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Federer vergisst Einsiedeln

Federer vergisst Einsiedeln Federer vergisst Einsiedeln

Die neue Tourismus-Kampagne des Tennis-Weltstars spart das Klosterdorf aus

Tennisstar Roger Federer versucht im Augenblick, nach seiner langen Verletzungspause nicht nur wieder auf den internationalen Courts Fuss zu fassen. Er hat sich neuerdings auch als Botschafter für Schweiz Tourismus engagieren lassen, um sein Heimatland im Ausland touristisch besser zu vermarkten. Nicht ohne Makel.

WOLFGANG HOLZ

Lächelnd-lässig mit Sonnenbrille steht Roger Federer auf dem Foto vor einem Bergsee. Im Hintergrund schimmern majestätisch weisse Felsriesen. «Very excited to team up with @MySwitzerland_ e and officially present my home country», posaunt der 39-jährige Tennisstar zu diesem Bild in einem Tweet in die Welt hinaus, der auf seiner Homepage ganz oben aufscheint. Er spricht damit sein neues Engagement als Botschafter für Schweiz Tourismus an.

Kinder von Federer wurden sogar im Kloster getauft

Tatsächlich hat «King Roger» für den nationalen Tourismusverband seine Lieblingsdestinationen in der Schweiz aufgelistet – um ausländische Gäste noch zahlreicher in seine von ihm so geliebte Heimat zu locken. Unter dem Titel «Das

Beste der Schweiz» figurieren

etwa Klassiker wie der Rheinfall, der Aletschgletscher oder der Creux du Van.

Aber auch die Unesco-Biosphäre Entlebuch wird lobend erwähnt. Bern, Basel, St. Gallen – mit dem Stiftsbezirk (!) – Zürich, Luzern und Bellinzona dürfen auf seiner Liste glänzen. Selbst solche Kleinode wie das Alpendorf Binn im Wallis, wie Ermatingen am Bodensee oder wie das pittoresk-mediterrane Morcote sind erste Wahl des internationalen Vorzeige- Schweizers.

Das Kloster Einsiedeln, das Roger Federer bestens kennt und schon einige Male besucht hat, fehlt indes komplett auf seiner Bestenliste. Dabei wurden die Kinder des Weltstars im Kloster Einsiedeln getauft. Und Abt Urban Federer ist sogar ganz entfernt verwandt mit dem Tennisweltstar.

«Das ist nicht gut», kommentiert Heino von Prondzynski, Präsident «Freunde des Klosters Einsiedeln», in einer spontanen Reaktion. Aus seiner Sicht müsste das Kloster als grösster Wallfahrtsort der Schweiz sehr wohl auf Federers Prioritätenliste gehören. «Denn er hat eine Verbindung zum Kloster.» Generell findet er, dass die Region Einsiedeln touristisch eine Aufwertung verdiene. Allein schon die Zahl von rund 100’000 Besuchern jährlich deute auf die besondere Bedeutung Einsiedelns hin. «Die meisten davon kommen nicht nur wegen des religiösen Aspekts, sondern wegen der Architektur der Klosteranlage.» Auch Schweiz Tourismus bestätigt das Fehlen Einsiedelns in Roger Federers «Best of». «Bis jetzt ist Einsiedeln nicht unter den Schweiz-Tipps von Roger Federer bei uns auf MySwitzerland. com/Roger. Ein Besuch von Einsiedeln, zumindest als Botschafter von Schweiz Tourismus, ist für ihn ebenfalls nicht geplant», gibt Mediensprecher André Aschwanden Auskunft. Schade.

Dabei ist es nicht nur ein Wermutstropfen, dass Roger Federer in Sachen Botschafter für Schweiz Tourismus das Klosterdorf nicht unter seinen Lieblingsdestinationen erwähnt. Richtig schmerzt dagegen, dass Einsiedeln auch sonst als Attraktion bei Schweiz Tourismus ein Mauerblümchendasein führt. Und das, obwohl Einsiedeln mit seiner Spiritualität als einzigartige Nische glänzen kann – Berge und Seen gibt es ja fast überall in der Schweiz.

Doch, wer sich unter den verschiedenen Rubriken des nationalen Tourismusverbands online durchklickt, sei es sogar unter «Klöster und Kirchen», sei es unter «Kraftorte», der wartet vergebens, dass Einsiedeln irgendwann auf dem Bildschirm auftaucht – und das, obwohl viel unbekanntere Sakralbauten in der Schweiz hervorgehoben werden. «Touristischer Grundauftrag»

Denn, wie kann es sein, dass etwa die St.-Martins-Kirche im bündnerischen Dörfchen Zillis besonders erwähnt wird, die grandiose Barockkirche des Klosters Einsiedeln dagegen nicht?

«Wir halten uns selbstverständlich an unseren Grundauftrag – die Präsentation aller touristischen Angebote in der Schweiz», erklärt Aschwanden. Dabei werde natürlich immer etwas variiert, auch zur Abdeckung aller Regionen und zur Abwechslung. «Eine Attraktion oder Region ist nie oder garantiert immer Teil aller Promotionen weltweit.» Die Web-Abteilung von Schweiz Tourismus sei fortlaufend daran, «alte» Inhalte und Seiten zu überarbeiten und an die neuen und richtigen Orte zu verlinken. Aschwanden: «Das Kloster Einsiedeln ist auch eines der Highlights der Grand Tour of Switzerland.» Einsiedeln kein Weltkulturerbe

Andererseits: Warum ist das Kloster Einsiedeln bis heute kein Unesco-Weltkulturerbe und hat auch bis jetzt kein Gesuch dafür eingereicht? Für Simon Elsener, Geschäftsführer der Einsiedeln- Ybrig-Zürichsee AG, steht fest,dassderTourismusinderRegion eine deutliche Aufwertung erfahren würde, wäre das Kloster Weltkulturerbe. «Das hätte zweifellos positive Auswirkungen auf den Tourismus, weil das Weltkulturerbe eine internationale Marke ist.» Hat Einsiedeln da etwas verschlafen? «Verschlafen nicht», ist Heino von Prondzynski überzeugt. Er weist darauf hin, dass der Titel Weltkulturerbe eben auch mit Auflagen und Kosten verbunden sei. Ausserdem gehöre Einsiedeln ja inzwischen zu den prominentesten Marienwallfahrtsorten in Europa.

Wobei das Kloster nicht ausschliessen will, dass das Thema Weltkulturerbe irgendwann einmal wieder debattiert werden könnte. «Eine Diskussion um eine Unesco-Unterschutzstellung hatte man im Kloster Einsiedeln in den 80er-Jahren geführt», sagt Verwaltungsdirektor Marc Dosch. Man habe damals aus verschiedenen Gründen darauf verzichtet, unter anderem, weil die Klosteranlage mit den eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen sowie dank des klostereigenen Fachwissens sehr gut geschützt sei, so Dosch. «Zudem ist das kein Baudenkmal, sondern ein lebendiges Kloster, das sich weiterentwickelt. Ob ein Unesco-Label aus heutiger und aus touristischer Sicht der Region etwas bringt, können wir bei Gelegenheit wieder beurteilen.»

Der Tennis-Weltstar agiert für Schweiz Tourismus als Botschafter – und zeigt seine Lieblingsorte. Screenshot: Schweiz Tourismus «Das ist nicht gut.»

Heino von Prondzynski

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