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«Einsiedler Bauernkinder leiden weniger unter Heuschnupfen»

«Einsiedler Bauernkinder leiden weniger unter Heuschnupfen» «Einsiedler Bauernkinder leiden weniger unter Heuschnupfen»

Der Klimawandel erhöhe die Pollenbelastung signifikant, sagt Regula Gehrig von Meteo Schweiz: «Der Bezirk Einsiedeln ist zudem exponiert. Westwind und Bise blasen Pollen aus dem Unterland ins Klosterdorf.»

MAGNUS LEIUNDGUT

Wie ist der Stand der Dinge derzeit in Sachen Pollenbelastung in Einsiedeln? Auf Höhenlagen von rund tausend Metern ist derzeit das Blühen von Eschen und Birken zu beobachten. Allerdings scheint die Spitze bei diesen Baumarten bereits überschritten zu sein. Demnächst werden denn Gräserpollen im Bezirk Einsiedeln zum Thema: Allerdings später als etwa vor einem Jahr, als die Vegetation aufgrund des milden Winters und Frühlings einen Vorsprung hatte. Derzeit häufen sich auffällig Bisen- und Westwindlagen: Welche Rolle spielt der Wind bei der Pollenbelastung? Der Wind spielt eine wesentliche Rolle bei der Pollenbelastung, vor allem in Regionen, die dem Wind ausgesetzt sind. Der Bezirk Einsiedeln ist exponiert: Westwind und Bise blasen Pollen aus dem Unterland ins Klosterdorf. Und da diese Windlagen in diesem Frühling häufig vorkommen, steigt dementsprechend die Pollenbelastung in der Region Einsiedeln. Naturgemäss vor allem an sonnigen Tagen. Welche Rolle spielt die Klimaveränderung für die Pollenbelastung?

Der Klimawandel erhöht die Pollenbelastung signifikant. Mehr Kohlendioxid in der Luft und höhere Temperaturen fördern das Pflanzenwachstum. Abgesehen davon, dass die Klimaveränderung auch die Dauer der Pollensaison verlängert: Die Bäume blühen früher, die Gräser länger. Welche Baumarten blühen heuer aufgrund des Zyklus besonders stark?

Pollenallergiker waren im letzten Jahr wie auch 2018 besonders geplagt, weil Esche, Birke und Buche zyklusbedingt besonders stark geblüht haben. Allergiker können heuer ein Stück weit aufatmen: In diesem Jahr ist für die angesprochenen Baumarten zyklusbedingt ein eher gedämpftes Blühen zu erwarten. Ein Zyklus erfolgt einerseits in einer bestimmten Regelmässigkeit, ist aber auch vom Wetter abhängig. Welche Rolle spielt die Eschenwelke? Sorgt diese Krankheit für ein Ausfallen der Eschenblüte? Bezüglich der Eschenblüte werden unterschiedliche Beobachtungen gemacht. Das Auftreten der Eschenwelke bedeutet nicht automatisch, dass der Baum nicht mehr blühen mag. Es kann sogar das Gegenteil auftreten: Wegen der Pilzkrankheit kommt es zu einer Notblüte bei der Esche – sie blüht dann besonders intensiv. Eine Notblüte beschreibt eine Blütenbildung, die durch Stress der Pflanze ausgelöst wird. Welche Pollen sind federführend in Einsiedeln? Einsiedeln liegt inmitten einer Landwirtschaftszone mit vielen Wiesen. Dementsprechend sind hier Gräserpollen vorherrschend. Wer allergisch auf Gräserpollen reagiert, wäre froh, wenn die Bauern das Gras häufig schneiden würden, damit weniger Gräser blühen. Der erste Schnitt von extensiven Ökowiesen, für welche die Bauern wegen des späten Schnittzeitpunkts Prämien erhalten, darf im Talgebiet allerdings frühestens ab dem 15. Juni vorgenommen werden, um die Biodiversität zu erhalten. Naturgemäss wachsen auch Erlen, Hasel, Birken und Eschen in der Voralpenregion Einsiedeln: Allerdings sind diese Baumarten hier nicht ganz so verbreitet wie im Mittelland.

Neuerdings ziehen Hitzegeplagte vermehrt von der heissen Stadt ins kühle Klosterdorf. Macht es auch für Heuschnupfen- Geplagte Sinn, vom Unterland nach Einsiedeln zu ziehen, um weniger unter ihrer Pollenallergie leiden zu müssen?

Davon würde ich dringendst abraten, weil zum Beispiel eben gerade die Gräserpollen ein Problem bedeuten können für die Bewohner von Einsiedeln. Das Klosterdorf liegt zu tief: Wer wirklich den Pollen entfliehen will, muss höher hinauf: Ab etwa 1500 Metern über Meer ist eine Entspannung in Sicht. In Davos etwa leiden Pollenallergiker spürbar weniger. Davos hat auch, ganz im Gegensatz zu Einsiedeln, den Vorteil, dass es sehr windgeschützt liegt. Wer also von Zürich nach Einsiedeln flieht, muss damit rechnen, dass mit ihm die Pollen mit dem Wind vom Zürichsee an den Sihlsee fliegen. Wieso leiden immer mehr Menschen unter Heuschnupfen? Das liegt hauptsächlich an der Umwelt, an der Lebensweise der Menschen und an der Luftverschmutzung. Einsiedler Bauernkinder leiden derweil weniger unter Heuschnupfen. Kinder, die Milch vom Hof trinken und sich oft im Stall aufhalten, leiden weniger an Heuschnupfen. Je mehr Endotoxin, ein Bestandteil bestimmter Bakterien, in der Umgebung der Kinder vorkommt, desto weniger leiden sie an Asthma oder Heuschnupfen. Und auf einem Bauernhof gibt es nun einmal mehr solche Mikroben als in einer blankgescheuerten Stadtwohnung. Wer ist weniger, wer ist stärker von solchen Allergien betroffen?

Wer in einer allzu hygienischen Umwelt aufwächst, hat ein grösseres Risiko, eine Pollenallergie zu entwickeln. Es gibt zudem auch eine genetische Disposition: Die Wahrscheinlichkeit, an einer Pollenallergie zu leiden, erhöht sich signifikant, wenn zum Beispiel beide Eltern diese Allergie haben. Haben Pollen selber auch eine Wirkung, auf dass denn die Zahl an Allergien stetig ansteigt? Durchaus, auf indirekte Art und Weise – und zwar just wegen der Luftverschmutzung: Wegen Schadstoffen in der Luft kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Pollen und Schwebestaubpartikeln: Pollen aus Belastungsgebieten sind mit Schadstoffpartikeln bedeckt und in ihrem Allergengehalt verändert, was deren Wirkung verstärken kann. Was mit sich führt, dass die Pollen gewissermassen aggressiver auftreten und das Immunsystem von Allergikern erst recht reizt.

In der Region Einsiedeln erblühen die Wiesen: Bei Allergikern lösen Gräserpollen Heuschnupfen aus. Fotos: zvg

Eine Birke in der Blüte: Viele leiden unter der Pollenallergie, welche diese Baumart auslöst.

Trotz der Pilzkrankheit Eschenwelke blühen auch in diesem Jahr die Eschen im Bezirk Einsiedeln.

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