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«Es wurde Angst geschürt»

«Es wurde Angst geschürt» «Es wurde Angst geschürt»

CVP-Regierungsrat Sandro Patierno sieht die Abfuhr zum CO2-Gesetz als Chance und erklärt, wie es jetzt im Kanton Schwyz weitergeht.

FLURINA VALSECCHI

Der Abstimmungssonntag glich fast einem Krimi. Mit 51,6 Prozent fiel das Nein zum CO2-Gesetz knapp aus. Haben Sie mitgefiebert?

Ja, natürlich habe ich es mitverfolgt. Leider wurde die Chance verpasst, ein klares Signal in Richtung Klimaneutralität und weniger Auslandabhängigkeit zu setzen. Die Reduktion des CO2-Ausstosses bleibt aber das deklarierte Ziel der Schweiz, ihren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen zu leisten. Und wie geht es nun weiter?

Das Nein ist auch eine Chance, die Klima- und Energiepolitik der Schweiz kritisch zu analysieren. Die Wirtschaft hatte bis jetzt etwa die Möglichkeit, sich von einer CO2-Abgabe befreien zu lassen, wenn sie gewisse Kriterien erfüllte. Dieses System hat gut funktioniert und läuft nun leider Ende 2021 aus, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Deutlich – mit 65,5 Prozent – abgelehnt wurde das Gesetz im Kanton Schwyz. Sind Sie enttäuscht?

Offenbar ist es nicht gelungen, einer Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer den Nutzen des Gesetzes für die Bevölkerung und auch für die Wirtschaft näherzubringen. Unser Land und vor allem die Berggebiete sind vom Klimawandel besonders stark betroffen. Die durchschnittliche Jahrestemperatur steigt im Vergleich zu anderen Ländern doppelt so stark. Extreme Wetterereignisse werden zunehmen und auch das Ökosystem Wald und dessen Leistungsfähigkeit negativ verändern.

Welche Gründe sind für das happige Nein verantwortlich? Der Abstimmungskampf drehte sich zunehmend um die Kosten, und es wurde Angst geschürt, dass die Heizöl- und Benzinpreise ins Unermessliche steigen würden und die Zeche der Mittelstand und das Gewerbe bezahlen müssten. Es wurde von zwölf Rappen Mehrkosten gesprochen. Dies stimmt so nicht. Die Erdölvereinigung investiert schon heute fünf Rappen in klimafreundliche Projekte, und innerhalb des Kantons Schwyz variiert der Benzinpreis je nach Lieferant bis zu 25 Rappen. Wir müssen unbedingt die Auslandabhängigkeit reduzieren. Wir finanzieren mit rund acht Milliarden diktatorische Länder, die nicht nach unseren westlichen Grundwerten handeln. Könnte man die Ablehnung auch als Machtdemonstration des ländlichen Raums werten? Überrascht hat mich die deutliche Ablehnung der ländlichen Kantone, die vom Klimawandel stark getroffen sind. Der Abstimmungssonntag war mit fünf Vorlagen überladen, und viel Geld bestimmte den Abstimmungskampf. Der Präsident der schweizerischen Erdölvereinigung ist Nationalrat und ehemaliger Parteipräsident. Oder: Machen die Schwyzer nur mit, wenn es rentiert? Energie- und Klimafragen haben auch im Kanton Schwyz Fuss gefasst. Wenn objektiv gerechnet wird, rentieren Investitionen in nachhaltige Energien und auch unser lokales Gewerbe profitiert. Es sind Investitionen für die Zukunft und für unsere nächsten Generationen. Auf Kantonsebene wird nächste Woche im Parlament ebenfalls über ein Umweltthema diskutiert. Sie präsentieren dem Kantonsrat die Teilrevision des Energiegesetzes (siehe Box). Ist die Stimmung gleich wie am Sonntag, dann verheisst das nichts Gutes für die kantonale Vorlage?

Die Kantone sind die zentralen Akteure im Gebäudebereich. Sie vollziehen die Massnahmen des Bundes und treiben die Energieeffizienz sowie den Ersatz fossiler Heizsysteme auf Basis der Mustervorschriften im Energiebereich voran. Die vorberatende Kommission des Schwyzer Kantonsrates hat der Vorlage mehrheitlich zugestimmt. Wenn der Kantonsrat das Energiegesetz annehmen würde: Wo würde der Kanton Schwyz im schweizweiten Vergleich stehen? Schweizweit haben 14 Kantone ihre revidierten kantonalen Energiegesetze in Kraft gesetzt, und bei drei weiteren wurden diese vom Kantonsparlament verabschiedet. Das Umweltdepartement hat das Energiegesetz gut vorbereitet, und ich bin zuversichtlich, dass auch der Schwyzer Kantonsrat die Vorlage der Regierung annimmt.

Was passiert, wenn der Kantonsrat das Gesetz bachab schicken würde?

Dann würde sich das Umweltdepartement weiter mit der Vorlage befassen müssen. Bei welchen Punkten im kantonalen Energiegesetz wären Sie kompromissbereit? Und wo würden Sie sich ärgern, wenn das Parlament das Gesetz aufweichen würde? Der Schwyzer Regierungsrat hat die Vorlage in mehreren Sitzungen beraten und kann dem Kantonsrat ein ausgewogenes Energiegesetz unterbreiten. Noch mal zurück zum nationalen CO2-Gesetz: Kurz vor der nationalen Abstimmung wurde bekannt, dass sich Ihr Kollege im Regierungsrat, FDP-Finanzdirektor Kaspar Michel, dem Nein-Komitee angeschlossen hat. Ärgerte Sie diese Nachricht? Grundsätzlich kann jeder seine Meinung frei äussern, dass sich aber gleich vier Ratskollegen dem Nein-Komitee angeschlossen haben und sich gegen den Positionsbezug der Konferenz der Kantonsregierungen gestellt haben, ist aussergewöhnlich.

Welchen Einfluss hatte Michels Engagement im gegnerischen Lager auf das Resultat im Kanton Schwyz?

Der Beitritt des Finanzdirektors ins Nein-Komitee hatte auf das Abstimmungsergebnis wohl kaum einen Einfluss, war jedoch für die Partei selber eine Zerreissprobe. Gewisse Exponenten haben sicher zum Rücktritt der Parteipräsidentin beigetragen.

Sandro Patierno, Vorsteher des Umweltdepartements: «Überrascht hat mich die deutliche Ablehnung der ländlichen Kantone.» Foto: zvg

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