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«Immer der Muschel nach, lautet die Devise der Pilger»

«Immer der Muschel nach, lautet die Devise der Pilger» «Immer der Muschel nach, lautet die Devise der Pilger»

Am Samstag begeben sich Pilger am Tag des Jakobswegs auf eine Zeitreise entlang des geschichtsträchtigen Wegs. Der 69-jährige Lehrer Edgar Holdener aus Unteriberg schildert, wie er als Wegbetreuer im Einsatz steht.

MAGNUS LEIBUNDGUT

War das Pilgern bereits Ihr Bubentraum?

Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Ich bin zum Pilgern gekommen wie die Jungfrau zum Kind (lacht). Und zwar via das Biken: 2002 bis 2005 habe ich zusammen mit Einsiedler Kollegen den Jakobsweg entdeckt. Fürs Erste sind wir den Weg in drei Etappen abgefahren. Im Jahr 2015 haben Hansjörg Ochsner und ich die 2300 Kilometer von Einsiedeln nach Santiago de Compostela dann in einem Stück in drei Wochen auf dem Rad absolviert. Was macht den Reiz des Pilgerns aus?

Das ist schwer in Worte zu fassen. Neben den spirituellen Gründen spielt das Kulturelle eine massgebliche Rolle. Man ist ständig in Bewegung und erfährt hierbei so manches über Land und Leute, Kirchen und Kultur. Im Jahr 2019 haben übrigens 350’000 Menschen den Jakobsweg gemeistert. Ist man auf dem Velo nicht gar zu schnell unterwegs für eine Pilgerreise? Nein, aber es ist anders als zu Fuss. In der Tat erlebt man den Weg zu Fuss am intensivsten. Ich wurde gewarnt davor, dass wandernde Pilger auf dem Jakobsweg verärgert auf Velofahrer reagieren würden. Dem war aber dann nicht so: In gegenseitiger Rücksichtnahme kommen Wanderer und Biker gut aneinander vorbei auf dem Weg. Was ist das Spezielle am Wegstück zwischen Rapperswil und Einsiedeln?

Man erlebt einen grossen Kontrast: Im ersten Teil des Weges via den Seedamm ist man komplett dem Lärm ausgeliefert. Ab der «Luegeten» ob Pfäffikon kommt man unerwartet in eine vollendete Stille. Der Übergang ist aussergewöhnlich. Was ist das Spezielle am Wegstück zwischen Einsiedeln und Schwyz? Der Aufstieg auf die auf 1500 Metern gelegene Haggenegg in Alpthal ist streng – der Abstieg gleichermassen: Die Haggenegg ist die höchste Erhebung auf dem Schweizer Teil des Jakobswegs.

Wie sind Sie Wegbetreuer des Jakobswegs Rapperswil–Einsiedeln und Grynau–Einsiedeln geworden?

Im Jahr 2004 bin ich via die Freunde des Jakobswegs zu diesem Amt gekommen. Nach elf Jahren im Dienst gebe ich dieses Amt heuer nun an Paul Jud weiter. Welche Aufgaben nimmt ein Wegbetreuer regelmässig in Angriff? Man kontrolliert, ob alles in Ordnung ist mit dem Weg, Markierungen und Wegweiser, und koordiniert die Unterkünfte für die Pilgerschaft.

Welche Erfahrungen haben Sie selber gemacht als Pilger auf dem Jakobsweg? Ich bin vor allem in Kontakt gekommen mit den Radpilgern, die naturgemäss den gleichen Rhythmus hatten. Interessant war, dass man sich zu einem Ruhetag direkt zwingen muss. Man will unentwegt unterwegs sein: Immer der Muschel nach, lautet die Devise der Pilger. Sind Sie in ein Loch gefallen, als Sie endlich Santiago de Compostela erreicht haben? Das ist unausweichlich. Denn erst recht beim Jakobsweg gilt: Der Weg ist das Ziel. Hat man das Ziel erreicht, entsteht zunächst eine Leere, die Bereicherung erfüllt einen erst später. Zudem entsteht der Wunsch, sich wieder auf diesen besonderen Weg zu begeben. Haben Sie weitere Pläne, was Pilgerreisen betrifft? Ich bin mit den gleichen Kollegen von Einsiedeln nach Rom gepilgert. Das war aber enttäuschend: Auf diesem Weg spürt man nichts, er hat nicht die Ausstrahlung wie der Jakobsweg. Mit meiner Frau zusammen möchte ich den Jakobsweg von Genf nach Le Puy noch zu Fuss erkunden. Foto: Magnus Leibundgut

Edgar Holdener

Jahrgang: 1952 Wohnort: Unteriberg Beruf: Lehrer Hobbys: Biken, Skifahren, Skitouren

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