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«Weitere Warnschilder würden nichts bringen»

«Weitere Warnschilder würden nichts bringen» «Weitere Warnschilder würden nichts bringen»

Am Grossen Mythen ist ein 57-Jähriger, der den Berg schon über 100 Mal bestiegen hat, in den Tod gestürzt

Wieder hat ein Bergsteiger am Mythen sein Leben verloren. Dabei ist bekannt, dass der 1898 Meter hohe Fels jedes Jahr seine Opfer fordert. Was tun? Oder ist jeder einfach selbstverantwortlich? Fragen an Alpinisten.

WOLFGANG HOLZ

In den Innerschwyzer Bergen hat sich der erste tödliche Bergunfall der Saison ereignet. Am Grossen Mythen verlor ein 57-jähriger Einheimischer sein Leben. Vergangenen Donnerstag, nach 18.30 Uhr, befanden sich zwei Personen auf dem Abstieg vom Grossen Mythen. Kurz nach dem Gipfel geriet der Bergsteiger vom Weg ab und stürzte über ein Felsband in die Tiefe.

Todesopfer kannte den Mythen bestens

Die Rettungsflugwacht konnte den Mann im steilen Gelände rasch finden. Er hatte sich beim rund 400 Meter langen Sturz tödliche Verletzungen zugezogen. Wolken und Nebelschwaden erschwerten die Suche. Nach 20 Uhr finden die Retter die verschwundene Person – für sie kommt jedoch jede Hilfe zu spät.

Der Verstorbene war ein Routinier. Als Stammgast besuchte er schon über 100 Mal den Mythengipfel. Er gehört, wie eine Handvoll weitere Mythenfreunde, dem exklusiven 100er-Club an. Das Opfer kannte den Hausberg bestens. Er soll einmal an einem einzigen Tag den Mythen 13 Mal bestiegen haben.

Fragen gibt es noch viele. Es bleibt vorerst völlig unklar, wie es zur Tragödie kommen konnte. Die Ermittlungen laufen. Der Schwyzer Polizeisprecher Florian Grossmann: «Die Alpine Einsatzgruppe der Kapo Schwyz stand am Freitag am Berg im Einsatz.» Die Polizisten suchten nach Spuren, die Aufschluss über den Hergang machen könnten.

Immer wieder tödliche Unfälle

Zum Bergmassiv Mythen gehören die Felspyramiden des Grossen Mythen auf 1898 Metern über dem Meer und des Kleinen Mythen auf 1811 mit dem Nebengipfel Haggenspitz auf 1761 Metern. Sie sind das Wahrzeichen des Kantonshauptorts Schwyz.

Immer wieder kommt es hier zu tödlichen Unfällen. Vergangenes Jahr verunglückten eine 73-Jährige und ein Wanderer (69) am Mythen. Zwar sind am Mythen noch nicht so viele Bergsteiger verunglückt wie am Matterhorn – wo seit 1865 rund 500 Personen ihr Leben verloren haben – doch die wiederkehrende Zahl von Toten und Verletzten im Mythen-Massiv wirkt immer beunruhigender. Könnte man denn etwas unternehmen, um solche Opfer künftig zu verhindern oder wenigstens zu verringern?

«Die Lage ist sehr facettenreich» «Es ist bekannt, dass es alle Jahre zu mehreren schweren Unfällen am Mythen kommt», sagt Remo Bianchi, Präsident Sektion Mythen des Schweizer Alpen- Clubs. Er habe das jüngste Unglück mit grossem Bedauern zur Kenntnis genommen.

«Die Lage ist sehr facettenreich », versichert Bianchi. Denn zum einen könnten sich alle Bergsteiger im Mythen-Massiv frei bewegen. «Wir können das nicht kontrollieren.» Zum anderen liege das Bergsteigen grundsätzlich in der eigenen Verantwortung jedes Einzelnen. «Wir beim SAC versuchen, über unsere Ausbildung unsere Mitglieder und Tourenleiter für die Gefahren beim Bergsteigen zu sensibilisieren und diese richtig einschätzen zu lernen.» Dazu gehöre auch, sich richtig vorzubereiten und mit Sorgfalt die geeignete Ausrüstung und sicheres Schuhwerk zu wählen. Wohl könne man weitere Gefahrenschilder aufstellen. «Aber eigentlich ist allgemein bekannt, dass bergsteigen im Mythen-Massiv in eigener Verantwortung geschieht und dass es sich um einen steilen und je nach Route gefährlichen Berg handelt», sagt der SAC-Mythen- Sektionsführer.

