Veröffentlicht am

Seinen Schmerz wegatmen – eine Herausforderung…

Seinen Schmerz wegatmen –  eine Herausforderung… Seinen Schmerz wegatmen –  eine Herausforderung…

Atemtherapeut Ludwig Pillhofer hat letzten Monat ein Atemtraining der besonderen – und vor allem schmerzhaften – Art angeboten: Das Kaltwasseratemtraining.

LUKAS SCHUMACHER

Ich gehe gerne baden, bin aber keine Wasserratte. Meine Abkühlungen im Sihlsee beschränken sich auf heisse Sommertage. Letzten Monat – der zweitkälteste Mai in dreissig Jahren – wagte ich doch schon im Frühling bei gefühlten winterlichen Temperaturen den «Sprung» ins kühle Nass – doch das kalte Wasser war nicht das Schlimmste … Alles begann mit einer Einladung des Einsiedler Atemtherapeuten Ludwig Pillhofer zum Kaltwasseratemtraining. Als gelegentlicher Alphornspieler interessiere ich mich für Atemtechnik und sagte zu. Zum Atemtraining gehörte nebst einem Bad im kühlen Sihlsee auch ein Barfusslauf – easy, dachte ich. Ruhig Atmen – leichter gesagt als getan Auf dem Parkplatz vor der Badi versammelte sich eine muntere Schar von 15 Teilnehmern. Pillhofer führte ins Thema ein, es ginge um die bewusste Schmerzerfahrung und wie man mit der richtigen Atmung mit dem Schmerz bestmöglichst umgeht und am Ende einen Gewinn daraus erzielt – spannend.

Der Barfusslauf verlief 1,3 Kilometer von der Badi zu einer Hütte in der Roblosen und wieder zurück – alles über Kies – spitziger Kies. Wer wollte, durfte auch mit Schuhen mitgehen. Mit einer ruhigen, tiefen Atmung (5 Sekunden einatmen und mindestens 5 Sekunden ausatmen) sollte der Weg begangen werden. Auf den Atem konzentrieren und nicht auf den Schmerz … leichter gesagt als getan.

Sie kennen das sicher, wenn man Barfuss über Kies läuft und sich wie ein Eichhörnchen verkrümmt darum bemüht, «au au au» schnell wieder auf weichen Boden zu gelangen. Genau das sollte man allein mit der richtigen Atemtechnik und Konzentration vermeiden. Stellenweise versank ich dank dieser Meditation in eine kurze Trance, die den Schmerz unter den Füssen ausblendete, doch die meiste Zeit hatte ich mit den Schmerzen zu kämpfen und konnte mich nur schlecht auf einen ruhigen Atem konzentrieren. Dafür braucht es wohl sehr viel Übung. Das sah man dann auch dem Kursleiter und einigen Teilnehmern an, welche in aller Ruhe über den Kies liefen, als trugen sie Wanderschuhe … Respekt.

Das Gefühl, nach dem Barfusslauf den weichen Rasen der Badi unter den Füssen zu spüren, war himmlisch … doch Achtung, die Hauptattraktion stand ja erst noch bevor – das kalte Wasser.

Der innere Feuerball Wir besammelten uns alle beim Ufer des Sees, um uns auf das kalte Bad vorzubereiten. Doch bevor wir die ersten Schritte in den etwa 13 Grad kühlen Sihlsee wagten, galt es, unseren «Inneren Feuerball» zu entfachen. Dafür machten wir verschiedene Atemübungen. Die Luft musste zum Beispiel möglichst schnell ein- und ausgeatmet oder angehalten werden. Dabei musste ich aufpassen, dass mir nicht schwarz vor Augen wurde. Während dieser Übungen galt es, sich vorzustellen, man hätte einen Feuerball in seinem Bauch, der wächst und wächst.

Mit dieser inneren Wärme gerüstet machten sich alle Teilnehmer auf ins Nass. Dabei war das erste Hindernis, überhaupt ins Wasser zu kommen, da meine Füsse noch schmerzten vom Barfusslauf …doch genau darum ging es ja, sich dem Schmerz und der Angst zu stellen – lernen, mit Schmerz umzugehen, anstatt ihn zu vermeiden.

Langsam wagten sich alle immer weiter ins Wasser hinaus, bis nur noch die Köpfe hinausschauten. Ich versuchte, mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Meine beiden Arme kribbelten extrem, sodass ich sie kaum bewegen konnte. Nach einer Weile spürte ich kein Kribbeln mehr und keine Kälte, es war einfach angenehm, im See zu schweben. Ich tauchte unter und schwamm ein wenig herum. Der Schmerz und die Kälte waren besiegt.

Nachdem wir alle wieder im Trockenen waren und ich von einigen Teilnehmerinnen mütterlich mit Tee, Decke und Socken umsorgt wurde – da ich selbst nur mein Badetuch dabei hatte – folgte die Schlussmeditation. Ich legte mich hin, schloss die Augen, zitterte noch leicht vor Kälte und versuchte mich zu entspannen.

Fazit Es gelang mir nur selten, meinen Schmerz zu überwinden – dafür fehlt es mir an Übung. Ab und zu schaffte ich es jedoch, mit den Gedanken abzuschweifen und den Schmerz an meinen Füssen zu vergessen. Das Kaltwassertraining von Ludwig Pillhofer war eine tolle Erfahrung, auch wenn am nächsten Tag meine Füsse etwas brannten.

Der Gedanke, sich dem Schmerz bewusst zu stellen und zu versuchen, ihn durch bewusstes Atem zuzulassen, gefällt mir und kann so meiner Meinung, auch auf viele Lebenssituationen übertragen werden – wie gehe ich mit schwierigen Situationen um? Dass eine kalte Dusche oder ein kaltes Bad das Immunsystem stärkt, war mir schon vorher bewusst. Trotzdem werde ich es nicht schaffen, regelmässig ein kaltes Bad zu nehmen.

Eines ist sicher: Den Sprung ins kalte Nass werde ich wieder wagen. Auf den Kieselstein-Spaziergang kann ich jedoch gut verzichten, auch wenn dies – zugegeben – eine gute und einfache Übung ist, sich sogar bei Schmerzen zu entspannen.

«Ich versuchte, mich auf meine Atmung zu konzentrieren.

Meine beiden Arme kribbelten extrem, sodass ich sie kaum bewegen konnte.»

EA-Produktionsleiter Lukas Schumacher nahm Ende Mai am Kaltwasseratemtraining von Ludwig Pillhofer teil. Foto: zvg

Eine schmerzhafte Angelegenheit: barfuss auf Kies gehen. Fotos: Lukas Schumacher

Aufwärmen vor dem kühlen Bad im Sihlsee.

Share
LATEST NEWS