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«Ich vermisse die Inputs

«Ich vermisse die Inputs «Ich vermisse die Inputs

von Stammtischrunden»

Medial ist Einsiedelns CVP-Nationalrat Alois Gmür in den vergangenen Tagen und Wochen national recht aktiv. Zur Einsiedler Politik äussert er sich nur, wenn es ihm wichtig erscheint, wie er im Exklusiv-Interview erklärt.

WOLFGANG HOLZ

Wie gehts Ihnen, Herr Gmür?

Gesundheitlich und familiär geht es mir sehr gut. Wir hatten im Kreise der ganzen Familie einen schönen Muttertag. Geschäftlich leidet wegen den Coronaeinschränkungen unser Familienbetrieb stark. Politisch ist im Gegensatz zum Brauereibetrieb viel los und es ist anspruchsvoll. Man hat in letzter Zeit immer mehr den Eindruck, dass Sie sich zu allen möglichen aktuellen Fragen äussern, die da durch den politischen Äther schwingen. Jüngst haben Sie sich etwa zu den Kosten der Corona-Selbsttests geäussert. Sind Sie so stark medial vertreten, weil Sie einfach gerne Anfragen von Journalisten beantworten, die wissen: Der Gmür sagt sicher etwas dazu? Oder woran liegts? Ich bin Mitglied der Finanzkommission und der Sicherheitskommission. In der Finanzkommission werden alle Geschäfte beraten, die finanzielle Auswirkungen haben,und das sind momentan sehr viele. Die Corona-Selbsttests zum Beispiel kosten zirka 2000 Millionen Franken. Der Bundesrat beantragt dieses Geld mittels einem Nachtrag, den das Parlament in der Sommersession genehmigen sollte. Als Finanzpolitiker ist es meine Aufgabe, diesen Betrag zu hinterfragen und abzuklären, ob sich dieser Aufwand bei einer Trefferquote von 0,15 Prozent lohnt. Auch gewisse Journalisten stellen diesen Betrag infrage und fragen bei Politikern nach. In der Sicherheitskommission haben wir ebenfalls brisante Geschäfte wie aktuell das DNA-Gesetz. Auch hier haben Journalisten Fragen an die Politik. Ich erachte es als meine Aufgabe, Fragen von Medienschaffenden zu beantworten.

Sie sind nun seit zehn Jahren Nationalrat. Gleichzeitig sind Sie ein leidenschaftlicher Politiker, der gerne debattiert und sich gerne engagiert. Ist Ihnen Bundesbern ein Stück weit zu langweilig geworden als Politiker, und ist das ein Stück weit der Grund für Ihre politische Einmischung auf allen Kanälen? Als Politiker war es mir noch nie langweilig. Gerade letzte Woche wurde in der Sondersession das DNA-Gesetz beraten. Ich war bei dieser Vorlage Fraktionssprecher und wurde deshalb wiederum schweizweit in einigen Medien zitiert.

Als Einsiedler Braumeister ist Ihnen die Institution Stammtisch mehr als vertraut. Sind Sie noch ein echter Stammtischpolitiker, der in bester Manier spontan zu allem Stellung nehmen kann und will und der das Ohr ganz nah beim politischen Volk hat?

Leider ist es momentan verboten, sich an Stammtischen zu treffen. An Stammtischen zu diskutieren und einander in die Augen zu schauen, ist allemal besser, als seine Meinung über Facebook, Twitter und Co mehr oder weniger aggressiv kundzutun. Ich vermisse die Inputs von Stammtischrunden und freue mich darauf, bei einem Bier verschiedene Meinungen und Ansichten zu hören und zu diskutieren. Da spürt man die Menschen noch.

