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Es sind noch 15’000 Impftermine frei

Es sind noch 15’000 Impftermine frei Es sind noch 15’000 Impftermine frei

Der Kanton ruft zum Impfen auf. Martina Trütsch, Vorsteherin des Amts für Gesundheit und Soziales, spricht über die Impfkampagne.

CHRISTOPH CLAVADETSCHER

Die Impfkampagne in der Schweiz lief zu Beginn etwas harzig, doch jetzt wird richtig Gas gegeben. Die Schweiz gehört weltweit mittlerweile zu den Ländern mit dem höchsten Impftempo, aktuell werden über 75’000 Impfdosen pro Tag verimpft. Wie viele sind es im Kanton Schwyz?

Im Kanton Schwyz werden zurzeit täglich rund 1600 Impfdosen verabreicht.

Ist das ein guter Wert, oder würde mehr drin liegen?

Solange wir ausgelastet sind, ist das ein sehr guter Wert. Er liegt sogar über dem Durchschnitt, wenn die Zahl von 75’000 auf den Kanton heruntergerechnet wird – für Schwyz wären das 1400 Dosen. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Auslastung bereits in zwei Wochen nachlässt – und deshalb der Aufruf an alle, sich jetzt für einen Impftermin anzumelden. Also gibt es keine langen Wartezeiten mehr? Wir verfügen im Kanton über ein dichtes Netz an Impfstellen. Die Schwyzer Bevölkerung kann sich an den drei Spitalstandorten Schwyz, Lachen und Einsiedeln, in den vier Wochenendimpfzentren Immensee, Pfäffikon, Reichenburg und Steinen sowie in über 60 Arztpraxen und Apotheken impfen lassen. Das heisst, es bestehen aktuell auch keine langen Wartezeiten. Wie will der Kanton erreichen, dass sich noch mehr impfen lassen?

Wir prüfen derzeit weitere Ideen, wie wir die unentschlossene Bevölkerung erreichen und abholen können. Wir werden darüber in nächster Zeit informieren. Wie zufrieden sind Sie allgemein damit, wie die Impfkampagne im Kanton Schwyz läuft? Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Impfbereitschaft unter der breiten Bevölkerung durchaus höher sein könnte, haben doch per 1. Juni 2021 erst gut 33 Prozent der Schwyzer Bevölkerung eine Erstimpfung erhalten, und lediglich 17,8 Prozent sind doppelt geimpft. Weitere rund 9000 Termine für Erstimpfungen sind vergeben. Bis Ende Juli könnten aber mindestens noch weitere 15’000 Termine für Erstimpfungen vergeben werden. Freie Termine in den Impfzentren gibt es ab der zweitletzten Juniwoche. Es könnte also mehr gehen. Aber seit rund einem halben Jahr wird im Kanton Schwyz geimpft. Welches Zwischenfazit ziehen Sie? Im Grossen und Ganzen ein positives Fazit, unsere Erfahrung zeigt, dass die Impfung nützt. Seit dem Impfstart Ende Dezember 2020 konnten wir vorwärts machen: Zuerst wurden die älteren Personen in Alters- und Pflegeheimen geimpft. Seit diese Impfungen mit mobilen Equipen durchgeführt wurden, hatten wir keinen grösseren Ausbruch mehr in den Alters- und Pflegeheimen. Vereinzelt gibt es in Heimen noch Corona-Fälle bei ungeimpften Personen. Wie steht der Kanton Schwyz im nationalen Vergleich da? Es ist kein Geheimnis, dass der Kanton Schwyz beim Impfen aktuell nicht zu den Spitzenreitern gehört. Allerdings muss man bei solchen Vergleichen immer auch die Hintergründe kennen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dass wir mit mobilen Impfequipen zuerst die Hochrisikogruppen in den Alters- und Pflegeheimen impfen. Dies ist mit deutlich mehr Aufwand und mit einem langsameren Impffortschritt verbunden, als wenn wir in erster Priorität mit grossen Impfzentren gestartet wären. Entscheidend ist, dass der Kanton Schwyz in der Lage ist, die vom Bundesrat gesetzten Impfziele – 70 Prozent der Bevölkerung kann sich bis im Sommer impfen lassen – zu ermöglichen. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt schliesslich jedoch nicht von unseren Strukturen sondern von der Impfbereitschaft der Schwyzer Bevölkerung ab. Viele sind der Covid-Impfung gegenüber aber kritisch eingestellt. Woher kommt das? Ich glaube, viele Leute sind skeptisch, weil die Covid-Impfung so rasch auf den Markt gekommen ist und weil es sich um einen neuartigen Impfstoff handelt. Dieser Umstand löst bei vielen Menschen Angst aus. Man ist sich der Langzeitwirkung und möglicher negativen Folgen der Impfung heute nur bedingt bewusst. Die sogenannte mRNA-Technologie ist jedoch bereits seit 20 Jahren bekannt. Dank der intensiven Forschung in den letzten Jahren unter anderem auch an der mRNA-Impfstofftechnik wurden die technologischen Voraussetzungen für die rasche Entwicklung und Herstellung solcher Impfstoffe geschaffen.

