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«Eine Durchimpfung von 70 Prozent ist sicher ein sehr ambitioniertes Ziel»

Petra Steimen, Vorsteherin des Departements des Innern, spricht über die Impfskepsis der Schwyzer.

FLURINA VALSECCHI

Seit mehr als einem Jahr leben wir im Ausnahmezustand. Wenn Sie zurückblicken, was ist aus Ihrer Sicht gut gelaufen? Im Vergleich zu unseren Nachbarländern konnte die Schweiz die Pandemie mit weniger Einschränkungen recht gut bewältigen. Der Bund und die Kantone haben Augenmass bewahrt. Die innerkantonale Zusammenarbeit und jene über die Kantonsgrenze hinaus war zeitintensiv, hat aber gut funktioniert. Was würden Sie anders machen?

Nun, das Leben hat keine Wiederholungstaste. Man muss zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden, und zwar mit dem Wissen, das dann vorhanden ist. Wir hatten einen Pandemieplan, aber wir merkten in den letzten Monaten auch, dass das, was auf dem Papier steht, mit dem Alltag nicht immer übereinstimmte. Es ist wichtig, dass dieser Plan nun überarbeitet wird. Die Fallzahlen sinken, die Massnahmen werden gelockert. Kehrt bald wieder Normalität ein? Das wünschen wir uns doch alle sehr! Mit einer möglichst hohen Durchimpfung können wir schnell wieder in den Alltag zurückkehren.

Im Moment sind mit rund 67’000 Personen aber erst rund 42 Prozent der Bevölkerung geimpft. Bei welcher Impfrate geben Sie sich zufrieden?

Ich halte mich an die Aussage des Bundes: Es braucht 70 Prozent der Gesamtbevölkerung, die sich impfen lassen. Schwyz weist bei den laborbestätigten Fällen pro Kanton und 100’000 Einwohner in den letzten 14 Tagen 104,7 Personen aus. Das ist einer der schweizweit höchsten Werte. Gehen bei uns zu wenig Leute impfen? Es handelt sich schweizweit zwar um den zweithöchsten Wert, aber er sinkt auch im Kanton Schwyz von Tag zu Tag. Im Vergleich zu den letzten acht Monaten ist es ein sehr tiefer Wert. Weshalb der Kanton Schwyz gegenüber der übrigen Schweiz leicht höhere Werte aufweist, ist schwierig zu beurteilen. Es gibt andere Kantone, die aktuell noch eine etwas geringere Durchimpfungsrate haben, aber eine tiefere 14-Tages-Inzidenz. Was passiert, wenn der Kanton Schwyz dieses Ziel nicht erreicht? Müssen wir gegen den Herbst hin wieder mit steigenden Fallzahlen rechnen? Das ist heute sehr schwierig abzuschätzen. Ein Szenario ist tatsächlich, dass sich der Virus bei den ungeimpften Personen stark verbreitet. Was tun Sie, um dieses Ziel zu erreichen? Wir haben ein sehr dichtes Angebot an Impfmöglichkeiten: in den Spitälern, in den Wochenend- Impfzentren und bei den Arztpraxen oder Apotheken. Das sind mehr als 50 Angebote. Der Impfbus vor dem Mythen Center war ein Erfolg, wir werden deshalb mit dem Impfbus auch zum Seedamm Center fahren. In Amerika kann man Autos, Gutscheine oder gar Geldbeträge gewinnen.

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Mir ist wichtig, dass man überzeugt ist von der Impfung und sich nicht nur aufgrund solcher Anreize impfen lässt. Trotzdem, die Schwyzer Bevölkerung ist sehr impfkritisch. Wie zuversichtlich sind Sie, diese Durchimpfung auch wirklich zu erreichen? Ob wir das schaffen werden, kann ich heute noch nicht sagen. 70 Prozent sind sicher ein sehr ambitioniertes Ziel, das ist klar. Es wird an uns liegen, vor allem die noch unentschlossenen Leute besser zu informieren. Wir wissen heute sicher, dass die Impfung wirkt – das zeigt die Situation in den Alters- und Pflegeheimen. Aber klar, letztlich ist das Impfen ein Entscheid von jeder einzelnen Person. Warum haben Sie sich persönlich impfen lassen? Ich will mich vor dieser Krankheit schützen. Und ich möchte zum Schutz der Bevölkerung beitragen, damit dieser Virus nicht mehr weiter zirkuliert. Bei den Jungen scheinen die Ablehnung und das Desinteresse besonders gross zu sein. Wie wollen Sie die Impfmuffel packen?