Kann Ihre mediale Präsenz auch damit zu tun haben, dass Sie nach den heftigen Anfeindungen, die Ihnen nach dem Sühudiumzug in Einsiedeln in Sachen Corona zuteil wurden, einfach noch Redebedarf haben? Am Sühudiumzug habe ich alles gesagt, was es zu sagen gab. Ich würde mich auch heute noch gleich äussern. Die Ansteckungszahlen sind gesunken. Auch die Task Force hat im Nachhinein festgestellt, dass die Ansteckungsgefahr im Freien klein ist. Übrigens möchte Bundesrat Ueli Maurer das nächste Jahr ebenfalls am Sühudiumzug dabei sein. Auch Bundesrätin Karin Keller-Suter hat mich im positiven Sinn auf meinen Fasnachtsauftritt angesprochen. Wie beurteilen Sie heute, aus zeitlicher Distanz, persönlich die Ereignisse um den umstrittenen Sühudiumzug, der ja landesweit wegen des Bruchs der Corona-Regeln eine Welle aus Schimpf und Schande über das Klosterdorf und auch über Sie gespült hat? Die Reaktionen waren übertrieben. Die Medien hatten mit diesem Ereignis ihre Geschichten und konnten über etwas berichten. Dem guten Ruf von Einsiedeln hat das nicht geschadet. Zu Einsiedeln selbst äussern Sie sich als früherer Bezirksammann gefühlt nicht so oft in den Medien. Läuft hier alles rund – und wie sehen Sie etwa die Causa Bingisser im Nachhinein? Ich war 18 Jahre im Bezirksrat, davon 4 Jahre als Bezirksammann. Das war eine schöne und interessante Zeit. Es ist das politische Amt, in dem man am meisten etwas bewirken kann. Der Bezirksrat versucht seit jeher, gute Arbeit zu machen. Ich habe alle Achtung vor den Personen, die sich in diesem Gremium engagieren und bin ein Verfechter des Milizsystems. Manchmal ist es aber schwer, alles unter einen Hut zu bringen. Gerade für einen Gewerbler kann das politische Engagement Nachteile bringen und umgekehrt kann das berufliche Engagement für einen Politiker zum Nachteil werden. Und das ist im Fall Bingisser wahrscheinlich so passiert. Im Beruf aber auch in der Familie müssen die Voraussetzungen stimmen, um für die Öffentlichkeit gute Arbeit leisten zu können und glaubwürdig zu sein. Falls ich es als wichtig erachte, äussere ich mich zur Bezirkspolitik. Das habe ich beim Einsiedlerhof und beim Sihlseeviadukt gemacht.

Corona ist und bleibt das politische Dauerthema schlechthin. Was ist Ihre Position inzwischen?

Ich war am vergangenen Freitag in der Funktion als Präsident der parlamentarischen Gruppe Gastgewerbe mit Wirtin und Nationalrätin Esther Friedli und Gastropräsident Casimir Platzer bei Bundesrat Berset. Wir haben die Anliegen der Branche vorgebracht und Bundesrat Berset hat seine Bedingungen für die Öffnungen der Innenräume erörtert. Dabei wurde die halbherzige Erfassung der persönlichen Daten seitens der Wirte von Berset und seiner Entourage kritisiert. Hier gibt es noch Verbesserungspotenzial seitens Gastro Suisse. So wie ich es beurteile, werden die Gastroinnenräume bald geöffnet werden. Persönlich bin ich der Meinung, der Bundesrat hat einige Fehlentscheide gefällt. Wenn ich aber die Massnahmen in unseren Nachbarländern beurteile, bin ich mit unserem Bundesrat zufrieden.

Sind Sie selbst denn schon geimpft – und haben Sie eine Idee, wie man die Impfaktionen beschleunigen könnte? Schliesslich scheint Impfen der einzige Ausweg aus der Pandemie und der Weg zu mehr Normalität zu sein? Die erste Impfdosis habe ich erhalten. Wenn wir aus dieser Pandemie herauskommen wollen, dann nur mit Impfen. Ich hoffe nicht, dass wir in ein paar Wochen zu viele Impfdosen und zu wenig Impfwillige haben. Dies könnte sogar Wirklichkeit werden, denn mir sagen viele Leute, dass sie sich nicht impfen wollen. Was halten Sie von den geplanten Privilegien für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete. Schafft das nicht eine Zweiklassengesellschaft?

Das Testen erachte ich als nicht zielführend. Geimpfte und Genesene sollen Privilegien erhalten. Sie sind mittlerweile 68 Jahre alt, wirken als Politiker aber noch immer taufrisch, bestens aufgelegt und überaus aktiv. Wie lange wollen Sie noch Nationalrat sein? Oder treiben Sie auch noch andere politische Ziele um? Ich bin aktuell 66 Jahre alt. Die Arbeit in der Politik mache ich gerne. Mit 76 Jahren werde ich aber nicht mehr in Bern politisieren.

«Übrigens möchte Bundesrat Ueli Maurer das nächste Jahr ebenfalls am Sühudiumzug dabei sein.»

Alois Gmür, CVP-Nationalrat Einsiedeln

«Wenn wir aus dieser Pandemie herauskommen wollen, dann nur mit Impfen.»

Einsiedelns CVP-Nationalrat Alois Gmür hat die erste Impfdosis erhalten. Foto: zvg

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