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«Wir konfirmieren an Pfingsten in einem Marathon»

«Wir konfirmieren an Pfingsten  in einem Marathon» «Wir konfirmieren an Pfingsten  in einem Marathon»

Am Pfingstsonntag werden in der reformierten Kirche in Einsiedeln sieben Jugendliche in drei Gottesdiensten konfirmiert. Die 50-jährige Pfarrerin Réka Jaeggi-Nagy schildert die Bedeutung dieses grossen Ereignisses und wie sie im Jahr 1984 im rumänischen Siebenbürgen selbst konfirmiert wurde.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Was bedeutet konfirmieren?

Eine Konfirmation bedeutet Ja zu sagen zu einer Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi – im Sinne einer Bestätigung, die auf Vertrauen und Zuversicht basiert und ohne verbrauchte Worte der traditionellen Bekenntnisse mutig und kreativ über die Bühne geht. Können Sie das konkretisieren?

Am besten wohl mit den Worten einer Konfirmandin: «Wir erkennen und glauben, dass wir unsere Ruhe nicht in der Sicherheit dessen finden, was wir bekennen können, sondern im Erstaunen über das, was uns zufällt und geschenkt wird.» Wird mit der Konfirmation der Übertritt ins Erwachsenenalter vorbereitet? Ich würde eher von einem Prozess sprechen, von einem Wendepunkt im Leben eines Heranwachsenden. Im Schnitt sind die Konfirmanden etwa 16 Jahre alt. Man kann sich aber in jedem Alter konfirmieren lassen, da die Konfirmation nicht an ein bestimmtes Alter gebunden ist, weil sie nicht biologisch konnotiert ist.

Wie unterscheiden sich reformierte Konfirmation und katholische Firmung voneinander? Die Konfirmation ist kein Sakrament, wie das die Firmung darstellt. Ein gewichtiger Unterschied besteht darin, dass ein Konfirmand mit der Konfirmation zum Kirchbürger mit Stimm- und Wahlrecht wird. Die Konfirmation ist quasi das Eintrittsbillett in die Kirchgemeindeversammlung. Das ist doch eine sehr progressive Ausgestaltung des Kirchenrechts: Bereits 16-Jährige dürfen, wenn sie konfirmiert worden sind, stimmen und wählen. Wie kommt es dazu, dass die Konfirmation heuer ausgerechnet auf das Pfingstfest fällt? Es ist Tradition in der reformierten Kirche, dass die Konfirmation am Palmsonntag stattfindet. Nun bringt uns das Coronavirus unser Programm gehörig durcheinander, was uns einiges an Flexibilität und Toleranz abverlangt. Es sind ja nur Gottesdienste mit maximal fünfzig Besuchern zugelassen. Am Palmsonntag sind zwei Jugendliche konfirmiert worden. Wir konfirmieren an Pfingsten in einem Marathon – am Sonntag werden sieben junge Leute konfirmiert, unterteilt in drei Gruppen: Es findet denn um 10 Uhr, um 11.30 Uhr und um 13 Uhr ein Gottesdienst mit Konfirmation statt. Am 4. Juli werden weitere sieben Jugendliche konfirmiert.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Feierlichkeiten aus? Die Teilnahme von Gemeindemitgliedern ist in beschränkter Anzahl möglich und erwünscht – allerdings besteht eine Anmel depflicht. Naturgemäss müssen Masken getragen werden. Auf den Gemeindegesang müssen wir nicht ganz verzichten. Gleichsam fällt der Apéro wegen der Corona-Pandemie ins Wasser. Wie haben sich die Konfirmanden auf das Fest vorbereitet? Es gibt eine Pflicht zu erfüllen: Die Konfirmanden können Punkte sammeln, die für absolvierte Projekte und Gottesdienstbesuche abgegeben werden. Zudem hat im Herbst ein Weekend stattgefunden, das ganz im Zeichen einer Teamarbeit gestanden ist. Es gibt überdies auch noch ein freiwilliges Programm: Die Konfirmanden hatten die Möglichkeit, Online-Gottesdienste mitzugestalten und Beiträge zu produzieren, die mit den Mitteln der neuen Medien zustande gekommen sind. Über alledem stand das übergeordnete Thema der Konfirmation – die christliche Nächstenliebe. Die Konfirmanden bekamen am Anfang des Konfjahres ein Bändeli, auf dem die Worte «love, hope, faith, peace » geschrieben stehen. Hoffentlich wird die gemeinsam verbrachte Zeit die Jugendlichen prägen und verbinden.