Erst seit dem 3. Mai können sich Jugendliche ab 16 Jahren im Kanton Schwyz impfen lassen. Im schweizweiten Vergleich stehen wir bei den 16- bis 19-Jährigen im vordersten Drittel. Besonders Ihr Departement war 2020starkgefordert.DasAmtfür Gesundheit und Soziales musste von 23 auf 46 Vollzeitstellen aufstocken. Entspannt sich die Lage jetzt auch bei Ihnen? In unserem Departement geht die Arbeit noch nicht zurück. Wir betreiben weiterhin das Contact Tracing, neu stellen wir die Covid-Zertifikate aus, erteilen Bewilligungen für Grossanlässe, und das Testen bleibt ein Thema. Das Informationsbedürfnis bei unserer Info-Hotline ist nach wie vor gross. Mitten in der Pandemie mussten Sie gleich zwei Schlüsselpositionen neu besetzen. Das war sicher nicht einfach. Mit Martina Trütsch ist die bisherige Stellvertreterin zur Amtsleiterin aufgestiegen, hier konnten wir auf sehr viel Kontinuität setzen. Und beim Kantonsarzt Christos Pouskoulas kam ein sehr pandemieerfahrener Experte aus dem Kanton Luzern zu uns. Das neue Team hat sich schnell und gut eingespielt. Warum sind die Vorgänger nicht mehr in ihrem Amt? Hatte das auch etwas mit der anspruchsvollen Pandemiesituation zu tun? Nein, sie suchten schlicht und einfach eine neue Herausforderung. Kommen wir zur Politik: Das Covid- 19-Gesetz schaffte schweizweit zwar ein deutliches Ja, in Schwyz dagegen war die Ablehnung mit 59,07 Prozent Nein-Stimmen gross. Warum? Wie in anderen Zentralschweizer Kantonen gab es auch bei uns ein Nein. Das hat sicher mit der starken Mobilisierung aus dem coronaskeptischen Lager vor Ort zu tun. Ich glaube nicht, dass dies auch als Kritik an der Arbeit des Kantons während der Pandemie gewertet werden darf. Es war ein eher genereller Protest. Auch das Covid-Zertifikat steht in der Kritik. Man schaffe eine Zweiklassengesellschaft, weil man ohne Papier nicht mehr an ein Konzert gehen oder verreisen könne.

Ich sehe hier kein Problem. Ein Zertifikat erhält jemand, der geimpft, getestet oder genesen ist. Daher haben Personen, die sich nicht impfen lassen wollen die Möglichkeit, sich testen zu lassen.

Sie sind als Vorsteherin des Departements des Innern und als Frau Landammann gleich doppelt gefordert und waren deshalb auch in den letzten Monaten stark exponiert. Wie haben Sie die Angriffe ausgehalten? Auf der einen Seite gab es Eltern von einem krebskranken Kind,die sich schärfere Massnahmen gewünscht hätten. Und auf der anderen Seite meldeten sich Unternehmer, die wegen der vielen Massnahmen um ihre Existenz bangten. Ich habe grosses Verständnis für die verschiedensten Meinungsäusserungen. Aber es hört da auf, wo die Kritik in persönliche Angriffe mündet oder die Opfer bagatellisiert werden, weil man diese heimtückische Krankheit nicht ernstnehmen will. Hat es Sie auch persönlich getroffen?

Als Politikerin muss man mit diesem Spannungsfeld leben können. Die Abgrenzung von Arbeit und Privatem ist dabei sehr wichtig. Das ist mir recht gut gelungen, wobei dies gar nicht so einfach war, weil die Pandemie vor dem Feierabend und den Wochenenden ja nicht halt machte. Viel Ferien gabs für Sie im vergangenen Jahr wohl nicht. Fliegen Sie dafür diesen Sommer weit weg? Das stimmt, viel Ferien gab es im vergangenen Jahr tatsächlich nicht. Auch fürs aktuelle Jahr steht meine Ferienplanung noch nicht. Erholen kann ich mich etwa auf der Lenzerheide. Aber selbstverständlich, auch ich reise sehr gerne wieder einmal in ein fernes Land.

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