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«Integration von Flüchtlingen wird immer schwieriger»

«Integration von Flüchtlingen  wird immer schwieriger» «Integration von Flüchtlingen  wird immer schwieriger»

Im Asylwesen des Bezirks Einsiedeln wird die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt mit ganzer Kraft angestrebt. Patricia Elmer und Osman Sadiku stehen Red und Antwort zu den Schwierigkeiten dieser Aufgabe in Zeiten der Corona-Pandemie.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Im Bezirk Einsiedeln wurden im letzten Jahr 171 Menschen betreut (97 Flüchtlinge und 74 Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene). 2019 waren es 163 Personen (87 Flüchtlinge und 76 Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene). Darunter finden sich 56 Personen, die nicht mehr im Verteilschlüssel berücksichtigt werden. Aus 15 Nationen sind im Jahr 2020 Menschen in Einsiedeln betreut worden: Die meisten stammen aus Syrien (56), Eritrea (40) und Afghanistan (31). Der Bezirk hat 120 Menschen zu betreuen «In den beiden letzten Jahren sind vermehrt Menschen aus der Türkei und dem Iran hier im Klosterdorf gelandet», sagt Patricia Elmer, Abteilungsleiterin Soziales und Gesundheit: «Seit Anfang dieses Jahres haben wir einen neuen Verteilschlüssel: Für Einsiedeln bedeutet dies eine Aufnahme von 131 Personen. Abzüglich Kompensationsanteil von elf Personen aufgrund des Durchgangszentrums Biberhof in Biberbrugg.» Somit hat der Bezirk schliesslich 120 Menschen zu betreuen. Allerdings wird per 1. Juli der Verteilschlüssel erneut angepasst: Ab dann sind es noch 109 Personen. Für wie viele Flüchtlinge muss der Bezirk aktuell finanziell selber aufkommen? «Nach fünf oder sieben Jahren werden die Flüchtlinge als Ausländer registriert», erklärt Elmer: «Aus diesem Grunde ist es nicht abschätzbar, welche Personen finanziell unabhängig sein werden.» 17 Leute machen eine Lehre, 36 sind arbeitstätig Während im Asylwesen des Bezirks, in dem die gesamten Personalkosten inkludiert sind, 2019 Kosten von rund 300'000 Franken angefallen sind, betragen diese im letzten Jahr rund 380'000 Franken. Im Budget 2021 ist für den Bereich Asyl ein Betrag in der Höhe von 460'000 Franken vorgesehen.

Im Jahr 2020 haben 17 Leute eine Lehre und zwei Schüler die Kanti besucht, acht Personen ein Brückenangebot in Angriff genommen und sechs Schüler eine Förderklasse besucht, zwei Personen Fachkurse absolviert, fünf ein Praktikum gemacht und zwanzig Leute einen Deutschkurs besucht. 36 Personen haben in einem Job gearbeitet.

Die Abteilungsleiterin listet auf, in welchen Branchen die Personen eine Anstellung gefunden haben: Gastgewerbe, Produktion, Reinigung, Detailhandel, Pflege, Bau, Informatik, Labor und Transport.

Wieso dürfen Asylsuchende nicht sofort arbeiten? «Bei Asylsuchenden ist das Gesuch um Asyl noch nicht abgeschlossen », erläutert Elmer: «Für Asylsuchende besteht während der ersten drei Monate nach dem Einreichen eines Asylgesuchs ein generelles Arbeitsverbot, das auf sechs Monate verlängert werden kann.» Eine vorübergehende Erwerbstätigkeit könne nach dieser Frist den Asylsuchenden bewilligt werden, falls es die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage erlauben und die Lohnund Arbeitsbedingungen sowie der Inländervorrang eingehalten würden.

Die Corona-Pandemie erschwert die Integration

«Anders ist der Fall bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen», führt Elmer aus: Für diese bestehe generell die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, da es im Interesse aller sei, dass diese Personen so rasch wie möglich beruflich integriert würden. Für diese bestehe auch die Möglichkeit, an Beschäftigungs- und Integrationsprojekten teilzunehmen.

Einen Höhepunkt in Sachen Zahl von Asylsuchenden ist im Jahr 2015 erreicht worden, als zahlreiche Syrer wegen des Krieges in ihrem Land nach Europa geflohen sind. Seither ist diese Zahl laufend gesunken. Wieso ist das so? «Es gibt Abschreckungsmassnahmen an den EU-Grenzen, Frontex an den Grenzen», konstatiert Elmer: «Zudem sorgt ein Abkommen mit der Türkei, dass syrische Flüchtlinge in der Türkei bleiben.» Überdies gäbe es restriktive Massnahmen seitens des Bundes und ein beschleunigtes Asylverfahren. Zu guter Letzt sind auch noch Beschränkungen im Reiseverkehr aufgrund der Corona- Pandemie entstanden.

