jetzt, was die Jungs erzählen. Es gibt schon das eine und andere Negative: Die Organisation war oft nicht der «Burner» oder die sinnlosen Kollektivstrafen. Die Romands ticken schon anders als wir Deutschschweizer. Sie nahmen einiges gemütlicher als wir, so im Stil von: «Das machi nöd» – worunter dann der ganze Zug litt.

Und es gab immer wieder sinnlose Leerläufe. Ich war ja nur Soldat, hätte ich einen anderen Rang, hätte ich vielleicht eine andere Sichtweise. Du sprichst von Soldat – auch von dir selbst? Es ist vorgekommen, dass ich als Soldatin angesprochen wurde. Aber grundsätzlich werden auch wir Frauen Soldat, also in der männlichen Form, genannt. Ich sagte etwa: «Wachtmeister, Soldat Schnüriger». Erst den Grad des Angesprochenen, dann meinen Grad. Wenn ich gleich behandelt werde wie die Männer, ist mir eigentlich egal, wenn ich mit der männlichen Form angesprochen werde. Wie ist es, als eine von 12 Rekrutinnen in einer Kompanie mit 250 Männern unterwegs zu sein? Ich bin aufgefallen und uns Frauen hat man in der Kaserne gekannt. Da tönte es dann oft: «Sali Schnüriger, du bisch det gsi.» Oder «Du häsch no es Päckli. » Es war amüsant und in der weiblichen Minderheit ging es sicher länger, bis es Zickenkrieg gab. Dieser brach dann aber auch unter den Männern gegen Ende der RS aus. Findest du, dass in Folge der Gleichberechtigung auch die Frauen eine Militärpflicht haben sollten?

Vielleich nicht unbedingt die Militärpflicht, aber ich fände es sinnvoll, wenn auch sie einen Sozialeinsatz machen müssen. Gleichzeitig meine ich, dass auch nicht alle Männer zum Militär gehen müssen. Auch sie sollten wählen können. Grundsätzlich bekommen wir doch viel von unserem Land und da ist es schön, etwas zurückzugeben.

Was möchtest du in deinem Leben gerne noch angehen, umsetzen, erreichen? Ich bin gerade dran, meine Zukunft anzuschauen und meinen Weg zu suchen. Ich glaube nicht, dass mein Lebensweg so gradlinig ist, da ich in mir den Drang verspüre, etwas Spezielles anzugehen. 0815 ist nicht mein Ding. Was fehlt dir für junge Menschen bei uns in Einsiedeln? Ein schöner Platz draussen, an dem wir uns aufhalten können. Vielleicht bewirkt ja unsere neu gewählte Frau im Bezirksrat diesbezüglich etwas. Was meinst du dazu, dass es im 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts endlich eine zweite Frau in den Bezirksrat geschafft hat?

Ich kenne sie persönlich nicht, habe auch nichts von ihr gehört, finde es aber gut, Frauen in der Politik zu haben – es sollte durchmischt sein. Frauen haben eine andere Denk- und Vorgehensweise als Männer. Bist du politisch interessiert?

Ich stimme immer ab, aber ich würde selbst nicht einer Partei beitreten. Wo liegen deine weiteren Interessen?

Ich arbeite sehr gerne mit Holz und habe angefangen, mit der Motorsäge Holzskulpturen herzustellen. Sie fallen im Moment noch etwas grob aus, aber ich hoffe, dass ich es irgendwann filigraner schaffe. Grundsätzlich mag ich es, wenn etwas läuft, wenn ich etwas anpacken kann. Nur daheimsitzen ist nichts für mich. Was würdest du auf der Welt verändern, hättest du die Möglichkeit?

Weltfrieden. Eine blöde Antwort. Aber im Krieg passiert so viel Unnötiges. Wenn sich die Oberen bekriegen, leiden die Unteren. Das ist einfach sinnlos, schade und bringt so viel Leid.

Von Franziska Keller

Foto: Franziska Keller

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