Aber man darf doch kritisch sein. Ja sicher, eine kritische Haltung ist sogar wünschenswert, denn sie führt zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der Thematik und kann dabei helfen, die Vorgänge und Umstände besser zu verstehen. Die Vorteile, die eine Durchimpfung für die Gesellschaft oder auch die Impfung des Einzelnen für seine Gesundheit in dieser Pandemie bringt, überwiegen aber: Wir können ohne Einschränkungen zurückkehren in unser gewohntes soziales Leben, an unsere Arbeit und so weiter. Wir können unnötiges Leid, Long-Covid und nicht zuletzt Todesfälle vermeiden. Impfgegner argumentieren vor allem mit den fehlenden Erkenntnissen zu den Langzeitfolgen. Was sagen Sie dazu? Wir können nicht in die Zukunft schauen. Uns fehlen in dieser Krise, das ist eine Eigenschaft von Krisen, viele Erkenntnisse. Trotzdem müssen wir möglichst gute Entscheidungen treffen. Es werden laufend Studien durchgeführt mit den Erfahrungen, die wir mit dieser Impfung nun gesammelt haben. Wir verfügen aber auch über Erfahrungswerte von anderen Impfungen. Zudem gelten in der Medizin und Forschung ethische Richtwerte. Langzeit-Nebenwirkungen, also Schäden, die erst Jahre nach der Impfung auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt. Dieses Prinzip kann auch für mRNA-Impfstoffe angewendet werden, da deren Bestandteile im Körper schnell nach der Impfung abgebaut werden. Auch viele Jugendliche warten noch ab. Gerüchte über Unfruchtbarkeit oder Zeugungsunfähigkeit machen die Runde. Sind das wirklich nur Gerüchte? Ja, da können wir entwarnen. Was die Frauen anbelangt: Hätten sich Corona-Antikörper tatsächlich gegen das körpereigene Protein für die Plazenta-Entwicklung richten können, hätte dies bei einer Covid-19-Erkrankung durch die Antikörperbildung zu erhöhten Zahlen an Fehlgeburten oder Komplikationen führen müssen – dies ist aber nicht der Fall. Demzufolge hat nach heutigen Erkenntnissen auch die durch eine Impfung angeregte Antikörperbildung keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit.

Und bei den Männern?

Bei den Männern zeigt sich gemäss neuester Daten ebenfalls kein negativer Einfluss der Impfung auf die Zeugungsfähigkeit. Es gibt jedoch Hinweise, dass sich eine Covid-Infektion negativ auf die männliche Zeugungsfähigkeit auswirken kann. Können sich die Jugendlichen mittlerweile auch zum Impfen anmelden? Seit dem 3. Mai steht im Kanton Schwyz die Impfung für alle Zielgruppen, also einschliesslich der breiten Bevölkerung ab 16 Jahren zur Verfügung. Gehört eine Person keiner Risikogruppe an, wird sie höchstwahrscheinlich auch keinen schweren Verlauf haben oder an Covid sterben. Trotzdem wünscht der Staat, dass sie sich impfen lässt. Ist das nicht übertrieben? Auch wenn das Risiko für eine schwere Erkrankung für Personen ausserhalb der Risikogruppe in der Tat deutlich kleiner ist, sollte dies nicht der Grund für einen Impfverzicht sein. Auch jüngere Personen ohne Risikoerkrankungen können schwere Verläufe zeigen. Und Impfen sollte nicht nur als individuelle Frage dargestellt werden, sondern hat auch mit sozialer Verantwortung zu tun. Dank Impfungen, die zu den grössten Erfolgen der Medizin gehören, konnten Pocken, Kinderlähmung oder Diphtherie stark eingedämmt oder sogar ausgerottet werden. Auch bei Corona zeigt sich, dass der Impffortschritt wesentlich zu den Lockerungen und zur Rückkehr in einen normalen Alltag beiträgt. Und was ist mit dem Recht der freien Wahl? Darf nicht jede und jeder selber entscheiden, ob sie oder er das Risiko eingehen will, sich zu infizieren? Selbstverständlich kann jede und jeder selber über das Risiko entscheiden, sich zu infizieren. Aus diesem Grund gibt es ja auch keinen Impfzwang. Doch es gibt gute Gründe, warum man sich impfen lassen soll: Die Immunität, die auf sicherem Weg erlangt wird, bietet Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung mit allfälligem schweren Verlauf und möglicherweise anhaltenden gesundheitlichen Einschränkungen wie Long-Covid. Zudem wird mitgeholfen, die Anzahl Erkrankungen zu reduzieren und dadurch das Gesundheitswesen zu entlasten. Rechnen Sie mit einer nächsten Welle im Herbst, oder gehört die Corona-Krise bald der Vergangenheit an? Eines, was ich in den letzten 17 Monaten gelernt habe, ist, dass diese Pandemie uns immer wieder aufs Neue überrascht. Es ist davon auszugehen, dass dank der Zunahme der geimpften Personen die Herdenimmunität zunimmt. Aufgrund der Saisonalität der Pandemie kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass im Herbst eine neue Welle auf uns zukommt. Ich gehe in diesem Fall jedoch davon aus, dass diese Welle flacher abfällt. Es ist so: Je mehr Menschen sich jetzt impfen lassen, desto weniger stark wird uns eine erneute Welle treffen und uns in unseren Freiheiten einschränken.

Anmeldungen für Impfungen in Impfzentren und Apotheken erfolgen über www.sz.ch. Für Impfungen beim Hausarzt direkt mit der betreffenden Praxis in Verbindung treten.

Martina Trütsch, Vorsteherin des Amts für Gesundheit und Soziales, hofft auf viele Impfwillige, um eine dritte Welle von Corona-Ansteckungen abzuschwächen.

Foto: Christoph Clavadetscher

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