Wegen Virus werden weniger Lehrstellen angeboten Auch auf die berufliche Integration von Flüchtlingen wirft die Corona-Pandemie ihren Schatten, indem sie diese erschwert: «Einige Personen haben wegen Corona ihre Arbeitsstelle verloren », sagt die Abteilungsleiterin Soziales und Gesundheit. «Die Stellensuche ist in gewissen Branchen wegen Covid-19 erschwert.» Es gebe weniger Lehr- und Arbeitsverträge aufgrund des Lockdowns, und es sei schwierig, Praktikumsstellen zu finden. Auch die Möglichkeit von Schnupperlehren sei gering. Vor allem das Gastgewerbe, in dem viele Flüchtlinge arbeiten, leide unter einem coronabedingten Arbeitsplatzabbau.

«Die Mehrheit der Personen zeigt Interesse und bemüht sich aktiv um Integration», sagt Osman Sadiku, Leiter des Asyl- und Flüchtlingswesens: «Das zeigt sich in den Sprachkompetenzen, in der Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung.» Es gäbe einige Personen, die aus gesundheitlichen Gründen oder mangelnden Ressourcen nicht «vorwärtskommen » würden.

Hilfsarbeiter-Jobs sind Mangelware geworden Dass Flüchtlinge nur wegen der Ergatterung einer Invalidenrente in die Schweiz kommen wollen, wie an Stammtischen kolportiert werde, sei falsch, sagt die Abteilungsleiterin: «Wer ein körperliches Gebrechen aus dem Heimatland in die Schweiz mitbringt, erhält hierzulande keine IV.» Die Integration werde immer schwieriger in diesen Zeiten, ergänzt Elmer: «Für Personen ohne Ausbildung ist es generell schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden.» Früher gab es Niedriglohnjobs für Hilfsarbeiter, Jobs am Fliessband: «In unserer Wirtschaftswelt sind diese Jobs Mangelware geworden. Umso schwerer haben es Leute, in der Arbeitswelt Fuss zu fassen.» Langzeitarbeitslose sind schwer zu integrieren Die Leute wollen gebraucht werden, präzisiert Sadiku: «Wer arbeitslos ist,wirdnichtgebraucht– und das macht depressiv.» Das sei exakt dasselbe wie bei den Schweizer Langzeitarbeitslosen, fügt Elmer an: «Diese wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist enorm schwierig.» Schliesslich führe eine gesellschaftliche Integration immer über die berufliche Integration.

In Einsiedeln leben derzeit zwei Asylsuchende, die einen negativen Entscheid erhalten haben. Bei beiden ist ein Verfahren in Sachen Härtefallregelung beziehungsweise Familienzusammenführung pendent. «Diese Personen bekommen eine Nothilfe», stellt Elmer klar: «Ihnen wird eine Unterkunft bezahlt und ihre Gesundheitskosten übernommen.» Elmer beschreibt die Auswirkungen der veränderten Gesetzeslage, die seit dem Jahr 2019 in Kraft ist, auf das Asylwesen in Einsiedeln: «Personen, die dem Bezirk zugewiesen werden, haben bereits einen positiven Asylentscheid, sind vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge.» Bezirk hat im Asylwesen den tiefsten Personalbestand Das führe dazu, dass viel weniger Asylsuchende in das Klosterdorf kommen würden. «Es ist sicher von Vorteil, dass wir mehr mit Leuten zu tun haben, die auch bei uns bleiben werden und nicht gleich wieder weg sind», fasst Elmer zusammen: «Auf der anderen Seite wird die Aufgabe der Integration immer komplexer, weil viel mehr Personen involviert sind.» Der administrative Bereich werde laufend noch aufwendiger.

Bräuchte es mehr Personal im Asylwesen des Bezirks Einsiedeln, um dieser anspruchsvollen Aufgabe gewachsen sein zu können? «Wir haben im Jahr 2017 unser Pensum auf 220 Stellenprozente aufgestockt, auf drei Mitarbeiter verteilt», sagt Elmer: «Damit haben wir im Asylwesen den tiefsten Personalbestand aller grossen Gemeinden im Kanton Schwyz. Wir sind im Bezirk mit unserem Asylund Flüchtlingswesen sehr kostengünstig unterwegs.» Der grosse Vorteil liege darin, dass in Einsiedeln eine dezentrale Unterbringung angestrebt werde, ergänzt Sadiku: «Wir bringen unsere Flüchtlinge in Wohnungen unter – statt in einer Kollektivunterkunft. Dort müssen sie selber kochen und haushalten und kommen eher in Kontakt mit Einheimischen: Das fördert ihre Integration.»

Patricia Elmer, Abteilungsleiterin Soziales und Gesundheit, und Osman Sadiku, Leiter des Asyl- und Flüchtlingswesens im Bezirk Einsiedeln, helfen Flüchtlingen, einen Weg in die Selbstständigkeit zu finden.

Foto: Magnus Leibundgut

«In den letzten Jahren sind viele Menschen aus der Türkei und dem Iran hier gelandet.»

Patricia Elmer, Leiterin Soziales und Gesundheit

«Einige Personen haben wegen der Corona-Pandemie ihre Arbeitsstelle verloren.»

Patricia Elmer

«Wer ein Gebrechen aus der Heimat in die Schweiz mitbringt, erhält hierzulande keine IV.»

Patricia Elmer

«Wer arbeitslos ist, wird nicht gebraucht – und das macht depressiv.»

Osman Sadiku, Leiter des Asyl- und Flüchtlingswesens

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