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«Es gibt kein Raserproblem»

«Es gibt kein Raserproblem» «Es gibt kein Raserproblem»

Armin Ulrich, Chef Sicherheitspolizei, nimmt Stellung zur Verkehrssicherheit im Bezirk Einsiedeln

Werden die Strassen im Klosterdorf immer unsicherer? Im Bezirk Einsiedeln hat sich die Zahl der Unfälle markant erhöht: 2020 wurden 91 Unfälle registriert – im Vorjahr gab es 66 Unfälle. Besorgniserregend ist zudem die kantonsweite Zunahme um 15 auf 44 Fussgängerunfälle.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wieso hat sich die Zahl der Unfälle im Bezirk Einsiedeln 2020 derart stark erhöht im Vergleich zum Vorjahr? Im Jahr 2019 haben sich im Bezirk Einsiedeln 66 Verkehrsunfälle ereignet. Im Jahr 2020 waren es 91. Genaue Gründe für die Unfallzunahme sind nicht ersichtlich. Die Unfallzahlen in den einzelnen Gemeinden und auch auf dem Gebiet des Kantons Schwyz sind jeweils mehr oder weniger starken Schwankungen unterworfen. Gibt es ausgewiesene Schwachstellen im Bezirk Einsiedeln, die behoben werden müssen? Eigentliche Unfallschwerpunkte können im Bezirk Einsiedeln keine ausgemacht werden. Die Verkehrsunfälle sind über den gesamten Bezirk verteilt und konzentrieren sich vor allem auf das Dorf Einsiedeln und auf die Hauptverbindungsstrassen. In diesen Bereichen ist die Verkehrsdichte (unterschiedliche Verkehrsteilnehmer) besonderes hoch, was zu vermehrten Unfällen führen kann.

Ins Auge sticht die steigende Zahl der Fussgängerunfälle: Wie erklären Sie sich diesen Umstand? Auch hier sind Schwankungen vorhanden. Nach zwei Jahren (2017 und 2018) mit sehr wenig Fussgängerunfällen, sind diese bereits im Jahr 2019 auf fünf angestiegen.

Tut eine Analyse der für Fussgänger gefährlichen Stellen not? Die Situation rund um den Fussgängerverkehr wird fortlaufend beurteilt, und sofern nötig werden Massnahmen getroffen. In der Verantwortung ist grundsätzlich der Strasseneigentümer. Die Kantonspolizei Schwyz wirkt hier beratend. Im Klosterdorf kommt es regelmässig zu schweren Unfällen mit Kindern: Sind die Schulwege in Einsiedeln nicht sicher genug?

Wie in anderen Gemeinden kommt es auch in Einsiedeln zu Unfällen mit Kindern. Die Zahlen – sowohl auf dem Kantonsgebiet wie auch im Bezirk Einsiedeln – sind Schwankungen unterworfen. Auch wenn im Jahr 2020 eine Zunahme zu verzeichnen war und jeder Unfall einer zu viel ist, darf man die Schulwegsicherheit in Einsiedeln als soweit sicher bezeichnen. Die Bevölkerung fordert mehr Sicherheit auf den Schulwegen. Muss sie sich an die Kantonspolizei Schwyz oder an den Bezirk Einsiedeln wenden?

Im Grundsatz liegt die Verantwortung für die bauliche Sicherheit der Schulwege beim Strasseneigentümer. Entsprechend sind solche Begehren an den Bezirk zu stellen. Die Kantonspolizei nimmt zu Handen des Strasseneigentümers beziehungsweise des Tiefbauamtes des Kantons Schwyz mittels Mitbericht zu den geplanten Strassenbauprojekten Stellung. Die Kantonspolizei berät die zuständigen Kommunalbehörden, wenn es um Fragen rund um ihre Schulwegplanung und damit verbundene örtliche Massnahmen im Bereich der Sensibilisierung von Eltern, Kindern oder Verkehrsteilnehmern geht. Welche Rolle kommt der Prävention zu?

Ergänzend tragen die Massnahmen der Verkehrserziehung zur erhöhten Sicherheit auf Schulwegen bei. Diese ist ein Gemeinschaftswerk im Präventionsdreieck Eltern-Schule-Polizei. Ergänzend zur Erziehungsarbeit der Eltern im Strassenverkehr führt die Kantonspolizei Schwyz in den Schulen flächendeckende Präventionslektionen durch und steht Eltern und Schulverantwortlichen bei individuellen Fragestellungen beratend zur Seite.

Wie stellen Sie sich zur Forderung nach mehr Tempo-30-Zonen im Klosterdorf? Es ist nicht Sache der Kantonspolizei, über Geschwindigkeitsregime in einer Ortschaft zu befinden. Zu allfälligen Projekten nimmt der Fachdienst Verkehr der Kantonspolizei Schwyz Stellung und prüft die Einhaltung von Normen und gesetzlichen Vorgaben. Zuständig für die Verkehrsanordnungen ist die Exekutive des Strassenträgers. Es können von den zuständigen Behörden auf öffentlichen Strassen Verkehrsanordnungen erlassen werden, soweit der Schutz der Bewohner oder gleichermassen Betroffener vor Lärm und Luftverschmutzung, die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen, die Sicherheit, die Erleichterung oder die Regelung des Verkehrs, der Schutz der Strasse oder andere in den örtlichen Verhältnissen liegende Gründe dies erfordern.

