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«Mindestens 85 Mal den Tatentschluss zum deliktischen Handeln gefasst»

«Mindestens 85 Mal den Tatentschluss  zum deliktischen Handeln gefasst» «Mindestens 85 Mal den Tatentschluss  zum deliktischen Handeln gefasst»

Morgen Donnerstag beginnt der Prozess gegen den früheren Logistikchef der Schwyzer Kantonspolizei. Es ist dies einer der spektakulärsten Schwyzer Justizfälle der letzten Jahre.

VICTOR KÄLIN

Auf morgen Donnerstag, 8. April, hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona den ersten Verhandlungstag angesetzt. Als Klägerin tritt die Bundesanwaltschaft auf. In ihrer 31-seitigen Anklageschrift wirft sie dem vormaligen Logistikchef der Kantonspolizei Schwy mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz, mehrfache Veruntreuung, mehrfache Urkundenfälschung, mehrfache ungetreue Geschäftsführung sowie mehrfache Verletzung des Amtsgeheimnisses vor (EA 99/20). Den Kanton um 181’000 Franken geprellt Die Bundesanwaltschaft wirft dem heute 58-jährigen Einsiedler in der Hauptsache vor, zwischen 2009 und 2018 in seiner damaligen Funktion als Chefeinkäufer der Kantonspolizei Munition und Material im Gesamtwert von rund 181’000 Franken bestellt und bezahlt zu haben – und zwar im Namen der Kantonspolizei Schwyz. Aufgrund der Ermittlungen geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass allerdings weder Munition, noch Material bei der Kantonspolizei Verwendung gefunden haben. Vielmehr soll der Beschuldigte es «zu seinem eigenen Vorteil verwendet haben». Die Klägerin sieht damit den Tatbestand der «mehrfachen qualifizierten Veruntreuung und der mehrfachen ungetreuen Amtsführung» als erfüllt.

Den grössten Teil der beschafften Ware hat der Angeklagte aber nicht für sich behalten, sondern verkauft. Gemäss Anklageschrift soll er zwischen 2012 und 2013 eine Vielzahl von Waffen und Munition ohne Berechtigung an verschiedene Personen gewerbsmässig verkauft und über einen Darknet-Account angeboten haben. Bis zu seiner Verhaftung im Februar 2018 hat er gemäss Anklage zudem Waffen und Munition unerlaubt selbst besessen.

Den Kollegen gewarnt

Ein weiterer Anklagepunkt wirft dem 58-Jährigen eine mehrfache Verletzung des Amtsgeheimnisses vor. Zwischen Mai 2016 und August 2017 soll er seinem «Geschäftspartner», einem in Deutschland separat verfolgten und dort inzwischen verurteilten Mann, wiederholt Geheimnisse seines Arbeitgebers – der Kantonspolizei Schwyz – mitgeteilt haben. Unter anderem hätte er seinen Geschäftspartner über die von den deutschen Strafverfolgungsbehörden eingeleiteten Observationsmassnahmen informiert.

Berufsmässig gehandelt Gemäss Bundesanwaltschaft sollen die unerlaubten Waffenverkäufe auf einem Parkplatz beim Kloster Einsiedeln, auf einem Parkplatz an einer Bergstrasse etwas ausserhalb von Einsiedeln und anderswo in der Schweiz erfolgt sein. Die Verkäufe wurden ohne Bewilligungen und Papiere abgewickelt; bezahlt wurde in bar.

Nach Einschätzung der Anklägerin handelte der Beschuldigte «in den bezeichneten Fällen berufsmässig ». Innerhalb des Deliktzeitraums Herbst 2012 bis Herbst 2013 listet die Anklage sehr viele Einzeltaten auf: Verkauf von mindestens 22 Waffen inklusive Munition sowie mindestens 63 Waffenangebote im Darknet. Für die Bundesanwaltschaft ist es erwiesen, dass der Angeklagte «somit insgesamt mindestens 85 Mal den Tatentschluss zum deliktischen Handeln fasste». Die Waffen- und Munitionsverkäufe hätten ihm «einen nicht unerheblichen Zusatzverdienst verschafft», folgert die Anklage – ohne allerdings die Gesamtsumme rekonstruieren zu können. Mehrfach Urkunden gefälscht

Während neun Jahren, bis zum Auffliegen der illegalen Machenschaften und der Verhaftung vom 28. Febuar 2018, soll der Beschuldigte in seiner damaligen Funktion als Leiter Logistik der Kapo Schwyz für seinen Arbeitgeber regelmässig Munitions- und Materialbestellungen getätigt, die Ware aber für seinen privaten Zweck entgegengenommen haben. Dazu hat er wiederholt Urkunden gefälscht; unter anderem habe er Dokumente nachträglich abgeändert, welche zuvor von seinem Vorgesetzten visiert wurden.

Der Angeklagte wurde am 22. Februar 2018 verhaftet und nach 72 Tagen, am 4. Mai, aus der Haft entlassen. Zudem wurde er nach Bekanntwerden der Vorfälle fristlos entlassen.

Anträge zu den Sanktionen noch nicht publik gemacht Im Vorverfahren und Anklageverfahren sind Kosten von rund 83’000 Franken entstanden. Die Bundesanwaltschaft beantragt, dass der Angeklagte davon 65’000 Franken zu übernehmen hat. Alle anderen Sanktionsanträge stellt die Anklägerin erst am morgigen Hauptverhandlungstag. Eine allfällige Fortsetzung der Verhandlung ist für den 9. April terminiert; der 13. April gilt als Reservedatum.

Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Parkplätze wie dieser in Einsiedeln, ausserhalb von Einsiedeln und anderswo in der Schweiz waren die bevorzugten Umschlagplätze für Waffen und Munition.

Foto: Lukas Schumacher

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