«So ein Unglück ist tragisch»

Benjamin Müller, JO Chef des SAC Sektion Einsiedeln, kennt das Mythen-Massiv gut. Er hat schon zig Male den Grossen Mythen bestiegen. Auf die Frage, ob zusätzliche Warnschilder solche Unfälle verhindern könnten, antwortet er: «So ein Unglück ist tragisch, vor allem auch für die Angehörigen. Aber zusätzliche Warnschilder würden wahrscheinlich nichts bringen.» Den nötigen Respekt beim Bergsteigen könne man seiner Meinung nach nicht über Warnschilder bewirken, sondern in erster Linie über die richtige Ausbildung und über die entsprechende alpine Erfahrung. Ein gewisses Risiko bleibt aber immer, auch für die besten Alpinisten. Viele wollen auf den Mythen

Für ihn ist einer der zentralen Gründe für die wiederkehrenden Unfälle am Mythen, dass dieser imposante Felsklotz zu den meist begangenen Bergen in der Region zählt. Der aus dem Felsen gehauene Weg sei zwar relativ einfach zu begehen, das Gelände sei aber konstant steil und abschüssig. Und das bringt dann eben mit sich, dass sehr viele Personen mit unterschiedlichsten alpinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Ausrüstung auf den Berg steigen und die Wahrscheinlichkeit von Unfällen zunimmt », so Müller.

Das könne man immer wieder am Schuhwerk der Wanderer und Bergsteiger erkennen. «Da ist von Sandalen über Turnschuhe bis zu schweren Bergschuhen alles Mögliche an den Füssen zu sehen.» Das Schuhwerk sei extrem wichtig am Mythen: «Der Normalweg ist zwar durchgängig Wandergelände und gut gesichert, bei einem Fehltritt herrscht aber vielerorts grosse Absturzgefahr.» Zudem sei der Fels vom Mythen-Massiv vielerorts brüchig und im Herbst und Frühling kommen noch heikle Schneepassagen hinzu, dann ist der Weg aber glücklicherweise meistens noch gesperrt. «Ich habe bei jeder Besteigung grossen Respekt vor diesem steilen Berg, man darf die Gefahren nicht unterschätzen und sich selber nicht überschätzen.» 112 Bergsteiger ums Leben gekommen Im Jahresbericht des SAC von 2020 ist erwähnt, dass sich im vergangenen Jahr 3471 Personen in den Schweizer Alpen in Notlage befunden haben und dass 112 Personen beim eigentlichen Bergsteigen ums Leben gekommen sind. Dabei wird auch erwähnt, dass gerade wegen der Corona-Krise viele Menschen ihr Heil in den Bergen gesucht haben. Gefahren lauern in den Bergen laut SAC vor allem im Frühling und Frühsommer sowie im Herbst, weil dann auch einfache Bergwanderwege gefährlich werden, wenn schattige Wegabschnitte schneebedeckt oder vereist sind. 2020 gab es auf solchen Wegabschnitten besonders viele Unfälle, davon sechs tödliche.

Der SAC empfiehlt deshalb, Bergwanderungen sorgfältig zu planen und sich gut über die Verhältnisse und das Wetter zu informieren. Der Weg sollte nicht verlassen werden, schneebedeckte und vereiste Passagen seien vorsichtig zu beurteilen und gute Bergschuhe sollten zur Grundausrüstung gehören. Im Zweifelsfall gelte es, besser umzukehren.

«Da ist von Sandalen über Turnschuhe bis zu schweren Bergschuhen alles Mögliche an den Füssen zu sehen.»

Benjamin Müller SAC Einsiedeln

Der Grosse Mythen bzw. das Mythen-Massiv ist gefährlich und fordert jedes Jahr seine Opfer. Foto: zvg

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