«Tranquillo, muy tranquillo»
Seit drei Jahren lebt Maya von Burg mit ihrer Familie in Paraguay auf dem Land – es gefällt ihr dort sehr
Wie ist es, sein altes Leben gegen ein völlig neues einzutauschen? Maya von Burg lebt seit drei Jahren mit ihrer Familie auf einer Farm in Paraguay. Die 56-jährige frühere Einsiedlerin fühlt sich sehr wohl in dem südamerikanischen Land.
WOLFGANG HOLZ
«Tranquillo» ist das erste Wort, das Maya von Burg spontan im Gespräch über ihre neue Heimat zu entlocken ist. «Tranquillo» – zu deutsch: ruhig – zaubert ein Lächeln der Zufriedenheit auf ihr Gesicht. Eine Art von Relaxedness, die sofort ansteckend wirkt.
Denn mit «tranquillo» meint die 56-jährige frühere Einsiedlerin nicht nur die akustische Ruhe in der Natur, die sie auf ihrer «Estancia » in Paraguay wohlig umfängt und geniesst. Nein, in diesem «tranquillo» schimmert so eine südländische Lässigkeit durch: Eine Haltung gegenüber dem Leben, in dem zwar nicht alles perfekt ist. In dem man aber auch nicht alles so ernst nimmt. In dem es vor allem viel entschleunigter und entspannter zugeht als in hektischen europäischen Gefilden. «Man fühlt sich hier extrem frei und nicht so reglementiert. Und vor allem ist es hier die meiste Zeit des Jahres angenehm warm.» Ausgewandert vor drei Jahren
Vor drei Jahren ist die gelernte Kindergärtnerin nach Südamerika in das dünnbesiedelte Paraguay ausgewandert – und sie hat diesen Schritt bis jetzt überhaupt nicht bereut. Mit Ehemann Urs (66), mit dem sie schon seit 25 Jahren verheiratet ist, und mit ihrem Sohn Noel (22) – einem ihrer vier erwachsenen Kinder – lebt sie mitten in der Pampa. Und fühlt sich pudelwohl. Auf einer Farm mit einem hügeligen Umschwung von 100 Hektar Land.
«Es war überhaupt kein Problem, das Land zu erwerben», sagt Maya von Burg. Mittlerweile betreibt sie mit ihrer Familie und drei, vier paraguayanischen Mitarbeitern Viehzucht und baut Obst und Gemüse an.
Kühe, Schweine, Schafe …
«Das Klima ist subtropisch, und es wächst hier quasi alles», beschreibt sie die fast paradiesischen Bedingungen für Landwirtschaft. Rund 60 Jersey-Kühe, die tagaus tagein draussen grasen, gehören zur Farm. «Wir haben aber auch Hühner, Schweine, Schafe, Pferde und sage und schreibe eine ganze Eselfamilie. » Neben der Viehzucht kultivieren sie Fruchtbäume und ernten Orangen, Grapefruits, Papayas, Mandarinen. «Und wir haben Felder für den Gemüseanbau: für Maniok, Kartoffeln, Bohnen und Mais. Maya von Burg und ihre Familie, die rund eine halbe Autostunde von der nächst grösseren Regionalstadt und dreieinhalb Stunden von Asuncion, der paraguaynischen Metropole, leben, sind echte Selbstversorger.
Denn von den Produkten, die sie erzeugen, verkaufen Maya von Burg und ihr Mann bislang nur wenig auf dem Markt. Grund: Neben der Landwirtschaft, die sie betreiben, haben sie noch ein weiteres Standbein. «Wir führen eine Posada – also eine Art Gäste-Lodge», erzählt die 56-Jährige. Über acht Betten verfügt das Landgut – und nicht nur das.
Die Gäste, zumeist Paraguayaner, die mit dem Auto anreisen, können auch einen von Palmen beschatteten Naturpool mitbenützen. Eine Übernachtung ohne Frühstück kostet umgerechnet 68 Franken. Hochsaison sei Januar bis März. Wobei der Brunch im «El Sabor de la Joya» – so heisst die Posada – besonders beliebt bei den Gästen ist. Manche würden dafür sogar stundenlange Wege auf sich nehmen. Kein Wunder. Vom selbstgemachten Brot, Camembert, vom Müsli über eigene Früchte und eigene Milch wird reichlich aufgetischt. «Die Paraguayaner, die zu uns kommen, geniessen vor allem die Ruhe und die Natur», sagt von Burg. Die nächste asphaltierte Strasse liegt fünf Kilometer von ihrer Farm entfernt.
