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Rotkreuz: eine Art Gegenmodell zu Einsiedeln

Rotkreuz: eine Art Gegenmodell zu Einsiedeln Rotkreuz: eine Art Gegenmodell zu Einsiedeln

Zwei unterschiedliche Fussballklubs, zwei völlig unterschiedliche Dörfer

Am Samstag spielte der FC Rotkreuz gegen den FC Einsiedeln. Eine Fussballpartie zwischen zwei Dörfern, die nicht unterschiedlicher sein könnten.

WOLFGANG HOLZ

Schon wer einen Blick auf die Mannschaftsaufstellung des Zuger Fussballklubs wirft, dem fällt auf, dass der FC Rotkreuz mit sehr vielen nicht helvetisch klingenden Namen spielt – ähnlich wie die Schweizer Nati. Melting-Pot von «Secondos»

Namen der Rotkreuzer Kicker wie Martino, Boussaha, Canzian, Mrkonja, Latifi, Gashi, Sacirovic, Bicvic, Campello; Palatucci; Gyorgiev, Seferagic, Ndoy, Allou unterstreichen, wie viele «Secondos» beim FC Rotkreuz Fussball spielen – in der Schweiz gebürtige Nachfahren von Einwanderern. Beim FC Einsiedeln spielen dagegen zahlreiche Nachfahren der heimischen Ureinwohner des Klosterdorfs wie Kälin, Schönbächler, Birchler im Team mit.

Der FC Rotkreuz ist ein regelrechter internationaler Melting- Pot. Kein Wunder: Im Kanton Zug sind rund 25 Prozent der Bevölkerung Ausländer, in Rotkreuz sind es noch mehr. Die grosse weite Welt spiegelt sich quasi im 11’000-Einwohnerdorf. Wobei die Fussballmannschaft letztlich ein Abbild der europäischen Arbeitereinwanderung in die Schweiz in den 60er- und 70er-Jahren ist – Menschen, die vor allem aus Italien, dem früheren Jugoslawien, Portugal und Spanien hierhergekommen sind. Dies erscheint im Nachhinein betrachtet nicht aussergewöhnlich, denn Rotkreuz war zuallererst ein Eisenbahnerdorf, dessen Bahnhof beim Zollhaus mit dem roten Kreuz 1864 angelegt wurde. Auch heute ist der Bahnhof Rotkreuz noch sehr bedeutend für die Region. Rotkreuz ist quasi Knotenpunkt respektive Durchlauferhitzer für Züge von Luzern nach Zürich genauso wie in Richtung Gotthard und ins Tessin. Sprich: nach Italien. Der Bahnhof, der sich mitten in Rotkreuz befindet, zerteilt den Ort heutzutage in zwei Hälften.

Die absolute «Boomtown» Im Norden liegen das grosse Gewerbegebiet und die Wohnsilos, im Süden wohnen die einheimischen und besser gestellten Rotkreuzer. Dabei bieten auch die Wohnungen in den zahlreichen riesigen, modernen Wohnblocks einen beachtlichen Komfort. Dazwischen liegt die kurze «Highstreet» Rotkreuz mit Cafés, einem grossen Coop und einem grossen Migros in teils grellem Orange und mit einer Tempo- 20-Zone.

Vor gut zehn Jahren genoss Rotkreuz als anonyme Zuger «Agglo» noch einen ziemlich zweifelhaften Ruf aufgrund von Jugendkriminalität und Schlägereien auf dem Bahnhofsvorplatz. Doch seit das «hässliche Entlein», das zusammen mit den Ortsteilen Holzhäusern und Buonas zur politischen Gemeinde Risch gehört, einem lauschigen Millionärswinkel direkt am Zugersee (wo auch Boris Becker steuerbedingt mal eine Absteige hatte), die Pharmariesen Roche Diagnostics und Novartis nach Rotkreuz lotsen konnte, ist das Dorf zur absoluten «Boomtown» geworden. Kein Wunder, dass Porsche Schweiz vor einigen Jahren sein Headquarter direkt neben Roche gebaut hat.

Hochhäuser wie Pilze Die Silhouette des 60 Meter hohen Roche-Hochhauses ist wie ein Leuchtturm der Prosperität in Rotkreuz von allen Seiten des Zugersees zu erkennen. Und wer auf der Autobahn von Zug nach Luzern fährt, muss nicht schlecht staunen ob der Weltläufigkeit des früheren Eisenbahnerdorfs. Rotkreuz 2.0 sozusagen – mit Pendlerstaus morgens und abends. Demnächst soll ein weiterer Autobahnanschluss Abhilfe schaffen. Nirgendwo hat sich der Kanton Zug stärker durch internationalen Kapitalzufluss verändert. Und das Roche-Hochhaus ist nicht das einzige im Dorf. Auch das Novartis-Hochhaus glänzt mit gläsernen Fassaden am Bahngleis, wo die meisten neuen Hochhäuser im riesigen Suurstoffi- Areal wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Das erste Holzhochhaus der Schweiz etwa wurde hier gebaut. Auch das Gartenhochhaus Aglaya mit auf Balkonen spriessenden Bäumen und Büschen steht hier. Und nicht nur das.

Neues Bildungszentrum Auch in Sachen Bildung kann Rotkreuz klotzen. In einem der Hochhäuser ist seit ein paar Jahren die Fachhochschule Luzern für Informatik einquartiert – und Rotkreuz hat damals sogar die Stadt Zug als Alternativstandort ausgebootet. Der letzte Coup, den Rotkreuz geschafft hat: Eine neue Zuger Kantonsschule wird ebenfalls direkt neben den Schienen stehen – übrigens auf dem Areal des jetzigen Klubhauses des FC Rotkreuz. Der muss sich dann erstmal eine neue Bleibe suchen. Den FCE in Einsiedeln vertreibt dagegen niemand aus dem Rappenmöösli.

Sogar eine katholische Kirche gibt es in Rotkreuz. Dunkelbraun und wie eine Trutzburg steht sie mitten im Häuserbrei. Sie ist natürlich kein Vergleich zur gewaltigen barocken Klosteranlage in Einsiedeln. Man kann eben nicht alles haben.

Hinter dem Sportpark schiessen Hochhäuser in die Höhe: Rechts das Aglaya-Gartenhochhaus. Foto: zl

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