Besteht die Tendenz, dass junge Leute nach der Konfirmation den Bezug zur Kirche verlieren? Die Spiritualität oder Frömmigkeit ist ein Geheimnis, das sich nicht einfach so zum Beispiel am regelmässigen Besuch des Sonntagsgottesdienstes ableiten lässt. Viele junge Leute pflegen heutzutage das mutige Hinterfragen und intelligente Nachfragen und sind dadurch Agnostiker. Aber da liegt auch eine Chance für uns. Ob deren Integration in die Glaubensgemeinschaft gelingen mag, steht in den Sternen geschrieben. Nicht von der Hand lässt sich weisen, dass die Distanz der jungen Leute und ebenso der Familien zur Kirche in der letzten Zeit grösser geworden ist. Wie können junge Erwachsene dazu gewonnen werden, aktive Kirchbürger zu bleiben? Im Mittelpunkt bleibt die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach der Möglichkeit eines bewussten Lebens. Just junge Leute sind begabt darin, die Tiefendimension des Lebens in ungewohnten Denkbewegungen, in Sehnsüchten und Erfahrungen sensibel zu entdecken. Es liegt an uns, der Kirchgemeinde, der Kirche an sich, neue Formen zu finden, neue Angebote zu schaffen, die jugendliche Gruppen ansprechen und zum Mitmachen einladen. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre eigene Konfirmation? Ich bin in Siebenbürgen in Rumänien in einer ungarischstämmigen Familie aufgewachsen und im Jahr 1984 konfirmiert worden. Die Konfirmation habe ich als ein wunderbares Ereignis in Erinnerung behalten. Und dies, obwohl die Umstände im kommunistisch- sozialistischen Rumänien speziell für Christinnen und Christen nicht einfach waren. Ich habe denn die Konfirmation auch als einen politischen Protestakt verstanden und erlebt. Nach meinem Gerechtigkeitsempfinden wollte ich politisch inkorrekt sein. Wie ist Ihr kirchlicher Werdegang nach Ihrer Konfirmation ausgefallen? Ich bin in einem Pfarrhaus der reformierten Kirche aufgewachsen. Von daher bin ich vollends natürlich in die Religion hineingewachsen. Das Christsein habe ich denn als etwas gänzlich Selbstverständliches wahrgenommen. Als Frau in Rumänien Theologie zu studieren, war damals nahezu unmöglich. Gerade an diesem Punkt habe ich erfahren dürfen, was die «Providentia Dei» mit bedingungsloser Liebe alles im Leben, auch in meinem Leben, bewirken kann. So habe ich dann nach der Wende in Budapest Theologie studieren dürfen. Schliesslich bin ich im Jahr 1996 dank eines Stipendiums in der Universität Zürich gelandet, an der ich einige Jahre Assistentin an der Theologischen Fakultät gewesen bin. Zu meinen Privilegien im Leben gehört, seit dem Jahr 2012 hier in der reformierten Kirchgemeinde Einsiedeln als Pfarrerin in einem 25-Prozent-Pensum angestellt zu sein und zudem an der Stiftsschule Einsiedeln das Fach Religion unterrichten zu dürfen. Soli Deo Gloria!

«Viele junge Leute pflegen das mutige Hinterfragen und intelligente Nachfragen und sind dadurch Agnostiker.»

Die Pfarrerin Réka Jaeggi-Nagy posiert im Pfarrhaus der reformierten Kirchgemeinde Einsiedeln.

Foto: Magnus Leibundgut

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