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«Es kommen weniger Senioren zu uns aus Angst vor dem Virus»

Die Corona-Pandemie stellt die Alters- und Pflegeheime in der Region vor grosse Herausforderungen: Zum einen führt das Virus zu einer finanziellen Belastung der Institutionen. Zum anderen haben die Heime mit sinkenden Eintrittszahlen zu kämpfen.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Die Belastung der Alters- und Pflegeheime war während der ersten Coronawelle gross. Darunter litt vor allem das Personal. Jetzt geht es in die andere Richtung. Viele Heime sind unterdessen im Land unterbelegt, was für die Pflegenden noch schlimmer ist. Laut Curaviva, dem Verband der Institutionen mit Unterstützungsbedarf, sind sechzig Prozent der Pflegeheime von einer Reduktion von Neueintritten und einer geringeren Bettenbelegung betroffen. Es drohen Defizite in den Heimen und Entlassungen von Pflegenden.

Belegung des Heims sinkt

Eine Einbusse von mehr als zehn Prozent bei den Bewohnerzahlen verzeichnet das Alters- und Pflegeheim Ybrig in Unteriberg im vergangenen Jahr: «Es kommen weniger Senioren zu uns aus Angst vor dem Virus und vor den Massnahmen», sagt der Heimleiter Martin Baumann. Naturgemäss sorgt eine tiefere Belegung der Plätze für eine grössere Einbusse in der Erfolgsrechnung.

Es kommen zusätzliche Kosten für das Heim hinzu, die aufgrund der Corona-Pandemie ausgelöst werden. Baumann rechnet mit Mehrkosten in der Höhe von über 100’000 Franken, die für das Material, Personalausfälle und Zusatzleistungen bezahlt werden müssen, die das Virus erfordert.

«In der Corona-Krise haben wir einen guten Austausch mit dem Kantonsärztlichen Dienst, mit dem Curaviva-Kantonalverband und den Heimen untereinander gepflegt. Dieser Austausch ist sehr hilfreich für uns», führt Baumann aus: «Der Umgang mit den Behörden war für uns nicht immer ganz einfach.» Der Bund habe die ganze Verantwortung nach der Heimschliessung beziehungsweise für die Lockerungen dem Kanton abgegeben. «Und der Kanton hat die Verantwortung an uns weitergegeben für die Erarbeitung und Einhaltung eines Schutzkonzepts», hält Baumann fest.

Maskenpflicht im Fokus

Der Kanton habe viele Statistiken verlangt, aber es kamen wenige Feedbacks zurück. «Zu grosser Verunsicherung und Unruhe führte zum Beispiel eine Formulierung in Sachen Aufhebung der Maskenpflicht für geimpfte Bewohnerinnen und Bewohner », stellt Martin Baumann fest: «Diese waren in der Folge der Meinung, die Maskenpflicht gelte nun nicht mehr. Also zogen sie die Masken ab, bevor eine Absprache mit anderen Heimen und dem Kanton erfolgen konnte.» «Die Tatsache, dass wir aktuell weiter an der Maskenpflicht für alle festhalten, bis eine klare Regelung getroffen ist, sorgt für grossen Unmut. Man spürt die Müdigkeit und die abnehmende Akzeptanz der aus unserer Sicht weiter notwendigen Massnahmen », betont der Heimleiter.

«Full house» meldet derweil das Alters- und Pflegeheim Langrüti in Einsiedeln: «Wir sind voll besetzt und führen eine Warteliste für Interessenten, die in unser Heim eintreten wollen», sagt der Heimleiter Markus Forster.

Mehrkosten fallen an Zwar sei es vorübergehend im letzten Jahr zu einem kantonalen Besuchsverbot gekommen: «Seit dem 18. Mai 2020 lag es in der Verantwortung der Heime, ein eigenes Schutzkonzept zu erstellen. Wir haben dieses gemeinsam in Absprache mit der Gerbe erstellt und umgesetzt. Wir versuchten immer möglichst eine gute Balance zwischen nicht zu strengen freiheitseinschränkenden Massnahmen und trotzdem genügend Sicherheit zu finden. Bei uns sind Besuche von Angehörigen auch in den Bewohnerzimmern erlaubt», schildert Forster: «Dies kann ein Grund sein dafür, dass Senioren noch immer gerne in unser Heim eintreten wollen und wir deswegen keinen Schwund an Bewohnern beklagen müssen.» «Es gab Ansteckungen mit dem Coronavirus bei den Bewohnern und Bewohnerinnen und auch beim Personal», erzählt Forster: «Eine Woche nach Abschluss der zweiten Impfungen gab es keine Ansteckungen bei den Bewohnern mehr.» Es seien auch Mehrkosten in Zusammenhang mit der Corona- Pandemie entstanden: Allein für das Material (Masken, Schutzanzüge, Desinfektionsmittel und so weiter) sind Kosten in der Höhe von 122’500 Franken aufgetreten. Ob sich der Kanton oder der Bund an diesen Mehrkosten beteiligen werde, sei derzeit noch offen, konstatiert der Heimleiter.

