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Bewusst geworden: Das Leben ist endlich

Bewusst geworden: Das Leben ist endlich Bewusst geworden: Das Leben ist endlich

Lisbeth Studhalter würde ihre Aufgabe beim Verein WABE ohne Wenn und Aber wieder machen

Ihre langjährige ehrenamtliche Tätigkeit als Kassierin und Einsatzleiterin des Vereins WABE (Wachen und Begleiten Schwerkranker und Sterbender) hat sie tief geprägt. Missen möchte sie auf keinen Fall die vielen persönlichen Gespräche, den bereichernden Erfahrungsaustausch und die Wertschätzung ihrer Arbeit.

MARLIES MATHIS

«Die Aufgabe als Einsatzleiterin beim Verein WABE, anfänglich mit Schwester Eugenia und seit 2018 mit Emmy Ruhstaller und Josy Kälin, hat mich geprägt und sensibel gemacht. Es ist mir bewusst geworden, dass achtsames Begleiten und Dasein mit Zuwendung für Menschen in der letzten Lebensphase ebenso wichtig ist wie die liebevolle Pflege der Eltern für ein neugeborenes Kind. Das bestätigen dankbare Begegnungen aus dem Begleitalltag immer wieder.» Mit diesen erkenntnisreichen Worten schliesst Lisbeth Studhalter ihren letzten Jahresbericht als Einsatzleiterin des Vereins WABE, Region Einsiedeln, Ybrig, Alpthal, zuhanden der Generalversammlung 2021. Wie so viele konnte allerdings auch diese Schlusssitzung Ende des letzten Monats nicht real, sondern musste auf schriftlichem Weg durchgeführt werden. Dies ist gerade bei diesem Verein doppelt schade, lebt er doch von den persönlichen Begegnungen, dem aufmerksamen Umgang miteinander und der gegenseitigen Unterstützung in schwierigen Situationen. Die insgesamt 15 Dienstjahre der aktiven Einsiedlerin für den Verein WABE werden aber später an einem Teamanlass gewiss noch gebührend gefeiert und verdankt.

Schon lange ein grosses Anliegen Dass es diesen kleinen, aber wichtigen Verein, der Schwerkranke und Sterbende begleitet und jederzeit die Würde und Autonomie des Menschen respektiert, überhaupt gibt, ist zu einem grossen Anteil ein Verdienst von Lisbeth Studhalter, zusammen mit gleichgesinnten Frauen in der Projektgruppe und später auch im WABE-Vorstand.

Auch wenn man es ihr aufgrund ihrer zierlichen Statur, ihrer eher leisen, geduldigen Art und ruhigen Ausstrahlung und ihrer angenehmen, überlegten Sprache kaum zutraut, so kann sie doch sehr ausdauernd und hartnäckig sein, wenn es um eine Sache geht, die ihr wichtig, ja eine Herzensangelegenheit ist. «Da kann ich jemandem sogar wirklich auf die Nerven gehen », ergänzt sie den Beschrieb ihres Charakters auf eine ihr eigene Weise schmunzelnd. Verein zum Wohle Schwerkranker und Sterbender Das Bedürfnis, mit wachem Auge und offenem Herzen im Dienste des Nächsten zu stehen, existierte in Einsiedeln und Umgebung schon sehr lange. Bereits Pater Maurus Burkard, langjähriger und 2014 verstorbener Pfarrer des Klosterdorfes, setzte den Gedanken, Schwerkranke und Sterbende zu begleiten und diese Phase des Lebens menschenwürdig mitzugestalten, mit einer Gruppe Frauen aus der Pfarrei um.

Als dann beim Erarbeiten des Altersleitbildes für Einsiedeln festgestellt wurde, dass in der Betreuung dieser Menschen eine Lücke vorhanden ist, hat sich die leider früh verstorbene Pflegefachfrau Monika Kalbermatten- Birchler für einen öffentlichen Verein mit konkreten Zielen zum Wohle Schwerkranker oder Sterbender engagiert. Dafür hat sie Frauen gesucht und gefunden, die sich für dieselbe Idee einsetzten und die gleichen Werte teilten.

Ehrenamtlichkeit ist gewachsen Kein Wunder, gehörte Lisbeth Studhalter innert Kürze zu diesem Kreis, war doch die gebürtige Solothurnerin längst durch ihre aktive ehrenamtliche Tätigkeit in verschiedensten Vereinen und Institutionen wie dem Pfarreirat, dem Frauenverein Einsiedeln, dem Verein Besuchs- und Begleitdienst bis hin zur gemeinnützigen Mitarbeit auf kantonaler Ebene bekannt. «Ausserdem kann ich schlecht nein sagen, wenn es um eine soziale und uns alle betreffende Angelegenheit geht», fügt sie, ihre Motivation für diese Aufgabe der Sorge füreinander unterstreichend, mit spürbarer Überzeugung an. Dabei sei sie dafür weder erblich vorbelastet gewesen, noch habe sie als gelernte Damenschneiderin einen prädestinierten Beruf für ein soziales Engagement ausgeübt.

