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Einsiedler Benediktiner wirkten beim Zwangsmissionieren mit

Einsiedler Benediktiner wirkten beim Zwangsmissionieren mit Einsiedler Benediktiner wirkten beim Zwangsmissionieren mit

Hunderte indigene Kinder sind in Nordamerika gestorben, als sie zum Christentum bekehrt wurden. Auch Schweizer Ordensleute waren dort tätig. Abt Urban verurteilt die Zwangsmission von Kindern durch Schweizer Mönche.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Kinder der Urbevölkerung wurden in Zwangsinternate gesteckt und missbraucht. Tausende starben an Tuberkulose. Katholische Missionare aus der Schweiz waren Teil des Systems. Mehrere Berichte über Massengräber offenbarten in den vergangenen Wochen, wie grausam die Behörden in Kanada jahrzehntelang mit indigenen Kindern umgingen.

Vor Schuleinrichtungen, in der Provinz British Columbia sowie in der Provinz Saskatchewan wurden insgesamt fast tausend Gräber gefunden. Noch immer ist das ganze Ausmass des Schreckens nicht erkennbar. Ehemalige Schulgelände im ganzen Land werden untersucht. Die Stimmen mehren sich, die eine rigorose Aufarbeitung des Themas fordern. Die Tamedia- Zeitungen berichten nun über die Arbeit eines Historikers, der aufzeigt, wie Schweizer Missionare Teil des Systems waren.

«Töte den Indianer, aber rette den Menschen» Der Luzerner Historiker Manuel Menrath schätzt, dass ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rund 150’000 Kinder in Kanada von ihren Eltern getrennt und in Internate gesteckt wurden. Dort verboten ihnen die Schulbehörden ihre Muttersprache und Bräuche. Die Kinder sollten so an die weisse Mehrheitsgesellschaft assimiliert werden.

Es kam zu sexuellem und physischem Missbrauch, und offenbar verstarben Tausende von ihnen an Tuberkulose – die jüngsten waren erst sieben Jahre alt. Die Nachwirkungen dieses dunklen Kapitels der kanadischen Geschichte sind bis heute spürbar. Überlebende leiden oftmals an Alkohol- und Drogenmissbrauch, Depressionen oder suizidieren sich gar.

ÜberlebendederInternatehaben Menrath erzählt, wie sie von Schweizern missioniert wurden. Ihre Geschichte hat der Historiker aufgearbeitet. Die Missionare kamen aus Klöstern wie Engelberg und Einsiedeln und wurden in Nordamerika Teil des repressiven Systems. «Töte den Indianer, aber rette den Menschen» sei ein Leitspruch gewesen.

Bischof Martin Marty hat Sioux-Indianer missioniert Der Mönch Martin Marty sei beispielsweise aus Einsiedeln nach Kanada ausgewandert, um dort den berühmten Häuptling Sitting Bull zu «bekehren», heisst es in Menraths Buch «Mission Sitting Bull».

Laut dem Historiker bestand ein Zusammenhang zwischen den Geschehnissen in der Schweiz und der Emigration nach Nordamerika. Viele Schweizer Katholiken versuchten, mit der Auswanderung den Kämpfen in der Heimat zu entkommen, wo die liberalen Kräfte im Zuge des Sonderbundkriegs mehrere Klöster schlossen. In den USA und Kanada zeugen mehrere Klostergründe, wie das St. Meinrad im Bundesstaat Indiana, von dieser Geschichte.

Abt Urban bestätigt, dass der Einsiedler Benediktiner Martin Marty vom Tochterkloster St. Meinrad aus unter den Indigenen missioniert habe: Die Kultur der indigenen Völker sei europäisiert und zivilisiert, respektlos zerstört worden.

Die Kirche müsse für die Leichenfunde Verantwortung übernehmen, findet Abt Urban: Die Aufarbeitung müsse aber vor Ort in Kanada und in den USA erfolgen, nicht in Einsiedeln. Im Archiv des Klosters Einsiedeln werde man kaum etwas dazu finden. Abt Urban weist darauf hin, dass es auch in der Schweiz ein kulturelles Phänomen gewesen sei, vermeintlich verwahrloste Kinder zu zivilisieren: So habe es das «Hilfswerk für Kinder der Landstrasse» gegeben, und Kinder seien zwangsversorgt worden.

Urban Federer, Abt im Kloster Einsiedeln, ist schockiert und beschämt über die Leichenfunde bei katholischen Internaten in Kanada.

Foto: zvg

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