Im Umgang mit den Behörden hat Forster in dieser Corona-Krise unterschiedliche Erfahrungen gemacht: «Mit dem Kanton Schwyz hatten wir eine durchaus gute Zusammenarbeit und fühlten uns bestens aufgehoben. In welchem anderen Kanton kann ein Heimleiter auch direkt mit der Regierungsrätin und Gesundheitsdirektorin über Probleme sprechen?» Unklare Formulierungen Fragwürdig sei hingegen, dass der Bund in dieser Corona-Pandemie für die Alters- und Pflegeheime keine einheitliche Linie vorgegeben, sondern dies den Kantonen beziehungsweise den einzelnen Heimen aufgebürdet habe, meint Forster: «Auf diese Art und Weise wurden in den Alters- und Pflegeheimen in der Schweiz sehr unterschiedliche Schutzmassnahmen umgesetzt. Dies war für die Angehörigen und Bewohner oft unverständlich. » Forster erwähnt eine Kann-Formulierung in einer aktuellen Verordnung des Bundes: «Die Heimleitung kann die Maskenpflicht für geimpfte Bewohner und Bewohnerinnen in Absprache mit den kantonalen Behörden aufheben: Da wird die Verantwortung einfach auf ungebührliche Weise nach unten durchgereicht, statt dass der Bund eine klare und eindeutige gesamtschweizerische Empfehlung abgibt.» Da gäbe es doch so viele Fachleute in dieser Taskforce, die zum Beispiel gerade in dieser Frage den Heimen eine kompetente und fachlich fundierte Empfehlung aussprechen könnte.

Sinkende Eintrittszahlen

«In der ersten Phase der Pandemie konnte gesamtschweizerisch eine Zurückhaltung bezüglich Eintritte in Pflegeinstitutionen festgestellt werden», sagt Clemens Egli, Geschäftsführer im Alters- und Pflegezentrum Gerbe in Einsiedeln: «Dies war auch in der Gerbe der Fall. Mittlerweile hat sich bei den Eintritten von Bewohnern wieder eine gewisse Normalität eingespielt. Aktuell haben wir zwei Zimmer frei.» Die Pandemie habe klar aussergewöhnliche Mehrkosten generiert, hält der Geschäftsführer fest: «Der Verbrauch von Schutzmaterialien hat sich massiv erhöht. Dazu kommt, dass das Pflichtlager an Schutzmaterial aufgrund der Erkenntnisse aus der ersten Pandemiephase auf Anordnung stark aufgestockt werden musste.» Kosten von 100’000 Franken Ebenfalls seien die Intervalle von Reinigungen und Desinfektionen dem Schutzkonzept entsprechend angepasst worden. «Aber auch alltägliche Arbeitsabläufe erfolgen teilweise zeitintensiver», konstatiert Egli: «Die angelaufenen Mehrkosten belaufen sich auf einiges über 100’000 Franken.» Eine Entschädigung an die Alters- und Pflegeheime für diese Mehrkosten sei bis heute von keiner Seite vorgesehen.

«Die Zusammenarbeit mit dem kantonsärztlichen Dienst funktioniert gut», schildert Egli: «Zum Beispiel können Fragen bei Schutzmassnahmen, Verhalten und Massnahmen im Fall von Verdachtsfällen oder wenn Mitarbeitende einen positiven Covid- 19-Befund erhalten, sehr schnell und konstruktiv besprochen werden.»

Unterschiedliche Interessen

Zu gewissen Themen wünscht sich der Geschäftsführer von Seite des Kantons eine klarere Stellungnahme: «Speziell wenn medizinisches oder virologisches Fachwissen bei Entscheidungen mitberücksichtigt werden müssen.» Bei einer Wohngemeinschaft wie in einem Pflegeheim müssten bei den Schutzmassnahmen unterschiedliche Interessen und Ansprüche unter einen Hut gebracht werden. «Ich bin aber überzeugt, dass jede Institutionsleitung die Schutzmassnahmen nach bestem Wissen und Gewissen vornimmt», betont Egli.

«Der Umgang mit den Behörden war für uns nicht immer ganz einfach.»

Martin Baumann, Leiter im Alters- und Pflegeheim Ybrig

«Die Tatsache, dass wir an der Maskenpflicht festhalten, sorgt für grossen Unmut.»

Martin Baumann, Leiter im Alters- und Pflegeheim Ybrig

«Da wird die Verantwortung auf ungebührliche Weise nach unten durchgereicht.»

Markus Forster, Leiter Altersund Pflegeheim Langrüti

«Zu gewissen Themen wünsche ich mir vom Kanton eine klarere Stellungnahme.»

Clemens Egli, Leiter im Altersund Pflegezentrum Gerbe

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