Spinnen, Schlangen, Stromausfälle Doch das Leben im paraguayanischen Outback hat nicht nur schöne Natur und beschauliches Landleben zu bieten. Es gibt zum Beispiel grosse Spinnen und viele Schlangen. «An die Spinnen habe ich mich gewöhnt, ich habe eigentlich keine Angst vor ihnen, vor Giftschlangen habe ich schon mehr Respekt », räumt Maya von Burg ein.
Es sei in Paraguay auch üblich, dass man auf dem Land eine Waffe besitze, um allenfalls streunende Hunde von den Tieren fernzuhalten, sagt die 56-Jährige. Grundsätzlich sei zu beachten, dass man eingezäuntes Land nicht einfach betrete. «Wenn man jemanden besucht, klatscht man vor dem Tor zu einem fremden Grundstück in die Hände und wartet einfach, bis jemand kommt», beschreibt sie die ländlichen Gepflogenheiten.
Und dann gebe es noch die Stromausfälle auf dem Land. «Manchmal gibt es dreimal pro Woche einen Stromausfall, manchmal nur dreimal im Jahr», sagt Maya von Burg. Einen Fernseher habe sie keinen. Die Internet- Verbindung schwanke in ihrer Qualität. «Andererseits besitzen die meisten Paraguayaner ein Smartphone. Das digitale Zeitalter ist hier längst angekommen. Geld wird hier beispielsweise per Handy überwiesen.» Aber eben alles – «muy tranquillo». So lautet die Lebensdevise in diesem südamerikanischen Land, das ja bekanntlich 35 Jahre lang von Langzeit-Diktator Alfredo Stroessner bis 1989 mit harter Hand regiert wurde, die einen so manche Unbill des Lebens gut aushalten lässt. Hinzu komme die freundliche, offene, herzliche und hilfsbereite Art der Paraguayaner, die das Zusammenleben enorm erleichtere.
«Back to the roots» «Wir leben hier quasi back to the roots», sagt Maya von Burg und lacht. Für sie löst das ständige Leben und die Arbeit in der Natur eine hohe Zufriedenheit bei ihr aus. «Auch die Tatsache, dass wir uns komplett selbst versorgen können und unsere landwirtschaftlichen Produkte ganz naturnah angebaut werden, verleiht einem eine grosse Befriedigung».
Aber vermisst sie nicht trotz dieser 24-Stunden-Land-Idylle manchmal ein Konzert? Eine Kunstaustellung? Eine Theateraufführung? «Kultur ist tatsächlich weit weg», räumt Maya von Burg ein. «Es wäre schön, ab und zu welche geniessen zu können, aber das Bedürfnis danach hat für mich nicht mehr den gleichen Stellenwert wir früher.» Einen Sack voll Bücher nimmt sie aber auf jeden Fall mit zurück nach Paraguay. «Wir haben für unsere Gäste in der Posada eine kleine Bibliothek eingerichtet – für schlechte Tage», sagt sie. Sie überlege sich auch, selbst Kultur auf der Farm zu organisieren.
Und wann will sie wieder zurückkehren? «Ich weiss es nicht. Wir schauen mal, was kommt.» Sie hat sich auf jeden Fall noch viel vorgenommen. Sprich: Sie will Südamerika kennenlernen. «Bislang kenne ich nur Paraguay als einziges Land auf dem Kontinent. Nur einmal waren wir noch auf einer Hochzeit in Kolumbien. » «Wenn man jemanden besucht, klatscht man vor dem Tor zu einem fremden Grundstück in die Hände und wartet einfach, bis jemand kommt.»
Maya von Burg
Hier kann man die Seele so richtig baumeln lassen: Traumhafter Swimming-Pool in der Posada. Fotos: zvg
Das Gästehaus der Posada El Sabor de la Joya im südamerikanischen Paraguay.
Sohn Noël, Ehemann Urs und sowie die Tourismus Ministerin des Landes und Maya von Burg bei der Posada-Eröffnung.
Impression auf dem Lande.
Abendstimmung auf der Posada.