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Auch Schwyzer Sportlerinnen brechen das Tabu

Auch Schwyzer Sportlerinnen brechen das Tabu Auch Schwyzer Sportlerinnen brechen das Tabu

Immer mehr Athletinnen achten im Training auf ihren Menstruationszyklus

Immer mehr Athletinnen achten im Training auf ihren Menstruationszyklus. Auch Schwyzerinnen möchten das, nicht immer ist es möglich.

LAURA INDERBITZIN

Wie trainiere ich am besten, damit ich möglichst grosse Leistungsfortschritte erziele? Die Antwort auf diese Frage kennen vor allem Männer. Denn bei den allermeisten Studien im Themenfeld Training und Leistungsfähigkeit stehen Männer im Mittelpunkt. Auf dieser Grundlage werden Trainingspläne zusammengestellt. Und dann meistens sowohl für Männer als auch für Frauen angewandt.

Anpassung verlangt

Frauen müssen sich somit anpassen – obwohl gerade der weibliche Körper die Sache um ein Vielfaches verkompliziert: Aufgrund des Menstruationszyklus sind in Trainings von Frauen einige Tücken, aber auch viel Potenzial versteckt. Lange wurde das alles ignoriert. Seit drei, vier Jahren ist jedoch eine Entwicklung im Gange: Vermehrt gibt es Organisationen wie Swiss Olympic, Clubs wie der FC Chelsea Women und auch Athletinnen wie Skirennfahrerin Michelle Gisin, die das Thema Menstruation im Spitzensport enttabuisieren und im Training einbinden wollen.

«Habe wenig Beschwerden»

«Es ist nach wie vor ein Tabu, aber das Thema wurde bei uns in der Mannschaft auch schon behandelt», sagt Nicole Scherrer, die beim FC Luzern in der Women’s Super League spielt. Die 21-jährige Schwyzerin erzählt von einem Team-Workshop über Ernährung, bei dem auch das Thema Menstruation kurz angeschnitten wurde: Dabei ging es um die verschiedenen Phasen während des Zyklus und darum, wann Frauen am leistungsfähigsten sind – und wann eben weniger.

«Ich selbst kann mich glücklich schätzen, ich habe nur wenig Beschwerden. Ich merke aber schon, dass ich teilweise schlapper bin und meine Leistungen deswegen zurückgehen.» Ihre Motivation leide am meisten darunter: «Es gibt schon Tage, an denen es mir schwerfällt, mich fürs Training aufzuraffen. » Trotzdem kann Scherrer praktisch keine Rücksicht darauf nehmen und zyklusorientiert trainieren. «In einer Mannschaftssportart ist das fast unmöglich. Würde sich jede Spielerin ihrem ganz individuellen Zyklus anpassen, könnte es kaum noch ein gemeinsames Teamtraining geben», erklärt sie. Ihr Trainer nehme trotzdem Rücksicht, sie könnten problemlos ein Training auslassen, wenn sie grosse Beschwerden hätten. Die Morschacherin Andrea Waldis, die Teil des Rad-Bahn-Nationalmannschaftskaders ist, beschäftigt sich etwas intensiver mit dem Thema Zyklus. «Es war bei mir schon immer aktuell, allerdings setze ich mich seit Kurzem noch stärker damit auseinander », erzählt die 26-Jährige. Seit letztem Sommer, seit sie mit einer neuen, weiblichen Trainerin zusammenarbeitet, passt sie ihre Einheiten ihrem Menstruationszyklus an. «Es gibt nicht so viel Forschungsarbeit dazu, aber etwas ist klar: In der ersten Zyklushälfte, also kurz nach der Menstruation, sprechen Frauen besser auf Maximalkrafttraining an. Deshalb lege ich in dieser Zeit den Fokus darauf, das ist dann besonders effektiv.» Waldis hat bislang gute Erfahrungen damit gemacht. «Es bringt mich im Training weiter.» Zudem führt die Radrennfahrerin eine Art Tagebuch übers Training, den Schlaf, die Ernährung, den Gemütszustand und eben auch über den Zyklus. «Das hilft mir», freut sie sich. Eine Ungewissheit bleibt trotz ihrer Bemühungen. Wie Scherrer hat sie keine grossen Beschwerden, aber: «Wenn ich mich an einem Tag schlapp und weniger leistungsfähig fühle, ist es schwierig, das spezifisch auf einen Grund – also beispielsweise auf meinen Zyklus – zurückzuführen. Es ist mir dann oft nicht klar, ob es nicht doch wegen des anstrengenden Trainings vom Vortag, wegen zu wenig Schlaf oder wegen Problemchen im Freundeskreis sein könnte.» «Gibt keine wirkliche Entschuldigung für diese Zeit» Für Angélique Brugger ist es ein spezielles Thema. «Im Schwimmsport werden wir früh damit konfrontiert. Viele Mädchen und Frauen meiden das Wasser während ihrer Menstruation», sagt die Schwyzerin, die letztes Jahr an den Schweizer Meisterschaften Silber über 50 Meter Crawl und Gold mit der Staffel im freien Stil gewann. Sie persönlich habe nie grosse Probleme gehabt und sich deshalb bis jetzt noch nie ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Jedoch habe sie vor Kurzem einen Artikel dazu gelesen. «Ich habe dann meinen Trainer darauf angesprochen, und wir versuchen, uns besser darüber zu informieren. Es ist aber schwer, an Informationen ranzukommen, da es immer noch ein grosses Tabuthema ist», erzählt die 20-Jährige. Ohnehin sei es im Schwimmsport mit Teamtrainings leider kaum möglich, für jede Frau einen eigenen Trainingsplan zu schreiben.

«Es gibt schon Tage, an denen ich müde bin. Und ja, wir passen dann das Training bestmöglich an. Aber es gibt trotzdem keine wirkliche Entschuldigung für diese Zeit. Manche Trainer denken dann vielleicht auch, wir simulieren nur. Daher gerät der Zyklus im Trainingsalltag immer wieder in den Hintergrund, obwohl es eigentlich ein wichtiges Thema ist.»

Fussballerin Nicole Scherrer. Fotos: zvg

Mountainbikerin Andrea Waldis.

Schwimmerin Angélique Brugger.

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