Erfahrungen in England gesammelt

Eine prägende Erfahrung sei aber ihr England-Aufenthalt im Alter von 20 Jahren gewesen, wo sie in einem Spital für Querschnittgelähmte gearbeitet habe. Ausserdem habe sie zu ihrem grossen Glück einen Mann, der sie ihre ehrenamtlichen Aktivitäten in all den Jahren habe ausüben lassen, ja sie sogar stets darin unterstützt habe. Und auch aus persönlichem Interesse habe sie immer das vielfältige und bereichernde Weiterbildungsangebot der Caritas zum Thema Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen zusammen mit den Begleitpersonen genutzt.

Auf Spenden angewiesen

Die erste Aufgabe war es dann 2006, ein Konzept für den Verein WABE Einsiedeln zu erarbeiten. Dieses Konzept, das sich bereits andernorts bewährte, galt es auf die hiesigen Bedürfnisse anzupassen und erste Erfahrungen einfliessen zu lassen. Nach mehr als zwei Jahren Aufbauarbeit wurde der Verein WABE schliesslich am 24. Juni 2009 gegründet und Lisbeth Studhalter gleich zur Kassierin gewählt.

Kein leichtes Amt, war und ist doch das Angebot bis heute für alle unentgeltlich. Der Verein hat ausser den Mitgliederbeiträgen keine fixen Einnahmen und ist auf Spenden angewiesen. Da kamen der initiativen Einsiedlerin dann wieder ihr breitgefächertes Netz und ihre Beharrlichkeit zugute. Sie wusste, bei welchen Institutionen sie um finanzielle Unterstützung anfragen konnte.

Von morgens bis abends telefonisch erreichbar Eine weitere Aufgabe übernahm die rüstige Rentnerin 2013 mit dem Dienst als Einsatzleiterin beim Verein WABE. Zuerst während sechs Jahren zu zweit und später zu dritt waren und sind sie täglich von morgens bis abends für alle, welche den Dienst der Begleiterinnen und Begleiter in Anspruch nehmen wollen, telefonisch erreichbar – egal ob Spital, Alterszentren oder Private.

Auch wenn sie da zeitlich gefordert und angebunden war, so schwärmt sie doch geradezu von dieser Aufgabe, und sie vermisst diese Tätigkeit, seit sie das Amt ab Januar 2021 in die Hände von Rita Feier-Schnüriger übergeben hat.

715 Stunden am Bett verbracht

Die vielen persönlichen Gespräche, der gemeinsame Erfahrungsaustausch und der rege Kontakt mit der Gruppe und dem Vorstand, die gegenseitige Wertschätzung der Arbeit und die grosse Dankbarkeit hätten ihr viel gegeben. «Im Jahr 2018 leisteten unsere Begleitpersonen zum Beispiel 715 Stunden am Bett von unruhigen, schwerkranken und sterbenden Menschen im Spital, in den drei Altersheimen und privat. Das verlangte auch von den Einsatzleiterinnen gute Organisation und sorgfältige und gerechte Aufteilung der Nachteinsätze an die Begleitenden», veranschaulicht sie ihre Aufgabe.

Echte Aufsteller Ebenso seien ihr nebst zahlreichen positiven Erlebnissen mit ihren Kolleginnen und Kollegen weitere echte Aufsteller im Gedächtnis geblieben. Dazu gehören die erste grosszügige Spende der Raiffeisenbank Einsiedeln an ihren Verein anlässlich des 111-Jahr-Jubiläums, aber auch der Erhalt des Sozialpreises 2017 von der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Schwyz für alle sechs Gruppen im Kanton, mit entsprechend medialem Interesse.

So betont Lisbeth Studhalter zum Abschluss, dass sie die Aufgaben als Kassierin und als Einsatzleiterin beim Verein WABE ohne zu überlegen nochmals übernehmen würde, sei dies für sie doch ein bewusstes Geben und Nehmen. Und auch wenn in Einsiedeln und der Region noch viele Angehörige für ihre schwerkranken und sterbenden Familienmitglieder sorgen würden, so entspreche dieses Angebot doch einem grossen Bedürfnis, und mit dem Thema Endlichkeit unseres Lebens würden wir früher oder später alle einmal konfrontiert.

www.verein-wabe.ch 077/430’64’59

Während etlichen Jahren ist das einfache, aber zweckmässige Handy Lisbeth Studhalters wichtigstes und unverzichtbares Utensil für ihre Tätigkeit als Einsatzleiterin beim Verein WABE, Region Einsiedeln, Ybrig, Alpthal, gewesen.

Foto: Marlies Mathis

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