Was heisst das konkret?

In Zusammenarbeit mit dem kantonalen Tiefbauamt begleitet die Kantonspolizei diese Planungsprozesse und überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und Normen sowie die korrekte Umsetzung gemäss Signalisationsverordnung SSV. Ein Thema sind gleichsam Velound insbesondere E-Bike-Unfälle: Unterschätzen die Velofahrer die Geschwindigkeit ihres Gefährts? Es wird schweizweit eine eher steigende Anzahl an Unfällen mit Fahrrädern und im Speziellen mit E-Bikes festgestellt – sowohl bei Selbstunfällen als auch bei Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden. Dieser Umstand hat verschiedene Ursachen. Die E-Bikes (insbesondere auch die schnellen Versionen) haben einen regelrechten Boom erlebt – entsprechend sind mehr solche Zweiradfahrzeuge im Verkehr. Die Unterstützung des Elektromotors erlaubt es, auch älteren Menschen mit dem Zweirad wieder unterwegs zu sein. In dieser Altersgruppe kann es durchaus sein, dass die doch beträchtliche Geschwindigkeit, die erreicht werden kann, in einem Missverhältnis zur Reaktionsfähigkeit sowie dem Erkennen von Verkehrssituationen steht.

Welche Rolle spielen die Autofahrer dabei?

Auch für Automobilisten und Motorradfahrer ist es oftmals schwierig, die hohe Geschwindigkeit eines E-Bikes zu erkennen und richtig einzuschätzen. Die höheren Geschwindigkeiten führen bei Unfallereignissen oftmals auch zu schweren Verletzungen.

Vor allem am Wochenende und nachts wird gebrettert, dass Gott erbarm. Über den Willerzeller Viadukt wird mit weit über 100 km/h gerast. Existiert im Bezirk Einsiedeln, aber auch in Richtung Unteriberg, ein Raserproblem?

Gemäss unseren Feststellungen besteht kein generelles Raserproblem in der genannten Gegend. Es ist aber unbestritten, dass gewisse Strassenabschnitte, mit entsprechend geeigneter Linienführung, durchaus zu einem eher zügigen Fahrstil verleiten können.

Reagiert die Polizei mit mehr Kontrollen darauf?

Die Geschwindigkeitskontrollen der Kantonspolizei werden aufgrund verschiedener Indikatoren geplant und vorgenommen. Es fliessen eigene Feststellungen, Meldungen aus der Bevölkerung, Baustellen, gefährliche oder veränderte Verkehrsführungen, Unfallvorkommnisse sowie saisonale Phänomene wie beliebte Motorradstrecken usw. in diese Planung ein. Es ist zu erwähnen, dass die Geschwindigkeitskontrollen in erster Linie präventiven Charakter haben und entsprechend auch an Stellen mit erhöhtem Unfallrisiko, auf Schulwegen und vor Schulhäusern vorgenommen werden.

Dann wird mit Kontrollen nicht explizit der Raserei einen Riegel geschoben? Geschwindigkeitskontrollen haben gerade bei der Feststellung und Ahndung von unverbesserlichen Verkehrsteilnehmern selbstredend einen repressiven Anteil. Eine Kontrolle Ende März hat deutlich aufgezeigt, dass solche Fahrzeuglenker in rücksichtloser Art und Weise am Verkehrsgeschehen teilnehmen und durch ihr Verhalten ein hohes Unfallrisiko für sich und andere darstellen. Ein Junglenker wurde mit 117/km/h auf einem der Sihlseeviadukte vom Messgerät erfasst. Er musste seinen erst vor Kurzem zurückerhaltenen Führerausweis an Ort und Stelle wieder abgeben. Welche Themen nimmt die Kantonspolizei Schwyz in kommenden Kampagnen auf, welche die Sicherheit auf den Strassen betreffen?

Die Kantonspolizei Schwyz nimmt regelmässig auch an schweizweiten und regionalen Verkehrssicherheitskampagnen (zum Beispiel Schulanfang, Ablenkung, Fahrfähigkeit) teil. Gehen Sie davon aus, dass mit den geplanten Öffnungen und Lockerungen noch mehr los sein wird auf den Strassen? Der Ausflugsverkehr ist in den Sommermonaten generell eher ansteigend. Er ist auch von verschiedenen Faktoren wie Wetter, Veranstaltungen usw. abhängig. Falls es aber nicht oder nur beschränkt möglich sein wird, in den Sommerferien ins Ausland zu reisen, so muss in der Tat mit erhöhtem Verkehrsaufkommen in den Ausflugsregionen gerechnet werden.

«Man darf die Schulwegsicherheit in Einsiedeln als soweit sicher bezeichnen.» «Es wird eine steigende Zahl an Unfällen mit Velos und mit E-Bikes festgestellt.» «Gewisse Strassenabschnitte können durchaus zu einem eher zügigen Fahrstil verleiten.» «Eine Kontrolle hat aufgezeigt, dass Autofahrer durch ihr Verhalten ein hohes Unfallrisiko darstellen.»

Der Willerzeller Viadukt im Fokus: Kürzlich wurde ein Junglenker mit 117 km/h auf dieser Brücke erwischt – er musste seinen Führerausweis an Ort und Stelle abgeben.

Foto: zvg

Armin Ulrich, Chef Sicherheitspolizei, referiert über die Unfallstatistik der Kantonspolizei Schwyz.

Foto: Magnus Leibundgut

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